Die Speiche und später Feierabend…

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Bericht Ullrich

Prutz 18:44 Uhr. Ich sitze mitlerweile auf der Terasse vor unserem Hotelzimmer und komme jetzt nach einer tollen, wenn auch nicht unanstrengenden Etappe, zur Zusammenfassung des Tages. Warum so spät? Nun, die Speiche musste gewechselt werden. Der Händler hat dazu mehr als eine Stunde benötigt und am Ende war auch noch die Bremsscheibe falsch eingebaut, so dass ich erst seit 20 Minuten wieder im Hotel war. Doch der Reihe nach.

Fangen wir morgens an: Die Nacht war sehr ruhig, keine Schmerzen in den Beinen (was angesichts der halben Etappe gestern auch nicht zu erwarten war). Und so sind wir um 06:30 Uhr aufgestanden, haben schön gerühstückt und um 08:30 hieß es Einklicken, um den Weg in Richtung Imst und nachfolgend Prutz zu beginnen. Die Etappe sollte leider wieder ohne Oskar stattfinden. Die Hand ist immer noch nicht weiter geheilt und es ist auch nicht zu erwarten, dass er noch eine Etappe mitfahren kann. Schade für Oskar, schade für uns. Aber es soll einfach nicht sein. Gesundheit geht vor. Und wenn er stürzt, weil er nicht richtig zufassen kann, wäre das viel schlimmer, als die Tour jetzt nicht mehr zu fahren.

Nachdem die Bikes aus dem Keller geholt waren, ging es bei strahlendem Sonnenschein in Richtung Marienbergjoch. Die Mädels sind in Richtung Fernpass hoch gefahren, wir eben zum Marienbergjoch. Das sind nach meiner Erinnerung knapp 800 Höhenmeter am Stück auf rutschigem Schotter. Zum Schluss sind es auch noch 30% Steigung. Dieses Marienbergjoch ist ja nun meine Achillesverse. Bei meiner ersten Transalp wollte ich hier die Tour abbrechen, weil auf der Hälfte beide Beine verkrampften. Somit bin ich im letzten Jahr, als wir hier zufällig Urlaub machten, noch einmal zum Joch hochgefahren. Und da habe ich es am Stück in 1:15 Stunden geschafft. Heute waren es nicht 1:15 Std, sondern nur knapp 1:00 Stunde. Na ja, nicht ganz zum Joch, sondern zur Sunnalm.

Und somit kann ich sagen, dass ich wirklich nicht unfit bin. Ich war auch weit vorne in der Gruppe. Doch auch das ist mir egal. Mir geht es doch einzig und alleine darum, die Natur zu genießen und beim Mountainbiken auch gut abzuschalten. Vom täglichen Leben in der Tretmühle des Jobs. Der mir sicher Spaß macht. Aber ehrlich habe ich auch gewisses Verständnis für die Work-Life-Balance Fokussiertheit der heutigen Bewerber bei uns im Unternehmen. Und auch vor den Wünschen von Julian. Hut ab. Ich bin mal gespannt, ob viele Unternehmen diesen Wunsch unterstützen. Bei uns ist es möglich und ich hoffe für viele Arbeitnehmer, dass sie auch in den Genuss kommen, ihr Privatleben mit dem beruflichen besser zu harmonisieren.

Zurück zur Tour: Hätte mein in Strömen fließender Schweiss nicht die Sicht kurz vor Ende gegen 0 gehen lassen (meine Augen brannten und ich musste sie schließen, damit sie nicht so weh taten), so dass ich noch einmal anhalten musste, wäre ich als Zweiter oder Dritter der Gruppe oben angekommen. Warum erzähle ich das? Ich weiss es nicht. Es geht nicht um Wettkampf, sondern um Genuß. Die Zeit ist gut, doch auch das zählt nicht. Ich fühlte mich gut. Und das ist alles, was zählt. Na ja, und die Sicht ist grandios gewesen. Am Rande sei noch erwähnt, dass ich froh war. Denn an den Kurven, wo vor drei Jahren meine Beine versagten, waren sie wieder, die Erinnerungen. Warum erinnert man sich nur so gut an negative Dinge? Und das, wo ich sonst so positiv denke. Egal. Das ist nicht des Nachdenkens wert. Ich freue mich über meine Leistung bis zur Sunnalm und den herrlichen Ausblick ins Ehrwalder Becken und auf die Zugspitze. Denn obwohl der Himmel heute bei der Abfahrt schon blau war, war die Zugspitze in einem Wolkenschleier. Doch nun war der Himmel aufgerissen und die Wärme wurde langsm stärker und die Sicht einfach großartig.

Wie klein sind wir doch als Menschen gegenüber der Großartigkeit der Natur? Von der Sunnalm bis zum Joch oben, mussten wir dann doch alle schieben. Alle? Nein, Lutz, unser Guide ist natürlich gefahren. Aber er verdient auch sein Geld damit. Und ich kann ggf. Feuer löschen, Klavierspielen, Menschen führen und habe ggf. noch etwas Ahnung von IT Sicherheit oder Datenschutz ;-). Na ja, Lutz kann sicher auch andere Dinge, deshalb einfach Hut ab. Das ist schon eine tolle Leistung, die keinen Neid hervorruft, jedoch hohen Respekt.

Die Abfahrt auf die andere Seite war recht locker. Manchmal am Beginn zu langsam für meine Gefühle. Aber wir wollen ja sicher ankommen! Eine Johannisbeerschorle auf der Marienbergalm durfte es auch noch sein. Dabei konnten wir den Blick in Richtung Süden genießen. Wäre der Rasentrimmer nicht an gewesen, wäre es auch sehr ruhig gewesen. Doch das war nach 10 Minuten auch erledigt, so dass die einmalige Aussicht und die schöne Atmosphäre von uns allen genossen werden konnte. Die Abfahrt nach Nassereith war schön, zum Abschluss noch ein kurzer Trail und es ging mit hoher Geschwindigkeit in Richtung Imst, um nachfolgend auf dem Inntal Radweg die Kronburg anzufahren.

Auf der Kronburg, vor die der liebe Gott noch ca 200 Höhenmeter gelegt hat, sollte es Mittag geben. Sollte ist der richtige Ausdruck, dann am Fuße des ersten Anstiegs musste Julian, der Guide der anderen Gruppe, feststellen, dass auf der Kronburg heute Ruhetag war. Also einige Höhenmeter gespart und es ging in Zams essen. Der Service hier war nicht besonders professionell, aber die Kohlehydrate, die wir einnahmen, zwingend notwendig. Eventuell bin ich komisch, aber den Laden würde ich nicht noch einmal weiter empfehlen. Tue ich auch nicht, deshalb schreibe ich hier auch nicht den Namen. Denn nun ging es hinauf auf die Fließer Platte. Hierzu mussten wir ca 50 Höhenmeter auf einem Trail schiebend voran. Die Sonne brannte mittlerweile unerbittlich. Und wer denkt, schieben ist nicht anstrengend, der sollte das mal mit einem 15kg Mountainbike und 8 kg Rucksack probieren. Das ist schon eine Herausforderung. Sicher nichts für die Basis-Tour von Claudia und Sabine. Doch sie fuhren, bzw. schoben mit. Es ging kurz bergab und nachfolgend wieder bergauf die Kalorien zu verbrennen. Teils war es so verblockt und steil, dass ich an zwei Stellen dann doch schieben musste. Und nicht nur ich.

Auf der Via Claudia Augusta fuhren wir weiter und sahen das Inntal unter uns. Der Ausblick hier oben von der Fließer Platte war jede Anstrengung wert. Ich kann dieses nur jedem empfehlen, der einmal in dieser Gegend ist. Und es ging nachvolgend auch bergauf, bergab schöne Trails entlang, die jede Anstrengung vergessen ließ. Nach der letzten Abfahrt mussten wir dann noch ca. 10 Minuten auf einem Radweg entlang des Inns in Richtung Prutz. Und hier waren wir auch ca. 16 Uhr angekommen. A

lso schnell in den Fahrradladen, der auch mein Hinterrad reparieren sollte. Das dauerte bis nach 18 Uhr, weil erstens nicht bekannt war, ob sie meine Speichenlänge vorrätig hatten und zweitens Probleme beim Einbau meines Hinterrades bestanden. Nachdem ich darum gebeten hatte, den Bremssattel auszubauen, war der Fehler auch schnell gefunden. Die Bremsscheibe war nicht richtig fixiert, so dass das Rad gar nicht passen konnte. Ich freute mich schon sehr über den flexiblen Service. Mühe hat man sich dort schon gegeben ;-). Nun habe ich wieder ein Rad mit allen Speichen, wenn es auch eine kleine 8 hat, die nicht mehr heraus geht. Das heisst, dass ich hoffen kann, dass mein Rad noch bis zum Gardasee hält. Denn einige Speichen sind schon stark unter Spannung, wohingegen andere eher lockerer sind. Warten wir es ab. Es sind ja nur noch 4 Etappen. Und die nächste hat es schon in sich. Wir werden morgen über die Uina Schlucht nach Italien fahren.

Wenn alles gut geht, werden wir sicher erst nach Mittag unser Mittagessen auf der Sesvenna Hütte einnehmen Lutz hat wieder etwas tolles gezaubert. Ein Höhenweg mit einzigartigem Blick auf das Vinschgau sollte es sein. Ich freue mich schon jetzt. Auch wenn ich mich noch gut daran erinnern kann, wie die Radler im letzten Jahr aussahen, die zur Uina Schlucht hoch fuhren. Wir waren ja von der Sesvenna Hütte herunter gefahren. Und das dauerte eine ganze Weile. Das fahren wir morgen hoch? Na prost Mahlzeit. Trotzdem freue ich mich schon sehr. Denn auch hier ist der Mensch so klein. Das ist etwas, was immer wieder erden kann und die Dinge im Leben in die richtigen Relationen setzen kann. So ist also die Aussicht für morgen.

Wie das Wetter wird? Keine Ahnung. Da gibt es nun unterschiedliche Vorhersagen. Wir können es eh nicht ändern, lassen wir uns also überraschen. Wenn wir morgen im Vinschgau in Glurns ankommen, dann erwartet uns hoffentlich die italienische Sonne. Ich werde morgen Abend berichten, wenn ich noch die Kraft und Zeit habe. Denn die Ankunft ist erst mit 18 Uhr angesetzt. Und das, obwohl wir schon um 08:00 Uhr losfahren werden. Es wird also ein langer Tag. Also bis morgen oder eben übermorgen….

Nachtrag von Claudia..

..aus schon besagten Gründen (und in Ergänzung zu Ullrichs Einleitung: meine Beine taten auch nicht weh und das war gut!) Für diese Etappe hatte sich noch eine Teilnehmerin unserer Gruppe angeschlossen. Wir sind mit Julian über den Fernpass gefahren und wurden bergauf von einigen E-Bike-Radlern überholt. Einerseits frustriert das etwas, andererseits war ich aber stolz, dass ich diese Strecke und Höhen mit meiner Muskelkraft bewältigen wollte und es ja auch schaffte. Wir sind zwischendrin auch auf schönen Waldwegen gefahren, damit es nicht nur Schotter ist. Sowie Julian eine schönere Alternative parat hatte, baute er diese für uns ein. Nach einem Fotostopp ging es weiter in Richtung Kronenburg.

Dort wollten wir uns mit der anderen Gruppe treffen und gemeinsam Mittagspause machen. Vor diesem Essen mit der angekündigten grandiosen Aussicht lag aber noch eine steile Auffahrt, die aber eben alle Mühe wert sein sollte. Durch Zufall schaute Julian noch auf den Speisekarten-Kasten am Anfang der Straße: Montag Ruhetag. Wie wunderbar, dass er das vorher gelesen hatte. In diesem Moment radelten auch die anderen an, die natürlich einen deutlich anstrengenderen Weg gewählt und bärenmäßig Hunger hatten. Julian wurde derweil von einem Mofafahrer angequatscht, was ihm, wie er später erzählt, überhaupt nicht passte, aber man ist ja höflich. Nach kurzer Überlegung ging es weiter mit dem Rad nach Zams und dort fanden wir tatsächlich einen großen Tisch für eine gemeinsame Kohlehydrate-Mittagspause. Das viele Essen für die Energiereserven fiel mir echt schwer, weil ich ja nun eigentlich immer darauf achte, dass mein Hüftgold nicht wächst, aber ich habe dann doch Spinatnockerl gegessen, die sich allerdings dann den weiteren Tag immer wieder bei mir meldeten. Das war noch nicht die Lösung für mich, aber auch hier muss ich ja erst herausfinden wie das so auf einer mehrtägigen Tour ist. Schwer beeindruckt war und bin ich von den immensen Bergen, die Julian so verputzen kann ohne natürlich Hüftgold anzulegen und dann noch weiter entspannt mit uns durch die Gegend zu radeln.

Weiter ging es dann in Richtung Pütz. Aber davor lag noch eine enorme Schiebepassage, die meinem Knie und mir nicht wirklich gut tat. Nach der Mittagspause ging es fix, erst noch mit allen, bergauf und dann hieß es: Da gibt es auch die Möglichkeit einer Abkürzung auf die Fließer Platte, auf die wir hoch mussten. Jemand sagte noch, dass sie an uns vorbei wollte, weil sie lieber fahren wollte, aber es handelte sich hier nicht um die Straße, wie auch Sabine und ich dachten, sondern um einen sehr steinigen, verwurzelten, sehr unebenen und schmalem Bergaufstieg. Ich konnte kaum richtig gehen und treten und hatte ja, so ganz unüblich bei einer Wanderung, ja mein Rad und den Rucksack auch noch da hochzubringen. Ich fragte mich sehr intensiv, was an so einem Aufstieg noch ‘light’ sei und wie ich so dämlich gewesen sein konnte, diese Tour zu buchen. Aber Sabine und ich schoben wacker und stetig und mit der einen oder anderen Schimpftirade nach oben. Das half uns, die Bäume und Grillen waren geduldig und verständnisvoll mit unserem Unmut. Ich meine, den einen oder anderen Spruch gaben wir uns gegenseitig sogar zum Besten, der uns noch zum Lachen brachte. Also war da ja noch Luft nach obenoder so.

Julian wartete natürlich weiter oben auf uns (Wir hatten ihn vorgeschickt, damit er unsere unflätigen Kommentare nicht hören konnte) und wollte uns auf den letzten Metern, ganz Gentleman-like, die Räder abnehmen. Aber wir haben auch unseren Stolz und so kamen wir beide etwas angeschlagen, aber ohne andere Hilfe oder Unterstützung lebend oben an und haben auch niemanden auf dem Weg behindert – wie auch, die waren ja auch alle längst schon weitergefahren. Die Teilnehmerin, die sich zwischenzeitlich uns anschloss, hatte sich auch wieder der anderen Gruppe angeschlossen, weil es ihr mit uns wohl zu langsam oder langweilig war. Vielleicht fehlte ihr die Herausforderung. Am Montag machte ich mir dazu aber noch keine weiteren Gedanken.

Wir fuhren dann auf sehr schönen, für uns beide auch etwas herausfordernden Wegen talabwärts, düsten durch ein Bergdorf, in dem ich mich fragte, wie so ein Dorf es schafft, auch junge Menschen zu bewegen, dort wohnen zu bleiben. Nun denn, auch wir drei kamen in Prutz an – stolz wie Bolle auf unsere Leistung. Julian machte noch einen kurzen Halt am Brunnen mit dem sauren Wasser. An dieser Quelle gibt es einen normalen Brunnen und einen, aus dem wirklich saurer Wasser mit verschiedenen Mineralien sprudelt und viele Menschen füllten sich dort zahlreiche Flaschen zum Mitnehmen auf. Es soll sehr gesund sein. Die anderen saßen schon bei gemütlichem Bier und Schorle auf der Terrasse, als wir drei dann auch ankamen. Es wurde für uns beide etwas hektsich, weil dann recht fix die Zimmer bezogen werden sollten, wir aber noch etwas kaputt waren, aber auch das haben wir hinbekommen – wir hatten dann nur eine kleine Pause, aber:

Die nächste Etappe war geschafft! Sabine und ich waren stolz auf das, was wir beide geleistet hatten und freuten uns doch tatsächlichem bei allem Respekt auf die nächste Etappe.

Morgenstimmung mit der Zugspitze im Nebel
Abfahrt in Richtung Marienbergjoch duch Biberwier
Das Erwalder Becken aus Sicht Sunnalm über Biberwier
Am Marienbergjoch angekommen. Sicht auf die Mieminger Kette
Hinter der Fließer Platte ein kleines Bergdorf auf dem Weg nach Prutz