Der Sonntag brach an mit Wolken. Es sollte die Nacht regnen, und im späten Verlauf des Sonntags in Imst (unserem Zielort für die erste Etappe) ebenfalls. Nun, Nachts hat es nicht geregnet. Zumindest habe ich es nicht mitbekommen. Aber der Himmel über der Zugspitze und dem Waxenstein, auf die ich aus unserer Balkontür schauen konnte, verhieß nichts Gutes. Wolken, Wolken, Wolken. Das ist es nicht, was Du haben möchtest, wenn Du eine Etappe über knapp 70 km fahren möchtest, dabei mehr als 1500 Höhenmeter hinter Dich bringen willst. Das macht bei Regen sicher keinen vermehrten Spaß. Aber auch hier gilt „schau ‘n mer mal“, denn ändern können wir das sowieso nicht.
Um 08:24 konnte ich nach dem Frühstück in die Pedale einklicken, nicht jedoch, ohne vorher noch das obligatorische Startfoto gemacht zu haben. Ich glaube, es waren alle aufgeregt. Dachte mir das zumindest von Hans, der sehr still war und auch von Jörg, der -so glaube ich- die Wörter, die Hans nicht sprach, mit der Runde teilte. Denn Jörg erzählte so viel, wie ich es kaum für möglich gehalten habe. Jörg erscheint mir eine wahre Frohnatur zu sein. Das wird sicher eine schöne Tour für Claudia und Sabine. Frank und ich fuhren genau um 08:24 los und zwar in Richtung Eibsee. Die Gruppe um Claudia, Sabine, Jörg, Marvin und Hans fuhr mit ihrem Guide Franz in die entgegengesetzte Richtung, nämlich zum Plansee. Wir sollten uns am späten Nachmittag in Imst wieder sehen. Nun ging es also los. Ich kannte den Weg zur Hochthörlehütte ja und musste so mein Garmin Navi nicht einschalten. Das Tempo war moderat. Ich hielt mich an Frank, der ja so immer mein Tempomacher ist. Die ganze Saison habe ich mein Tempo nicht so richtig gefunden. Ich war eher immer zu schnell unterwegs, öfter am Limit. Aber das durfte hier nicht passieren, denn 6 Tage am Stück halte ich das dieses Jahr i.d.R. gefahrene Tempo nicht durch.
So war ich froh, dass Frank das Tempo vorgab und wir fuhren zuerst eine Teerstraße, bis wir nach dem Kreuzen der Bahnlinie der Bayerischen Zugspitzbahn in den Wald fuhren. Die erwähnte Bahn kam auch gleich. Noch ein kurzes Foto von Frank mit der Bahn im Hintergrund und es ging die ersten richtigen Höhenmeter bergauf. Alternierend, mal gerade, mal steiler fuhren wir so die ersten 100-150 Höhenmeter zum Eibsee. Und wie jedes Mal, als ich diese Strecke fuhr (ich glaube, ich fuhr jetzt das sechste Mal zur Hochthörlehütte) war ich wieder kurz vor dem Hyperventilieren ;-). Hier bin ich jetzt recht schnell, es ist somit recht anstrengend und so richtig ist der Rhythmus noch nicht da. Aber wir kamen gut an der Bahnstation Eibsee an, schauten auf den gleichen herunter, und bewunderten die neue Talstation der Bayerischen Zuspitzbahn, die vom Eibsee hoch auf Deutschlands höchsten Berg führte. Auch hier ein obligatorisches Foto, eine kurze Erklärung für Frank, wie der Weg nun weiter führen würde und wir gingen auf die nächsten 450-500 Höhenmeter unterhalb der Zugspitze.
Das Wetter klarte sich zwischenzeitig auf, der Zugspitzgipfel war zu sehen. In leichtem Weiß von frisch gefallenem Schnee gehüllt, war der Gipfel und der Fels herum vor strahlend blauem Himmel zu sehen. So lasse ich mir das gefallen, so kann sich das Wetter entwickeln. Unterhalb der höchsten Seilbahnstütze Europas genossen wir noch den Blick auf den blau-grünen Eibsee, bis es dann wieder in die Pedale treten hieß. Nun ging die Steigung, die bisher teils stark war, in eine moderatere über und ich fuhr mein Tempo. Frank seines. So war es abgemacht, so haben wir es auch umgesetzt: Jeder fährt bergauf sein Tempo. Ich könnte auch kein anderes Tempo fahren, das würde mich doch zu sehr belasten ;-). Aber so kennen wird das von unseren Trainingsetappen im Harz und auch von unseren beiden Touren, die wir mit Holger und auch Mario in den Alpen gefahren sind. Noch eine kurze heftige Steigung, die sehr rutschig war und uns zum Absteigen zwang, dann einige wenige moderate Höhenmeter und wir waren am höchsten Punkt des ersten Anstiegs angekommen.
Die Zugspitze war nun wieder in Wolken gehüllt, die Temperaturen waren kühl und so hieß es erst einmal, die Bekleidung anpassen. Mein Trikot war durchnässt und Franks auch. Ich zog es vor, ein trockenes Unterhemd anzuziehen, eine Jacke überzuziehen, um die Abfahrt nach Ehrwald über schöne Trails anzugehen. Frank tauschte gleich das komplette Trikot und so ging es nach 5 Minuten Pause an der Hochthörlehütte vorbei in Richtung Ehrwalder Moos. Der erste Trail war sehr steinig, etwas verblockt und auch ich war dieses. Ich hatte zwar meine Knieschützer an, aber mein Sturz im letzten Jahr bei der Abfahrt von der Fanes Hochebene in den Dolomiten war wohl noch im Kopf. So war auch mein Kopf verblockt und der Trail ließ sich nicht gut an. Ich schob einige Meter. Da muss ich wohl noch dran arbeiten, dass mich dieser Sturz nicht mehr im Kopf blockiert. Aber auch das brachte ich hinter mich, ich fuhr mit Frank abwechselnd voraus und so kamen wir auch nach kurzer Zeit an der Talstation der Tiroler Zugspitzbahn an. Von hier ging ein toller Flow-Trail in Richtung Ehrwald, wo wir über einen Wiesentrail das Tal erreichten. Hier trafen wir auch den einzigen unfreundlichen Wanderer auf der Strecke. Er ging nicht aus dem Weg, hatte es -und das war sowohl meine als auch Franks Interpretation- durch seine Mimik und Gestik eher darauf abgesehen, Stress zu machen. Aber nicht mit uns, denn wir fuhren vom Wiesentrail herunter, um nachfolgend durch ein nettes älteres Ehepaar wieder den Trail frei gemacht zu bekommen.
Ein freundliches „Servus“ war die Reaktion, ein Nicken, ein Lächeln, so muss es sein. Vergelt’s Gott sagt man wohl hier. Unsere nächste Herausforderung hieß Marienbergjoch. Es sind -so glaube ich- knapp 700 Höhenmeter am Stück zu bewältigen. 3 Mal bin ich diesen Weg schon gefahren. Er erforderte stets einen starken Willen, denn der Schotter macht den Weg nicht gerade einfach. Das Treten ist schwerer und am oberen Ende ist eine Steigung von 30% zu bewältigen. Meine Rekordzeitliegt bei 1:15 Stunden für die Auffahrt. Heute ist damit nicht zu rechnen gewesen. Ich war heute weder konditionell noch von der Kraft her fähig, diese Auffahrt ohne Pause oder Schieben durchzuführen. Na ja, ich glaube, dass ich unten einfach zu schnell angefahren bin, und hier unheimlich viel Kraft verbraucht habe. Oder aber waren wir die Hochthörlehütte doch zu schnell angegangen, oder mein Trainingsstatus war nicht der Beste.
Ich trat die Pedale, was das Zeug hielt. Frank gab ebenfalls sein Bestes. Dass uns hier die ersten E-Mountainbiker überholten verbesserte nicht gerade meine Stimmung. Wenn sie wenigstens grüßen würden. Aber nein, am sich quälenden Bio-Biker vorbei zu fahren, aufrechte Sitzposition und dann auch nicht zu grüßen, das sieht schon sehr arrogant aus und ist es wahrscheinlich auch. Aber auch wir haben den Aufstieg gemeistert. Ohne Unterstützung von Bosch, Yamaha, oder wie die Hersteller alle heißen, die Motoren für E-Mountainbikes bauen. Wir haben nur unseren Willen und unsere Muskelkraft gespeist von den Kohlehydraten der letzten Tage eingesetzt um schließlich auch die E-Biker auf der Sunnalm wieder zu treffen.
Hier gab es ein Kaltgetränk, bis uns nach kurzer Zeit das Wetter Sorgen machte. Essen wollten wir eigentlich, aber die Bedienung sprach von Gewitter und davon, dass nicht abzuschätzen sei, wann das kommt. Es könne auch in 10 Minuten hier sein. Und so bezahlten wir schnell. Denn ein Gewitter wollten wir oben am Joch, welches noch 100 Höhenmeter über uns lag, nicht erleben. Ein schneller Aufbruch, eine anstrengende Steigung, eine rutschige und verblockte Schiebepassage und wir waren oben auf dem Joch. Die Mieminger Kette auf der einen Seite, das Ehrwalder Moos auf der anderen Seite hatten wir beste Ausblicke. Auch auf die Wolken, die nun einige wenige Tropfen in Richtung Erde entließen.
Also ging es nach Anziehen windschützender und wärmerer Jacken bergab über die Marienbergalm in Richtung Nassereith. Erst war der Weg schottrig, um sichnachfolgend in einen typischen Waldweg zu verwandeln. Die Bremsen wurden heiß und zwangen uns zu einer kurzen Pause, in der wir einen netten Wanderer aus Göttingen trafen. Überhaupt waren alle Wanderer bei der Abfahrt nett zu uns. Ein freundliches „Hallo“ oder „Servus“, ein Kopfnicken und ein Dankeschön gepaart mit entsprechendem Abstand zueinander steht für ein gutes Nebeneinander zu den Naturliebhabern, die diese auf Schusters Rappen erkunden und denen, die die grobstolligen Reifen lieben.
Wenn diese Erkenntnis mal im verschlafenen Harz insbesondere beim dortigen Nationalpark Einzug halten würde, man könnte auf die völlig überflüssigen Wegsperrungen für uns Mountainbiker dort verzichten. Doch wir sind in Tirol und nicht im Harz und das hörten wir auch auf einem schönen Trail. Unten aus dem Tal kam Blasmusik. Irgendwie passte das zur Atmosphäre und als wir in Nassereith ankamen sahen wir auch das Festzelt. Wir hatten ja noch nichts gegessen und meine Idee war, dieses dort zu tun. Es war mittlerweile 13:30 Uhr.
Fesche Madl und Burschen in wunderschönen Trachten waren zu sehen. Bier schien es zu geben, und irgendwo auch etwas zu essen. Doch leider keine Möglichkeit, unsere Bikes irgendwo sicher abzustellen. Ein Schloss hatten wir nicht mit und Frank fühlte sowieso, dass wir hier beim Bezirksmusikfest deplatziert waren. Also ging es weiter in Richtung Imst. Der Radweg im Wald war alternierend. Mal ging es bergauf, mal bergab. Holten wir die Gruppe von Claudia hier ein? Sie mussten doch auf dem gleichen Waldweg fahren. Denn wir sollten ja im gleichen Hotel in Imst nächtigen. Uns kamen Biker entgegen genauso wie Wanderer. Auch hier ein tolles Miteinander.
Da die Zeit noch nicht sehr fortgeschritten war, haben es sich Frank und ich an einer Kneipp Anlage gemütlich gemacht. Die Beine wurden abgekühlt und so zu neuem Leben erweckt. So warteten wir hier knapp eine Stunde, doch von der Light-Truppe war nichts zu sehen. Nach einem kurzen Schnack mit einer netten Österreicherin, die ihr Enkelkind hier begleitete, fuhren wir die letzten 5 Kilometer in unser Tagesziel, das Hotel Neuner in Imst-Karrösten. Ein altes, aber komfortables Hotel, in dem auch König August von Sachsen gestorben war. Danach war uns heute selbstverständlich nicht zumute. Wir waren zwar sehr hungrig, denn seit dem Frühstück gab es nur Energieriegel. Aber zum Glück waren wir noch nicht so kaputt, dass wir uns für die Ewigkeit in die Waagerechte begeben wollten. Keine 10 Minuten nach unserer Ankunft kam auch die Gruppe mit Franz an und so nahmen wir einige Getränke zu uns, bevor der Dreck des Tages abgeduscht werden musste.
Meine Haut war etwas rötlich, denn trotz der ab Nassereith scheinenden Sonne hatte ich es verpasst, den Hautschutz gegen die UV-Strahlen aufzutragen. Nun gut, morgen wird das wieder besser sein. Das Abendessen war sehr gut, wir saßen noch lange zusammen mit der Gruppe um Franz. Und auch Heiko, unser Shuttle Fahrer gesellte sich zu uns. Heiko sollte die nächsten Tage nicht nur mein überschweres Gepäck in den Shuttlebus tragen und dieses in den nächsten Etappenort transportieren. Nein, Heiko sollte auch die nächsten Tage einige Wege mit uns fahren und auch unser Abendessen und auch das Frühstück mit seiner Anwesenheit und unserer Konversation bereichern. Der Abend versprach, ein lustiger zu werden.
Wir konnten die Teilnehmer der Light-Gruppe besser kennenlernen. Frank lernte Sächsisch -nu kloar. Das war ja auch nötig, da Jörg diese Sprache beherrschte. Und in zwei Tagen sollten wir Jörg und seinen „Schatten“ Marvin ja mit über den Fimber-Pass (sächsisch „Wimbo-Bosch“) mitnehmen. Claudia berichtete davon, wie toll ihre Gruppe sei. Ich war beruhigt, wusste ich doch, wie viel Sorgen Claudia vor der Gruppe hatte. Denn das Erlebnis im letzten Jahr auf der Tour Garmisch-Gardasee war doch für sie sehr einschneidend. Ich war froh, dass auch Jörg und Marvin sich als klasse Typen herausstellten und war auch nicht mehr unruhig, mit ihnen die 3. Etappe zu fahren. Ich freute michmittlerweile richtig darauf, denn die beiden schienen schon zwei klasse Kerle zu sein. Aber auch Robin und Hans waren zwei ganz feine Begleiter. Eher still aber eben das Herz am rechten Fleck.
Nun geht der Tag zu Ende, meine Beine sind etwas müde und es heißt nun Schlafen, bis morgen um 06:00 Uhr „Good morning life“ aus dem Wecker tönt. Ein schöner Tag liegt hinter Frank und mir. Und wohl auch hinter meiner lieben Claudia, Sabine und ihrer Gruppe.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass das erste Mal ohne Guide mit meinem Freund Frank richtig Spaß gemacht hat.
Die Fotos des Tages