Ein Eis kann ganz schön motivieren

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Ullrich:

Heute ging es nach Livigno in Italien. Eine Hamerstrecke für mich! 80 Kilometer und mehr als 2100 Höhenmeter waren zu überwinden. Holger würde sagen: Alles fahrbar. Na ja, ob das mit 51 Jahren noch so gesagt werden kann, mag man bezweifeln. Ob ich sie mit 51 Jahren komplett durchfahren kann, muss ganz klar verneint werden. Aber fangen auch hier wir wieder von vorne an:

Es hieß wieder früh aufstehen, Frühstück um 7:00 Uhr und Abfahrt um 08:15 Uhr. Der Tag sollte ein langer werden. Wo wir gerade bei den Zeiten sind. Wir kommen Abends immer spät an und fahren morgens früh los. Die Zeit dazwischen ist begrenze und wird durch Essen und Schlafen noch weiter eingeschränkt. D.h. für den Blog hier, bleibt nicht immer die Zeit, die ich gerne hätte. Zusätzlich macht mir mein Tablet immer wieder einen Strich durch die Rechnung. Es nimmt meine Tastaturanschläge nicht an, schlägt Wörter vor, die ich nicht will und macht aus dem Text manchmal, was es will. Ich bin einfach zu müde, alles zu korrigieren. Rechtschreibfehler und unsinnige Wörter sind also nicht gewollt sondern dem Zufall, Apple und auch meiner Müdigkeit geschuldet….

Also 08:115 Uhr los und noch kurz zum MPreis in Nauders. Hier haben wir das Picknick für den Mittag gekauft und schon rollten wir ganz leicht in Richtung Reschenpass. 150 Höhenmeter auf einem Radweg bergauf. Dafür benötigt man ja kein Mountainbike. Aber ein anderes hatten wir ja nicht parat und brauchten später schon noch die großen Übersetzungen und groben Stollenreifen. Jetzt noch nicht und so genoss ich einfach die Zeit. Die Sonne schien und es war noch recht frisch. Nur meine Muskeln waren nichts dergleichen. Sie waren müde von gestern und noch recht kalt. So wurden auch der Motoren meines Mountainbikes aus dem Schlaf gerissen und versahen seinen Job vorzüglich. Nicht der Motor eines E-bikes, sondern ganz natürliche Muskelkraft, umgewandelt aus Kohlehydraten und dem starken Willen, den zweiten -voraussichtlich lockereren Fahrtag der Tour- erfolgreich zu meistern. Nach 2 Stunden waren wir schon im Vinschgau, hatten den Reschensee umrundet und es ging in das Val Müstair.

Hier sollten ca. 1600 Höhenmeter am Stück gefahren werden. Das hört sich nich so schlimm an, ist es aber! Denn der Weg war schotterig und hatte teilweise eine Steigung von schätzungsweise 25%. Nun gut, wir gönnen uns ja sonst nichts. Ich ernähre mich von Riegeln, Enegie-Gels und Wasser. Das wird so schnell ausgeschwitzt, wie ich es nicht nachfüllen kann. Heute waren es schätzungsweise 5 Liter, und ich kann schon fast kein Wasse mehr sehen. Wir fuhren, pausten, fuhren, pausten und irgendwann ging bei mir das Treten mechanisch. Wenn die Zeit gekommen war, schoben wir auch mal 100 Meter, bevor es wieder los ging mit dem Kurbeln. Der Ausblick war abwechselnd und nach einer Stunde haben wir das dritte Land an dieseTag erreicht: Die Schweiz! Kein Unterschied zu den anderen Läöndern war festzustellen. Zumindest abstrakt nicht. Denn es war dort nicht schöner oder hässlicher als in Österreich oder in Italien. Es war rundum schön. Ohne Einschränkungen!

Mittag machten wir um 14:30 Uhr, als wir den zweiten Pass des Tages, den Döss Radond auf 2235 Meter erreicht hatten. Bergkämme, Vinschgauer, Kaminwurzn und etwas Obst sowie Erdnüsse waren der Lohn der Anstrengung. Wir saßen in der Sonne, genossen einfach die umwerfende Bergkulisse und ich war stolz, hier oben mit dem Rad angekommen zu sein. Es wurde kühl, die Kühe gesellten sich zu uns und mussten von Frank vom Fahrrad vertrieben werden.

Das Ganze, bevor es erst auf Schotter und danach auf einem tollen Singletrail bergab ging. Nun meint man, dass bergab locker und nicht anstrengend ist. Weit gefehlt! Es gab immer wieder Gegenanstiege und trotz körperlicher Erschöpfung erforderte der Trail volle Konzentration von mir. Das war meine größte Sorge. Denneinmal nicht aufgepasst, ist der Sturz vorprogrammiert. Der immer positive Holger kannte keine Gnade und gab ein Tempo vor, dem ich nicht folgen konnte. So fuhr ich vermeintlich sicher, dafür aber langsamer hinterher. Kein Problem für die Gruppe, auch mal ab und zu auf den langsamen Ullrich zu warten.

An dieser Stelle möchte ich noch etwas über die Gruppe einfügen. Meine Erfahrungen der letzten beiden Transalp Touren war die, dass an den ersten beiden Tagen jeder Teilnehmer testosterongeschwängert Tempo macht und zeigt was er kann, bevor sich dann am dritten Tag dann eine gewisse Nivellierung der Leistung einstellt. Ich war mit meinen 51 Jahren der Senior der Truppe. Die jüngsten Teilnehmer waren Patrick mit Mitte 20, der zweite Patrick mit knapp 30 Jahren. Dass da ein natürliches Leistungsgefälle ist, lässt sich nicht vermeiden. Aber ich habe keinesfalls festgestellt, dass ich berab als langsamerer und auch bergauf als nicht immer sehr schneller Teilnehmer der Gruppe eine Belastung war. Die Gruppe harmonierte recht schnell und das lag auch an der Art, wie Holger unsere Gruppe führte. Wir wurden innerhalb der ersten Tage ein richtig tolles Team und auch mein Freund Frank wurde immer wieder von den Anderen aufgemuntert. Das musste einmal gesagt werden. Und der Dank an die Gruppe und Holger stecken da natürlich implizit mit drin.

Nun aber weiter im Text: Die Abfahrt ging richtig gut und wir erreichten gegen 15:30 den Lago die Fraele. Hier hieß es noch einmal 400 Höhenmeter zur Alp Trela und zum Trela Pass zu fahren. Ich wusste, was mich erwartete. Daber war ich nicht gerade miotiviert, diesen letzten Anstieg des Tages in Angriff zu nehmen. Der Anstieg hat es in sich. Und ich schwöre, dass ich diesen Weg so schnell nicht mehr fahren werde. Und das, obwohl der Trail vom Trela Pass in Richtung Livigno das Schönste ist, was man als flowigem Trail fahren kann. Fahrspaß pur und nebenan plätschert der Bach. Dieses Erlebnis ist viele Strapazen wert. Ob es die Strapazen des Tages wert waren, da bin ich mir noch nicht so ganz sicher. Aber ich glaube schon.

Was aber auf jeden Fall unsre Ankunft in Livigno wert war, war das einmalige Eis in der Lateria di Livigno. Ein Traum! Mit diesem Eis hat mich Holger auch mehrfach motiviert. Und es hat geklappt. Ein super tolles Eis, und es hat geschmeckt! Aber vielleicht lag der Genuss ja nur daran, dass er den Abschluss eines schönen, jedoch recht anstrengenden Tages war.

Morgen geht es zum Stilfser Joch, wo wir auf der Garibaldi Hütte schlafen werden, bevor es Mittwoch zur Sesvenna Hütte geht. D.h. mir stehen zwei Tage kein Internet zur Verfügung. Somit wird erst wieder am Donnerstag aus Serfaus berichtet.

Bis dahin Gute Nacht, so long und liebe Grüße
Ullrich

Frank:

Skepsis!
So richtig Hunger hatte ich nicht zum Frühstück – die Aufregung vor dem was kommt war doch sehr groß. Wieder eine Etappe wie gestern, in der die Mischung „wie soll ich das bloß schaffen“ , „hoffentlich reicht meine Fahrtechnik um den Trail zu fahren“ und „es kann immer noch eine Anstrengung dazukommen“ meine Motivation schon ganz schön herunterrissen oder trotz der Eckdaten eine neue machbare Herausforderung.

Harmloser Anfang
Um 8.15 Uhr ging es los – zunächst noch zum Supermarkt, um etwas Verpflegung für ein Picknick am Döss Radond zu kaufen. Der Start war dann auch harmlos (wie angekündigt von Holger unserem Guide) – über Radwege ging es von Nauders (A) zunächst leicht ansteigend bis zum Reschenpass (I) und dann um den Reschensee mit seiner versunkenen Kirche. Fotostops und weiter ging es über die „Fahrradautobahn“ Via Claudia ins Vinschgau bis wir kurz vor Glurns nach insgesamt ca. 30km Fahrt ins Val Mustair abbogen. Nun begann der lange, aber zunächst noch sehr sanfte Anstieg bis zur Passhöhe von Döss Radond. Das Val Mustair (Münstertal) ist ein weitläufiges grünes Tal und beginnt in Südtirol und geht im oberen Tal in die Schweiz über. In Santa Maria am Ende des Tales war dann der gemütliche Teil der Route definitiv zuende.


Das dicken Ende des Val Mustair
Nach einer kurzen Rast an einem Campingplatz, wo wir unsere Trinkwasservorräte in den Flaschen und Trinkblasen auffüllten und etwas Fraß (Riegel) in uns einwarfen ging es extrem steil bergan auf einer engen Forststraße neben einem tosenden Wildbach. Zuvor mussten wir noch ein Murenfeld überqueren. Anstrengend ging es 750 hm steil bergan – das einzige was von den Qualen ablenkte war die traumhafte Landschaft mit Wasserfällen und Kiefernwäldern inmitten von schroffer Hochgebirgslandschaft. Die Gruppe erreichte nach fast 2 Stunden weit auseinandergezogen die Passhöhe. Ein erfrischender Wind und die plötzlich fehlende Anstrengung zwang uns schnell zum Anziehen der Wind- und Regenjacken. Beim Picknick mit Vinschgauer Brot, Bergkäse, Rauchenden und Obst kamen auch einige neugierige Almkühe zu Besuch.

Die kurze Belohnung
Nach 45 Minuten Pause folgte ein herrlicher Flowtrail über die Almlandschaft des Val Mora. Entlang eines reißenden Gebirgsbaches durch Kiefern- und Lärchenwälder erreichten wir den dritten Pass des Tages den Passo di Fraele – interessanterweise ohne es wirklich richtig zu merken und gleichzeitig wieder Italien. Am Fraele Stausee fuhren wir entlang bis wir erneut gefordert wurden: weitere 400 hm bis zur Alpe Trela –bedrohlich als Serpentine in einer hohen Felswand lag der steile Anstieg vor uns. Ralf und ich entschlossen uns zum Schieben – die Knochen sollten ja auch den Rest der Woche noch halten. Schneller als erwartet erreichten wir die Alpe, aber dann kam die Erkenntnis, dass wir es zwar zur Alpe geschafft hatten, aber es zum Pass noch etwas Arbeit war. Auch wenn wir schon 70km und 2000hm hinter uns hatten kämpften wir in Erwartung bald das leckere Eis eines Eismachers in Livigno in den Händen zu halten. Nach dem Passo Trela folgte dann noch einer der schönsten Trails unserer Reise überhaupt bevor wir um ca. 18:00Uhr Livigno und den Eismacher erreichten. Das Eis war in der Tat legendär und durchaus die Anreise wert. Das konnte man auch an den Besucherschlangen erkennen. Leider war es aber des Kampfes noch nicht genug – das Hotel lag noch 150m höher als der Ort. Ziemlich kaputt und durchaus weiter zweifelnd erreichte ich aber auch dieses Ziel.

Resumee Tag 2: Der Durchhaltewillen und die Eindrücke der Landschaft prägten diesen Tag für mich. 2200hm und 82km sind wahrlich nicht einfach mal so gefahren mit einem Mountainbike in den Bergen. Jeder Rennradfahrer wird nach dem Problem fragen, jeder Mountainbiker weiß, dass das schon eine Hausnummer ist, wenn man nicht auf geteerten und gepuderten Straßen unterwegs ist.

Der Kirchturm im Reschensee
Die Landschaft ist zum verlieben. Ob der Wasserfall kurz vor dem Döss Radond sich deshalb durch ein Herz frisst?
Am Döss Radond wird Mittag gemacht. Es war recht kühl und einsam
Weiter ging es in Richtung Livigno. Zuerst auf einem breiten Weg späte über schöne Trails
Die letzte Steigung zum Trela-Pass. Danach kam der längste Flowtrail der Tour. Wunderbar!
Die Krönung war das lecker Eis der Latteria di Livigno