Die Hölle im Tal

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Der geneigte Leser, die geneigte Leserin oder da geneigte Lesepublikum mag sich fragen (das war politisch jetzt sicher hochkorrekt), was denn die Kohls da mit einer Alltagsmaske mitten in der Natur machen. Die Frage ist leicht beantwortet: Wandern! Das gleiche Publikum fragt sich jetzt sicher, spinnen die Kohls jetzt total? Das kann ganz klar mit einem Nein beantwortet werden.

Denn auch Claudia und ich hätten heute eine Wanderung durch die Höllentalklamm ohne Mund-Nasen-Maske sicher schöner gefunden. Aber der Deutsche Alpenverein hat ein Hygienekonzept. Das besagt einfach Maskenpflicht und wir haben uns dran gehalten. Sehr zur Freude von Claudias Sichtfähigkeit, denn die Brille war stetig beschlagen. Und auch zur Freude meines Lippenherpes, der die Feuchtigkeit unter der Maske sicher sehr genossen hat. Nachdem wir durch waren, sagte Claudia, dass die Tour durch die Klamm die Hölle war. Das zum einen durch die Maskentragepflicht und zum anderen durch die Völkerwanderung entlang des Hammersbach, der durch die Höllentalklamm fließt, bzw. sie erst entstehen lassen hat.

Denn der Begriff Höllental kommt übrigens nicht von Hölle sondern von höhlen/aushöhlen. Der besagte Hammersbach hat mit seinem Schmelzwasser und Regenwasser über einige Tage, Monate Jahre, Jahrzente, Jahrtausende die Klamm in den Muschelkalk, aus dem das Gestein hier besteht, geschnitten. Sozusagen ausgehölt. Daher der Begiff Höllental. Dieser Muschelkalk setzte sich meinen Erkundigungen nach vor ca. 240 Millionen Jahren am Meeresboden ab. Irgendwann später, als die Alpen gebildet worden sind, wurde dieser gefaltet. Das war ungefähr vor 25 Millionen Jahren. Wieder was dazu gelernt. Doch zur Faltung später noch mehr.

Nun wagen wir ein weiteres Spiel mit dem Namen. Denn es mag zwar die Hölle gewesen sein, dort mit Maske durch zu gehen. Aber der Eindruck, den die Klamm hinterlässt, war schon der Hammer. Wie viel Gewalt das Schmelzwasser doch hat, wie verbogen harter Stahl dort war, wie abgeschliffen die Muschelkalkwände waren, das ist schon sehr beeindruckend. Bevor wir das Naturschauspiel bewundern konnten, hieß es aber erst einmal bei strahlendem Sonnenschein von Grainau in den Ortsteil Hammersbach zu wandern.

Der Nebel nach starkem Regen heute früh löste sich schnell auf, und ließ den Waxenstein in strahlender Sonne vor blauem Himmel erscheinen. Der Waxenstein ist im Übrigen eine Gebirgsgruppe im Wettersteingebirge und kein einzelner Berg. Es wird aus den Bergen Großer Waxenstein (2277 m ü. NN), Kleiner Waxenstein (2136 m ü. NN), Zwölferkopf (2232 m ü. NN), Mittagscharte (2045 m ü. NN) und Manndl (1889 m ü. NN) gebildet. Alle samt recht hohe Berge, die uns als Menschen so klein erscheinen lassen. Das haben wir später in der Klamm und auch auf dem Weg zur Höllentalangerhütte am eigenen Leib erfahren können. Zurück zur Tour.

Wir gingen in Richtung Hammersbach und von dort erst einmal bergauf – was sonst? Von Hammersbach auf 777 Meter ging es knapp 300 Höhenmeter auf knapp 3 Kilometer Länge hoch. Die durchschnittliche Steigung wäre mit 10% anzugeben. Doch weit gefehlt. Es sind schon sehr steile Abschnitte dabei und etwas Kondition und Kraft sollte man schon mitbringen. Sonst ist man schon an der Höllentaleingangshütte kaputt und verschwitzt. Nun gut, letzteres war ich auch, aber mein Puls war auf beruhigenden 90 Schlägen pro Minute. Der Weg ist recht abwechselungsreich und ab und zu lugt das Wettersteingebirge durch die Bäume. Feucht ist es durch den Fluss allemal. Der Weg war rutschig, einige Bäume mit herrlichem Moos überzogen.

An der Eingangshütte die notwendige Entlohnung für den Einlass. 5 Euro für Claudia und 2 Euro für mich. Nein, hier wird nicht nach Alter bezahlt, sondern als Alpenvereinsmitglied bekommt man entsprechenden Rabatt. Die Unterhaltung der Klamm kostet sicher eine Menge Geld, Versicherungen müssen verbaut werden, die Stromversorgung für die Tunnel sichergestellt werden, Schäden durch Schmelzwasser müssen beseitigt werden. Und so ist der Preis für das Naturschauspiel schon recht moderat. A propos Tunnel: Ich vermute, dass die Touristenschwemme, die sich durch die Klamm zieht (beim Aufstieg waren es schon eine Menge an Menschen, beim Abstieg die reinste Völkerwanderung) verbunden mit der sehr feuchten Luft und ggf. schlechter Durchlüftung der Tunnel zur Maskenpflicht führt. Schade nur, dass sich einige Mitmenschen nicht an die Regeln halten. Und es sind auch diejenigen Risikopatienten (Bevölkerungsgruppe älter als 60 Jahre) gewesen, denen die Pflicht egal war. Aber auch junge Leute, pfiffen auf die Regeln. Weder 1,5 Meter Abstand, auf die mehrfach hingewiesen worden war, wurde eingehalten noch wurde eine Maske getragen.

Den Klopfer brachte ein junges Pärchen, welches die ganze Zeit dicht hinter uns lief und keine Maske trug. Als ich mich umdrehte, um ein Foto vom Naturschauspiel zu machen, holte sich der junge Mann schnell seine Maske heraus und setzte sie auf, die junge Dame schaute nur recht irritiert. Als ob ich ein Foto machen würde, um das Nicht-Tragen der Maske zu dokumentieren. Was denken sich die Menschen nur? Die Natur ist so großartig und das erhalte ich mir durch Fotos. Herr, schmeiss Hirn vom Himmel… Und der dritte Typus von Mitwanderern wusste mit dem Begriff Mund-/Nasenschutz nichts anzufangen. Dass eine Maske nicht über das Kinn und den Mund gezogen werden sollte, sondern auch den Luftstrom, der aus der Nase kommt, verwirbeln und abbremsen soll, scheint auch bei einigen Mitmenschen nicht angekommen zu sein. Was will ich mit all dem aussagen? Nun, dass zunehmend auffällt, dass Regeln offensichtlich nur für diejenigen da sind, die sich dran halten. Und zum Glück ist das die Mehrheit heute gewesen. Aber es macht mich zunehmend ärgerlich, wenn ich die Ignoranz von einigen Menschen sehe.

Ja, auch ich habe nicht das Wissen, zu beurteilen, ob es nun gut ist, in der Klamm eine Maske zu tragen. Aber ich vertraue da mal den Verantwortlichen, die sich zum einen sicher viel Gedanken gemacht haben. So eine Entscheidung macht sich niemand leicht. Und ggf. haben die Verantwortlichen (oder ihre Berater/Experten) mehr Sachverstand, als ich das jemals zu dem Thema haben werde. Und ich vermute auch, dass der Sachverstand der Ignoranten nicht ganz so ausgeprägt ist. Wie dem auch sei, ja es ist nicht schön, ich könnte mir eine Wanderung ohne Maske auch schöner vorstellen. Aber ich finde ein Halten an Regeln schon sinnvoll -und im Übrigen auch sozial.

Doch zurück zur Wanderung. durch die Klamm. Wir gingen über Stege, Brücken, in Fels geschlagene Wege und Tunnel ca. 120 Höhenmeter. Die Länge der Klamm ist mit einem Kilometer angegeben. Und schon öffnet sich die Landschaft, sie wird breiter und grüner. Und so konnten wir die nächsten 30 Minuten bei strahlendem Sonnenschein, ohne die stetige Berieselung mit Wasser und dem dröhnenden Wasserklang in Angriff nehmen. Das, um nochmals knapp einen Kilometer zu gehen, auf dem nun wiederum ungefähr 200 Höhenmeter zu überwinden waren. Und hier war unser Zwischenziel:

Die Höllentalangerhütte vom Deutschen Alpenverein. Sie liegt inmitten eines breiten hochalpinen Tals. Sie ist nicht das, was ich mir von einer Alpenhütte vorstellte. Hoch effizient organisiert war sie aber allemal. Das Getränk war gerade bestellt und schon stand es auf dem Tisch. So schnell habe ich das selten erlebt – mit Ausnahme in der Werkskantine, wenn ich das Getränk selber hole und zur Kasse gehe. Gleiches galt für die Speisen. Der Apfelstrudel am Nachbartisch sah jedoch nicht gut aus und auch nicht der Kaiserschmarrn. So versuchte es Claudia mit Erdbeer-Rharbabar Kuchen und ich mit einer Ebsensuppe. Letzteres erschien mir wie Fertigware, der Kuchen erschien aufgetaut. Nun gut, in knapp 1400 Meter Höhe erwarte ich kein kulinarisches Gewitter, aber die Qualität sollte schon passen. Lieber etwas weniger anbieten, dafür akzeptable Qualität. Da zahle ich auch gerne einen etwas höheren Preis, weil ja die Logistik hier auch einiges kostet. So war ich etwas enttäuscht.

Aber der Eindruck der umliegendenBergkämme glich alles aus. Schade ist die Enttäuschung über das Essen trotzdem. Vielleicht stimmen auch meine Ansprüche nicht. Wie dem auch sei, sehr positiv ist das Konzept der Hütte hervorzuheben. Eine eigene Stromversorgung ist nur ein Punkt, der zu einer umweltfreundlicher Infrastruktur gehört. Auch die Architektur ist anders. Liegt das Hochtal doch sehr lawinenausgesetzt (immerhin ist es von 3 Seiten lawinenbedroht) so soll die Architektur dem Schutz vor Lawinen auch gerecht werden. Schön sieht sie allemal aus.

Wie sollte es weiter gehen? Claudia entschied, nicht mehr durch die Höllentalklamm zurück zu gehen. Warum zwei Mal durch die Hölle gehen, wenn es Alternativen gibt? Und die gab es. Es führt ein Weg von der Hütte in Richtung Kreuzeck über Garmisch Partenkirchen. Und so gingen wir frohen Mutes, nun mit Wanderstöcken ausgestattet, in Richtung Kreuzeck. Ein schmaler Pfad durch den Wald ging es stetig bergauf. Und was kam da? Eine Schafherde. Na ja, es waren 6 Schafe. Vorweg das Oberschaf, welches blökend den Weg frei schrie. Und ging man nicht zur Seite, wurde nochmal geblökt. Und die Schafe blieben stehen, bis wir Wanderer den Weg frei machten. Das erlebten wir zwei Mal auf diesem Weg. Und es war ein kurzes Stück Weg.

Denn, meine beschissene Höhenangst machte sich wieder einmal bemerkbar. Sobald die Bäume linksseitig weg waren, rechtsseitig eine Stahlseilversicherung angebracht war und ich links mehrere Hundert Meter bergab schauen konnte, ging gar nichts mehr. Ich wollte einfach nicht weiter. Bei aller Überwindung. So hat mir die Höhenangst mal wieder ein Erlebnis genommen. Denn unsere gemeinsame Entscheidung war, umdrehen, zurück durch die Klamm und ab zurück direkt nach Grainau. Mir tat es um Claudia leid, da sie den Weg sicher gerne gegangen wäre. Aber so ist es nunmal. Alles hat ein Vorteil und über den will ich noch kurz berichten. Der Abstieg war schwieriger, als der Aufstieg (wenn auch nicht so schweißtreibend, aber für die Knie belastender). Und sokamen wir schon etwas ermattet an der Eingangshütte an. Wir wählten einen anderen Weg zurück nach Grainau.

Es ging wieder bergab. Schön durch einen Mischwald, der an einigen Stellen die eingangs beschriebene Faltung des Gebirges offenlegte. So -und das ist das Positive- konnten wir Geologie noch in der Natur erleben. So vermute ich es zumindest. Ob es stimmt, weiss ich nicht. Aber die Bilder unten könnten meine Vermutung bestätigen, dass wir hier gefaltete Muschelkalkschichten sehen. Ich glaube das jedoch erst einmal. So lange, bis mich jemand eines Besseren belehrt, bzw. ich etwas anderes gelesen habe.

Was bleibt vom Tag übrig? 16 Kilometer Wanderung, knapp 700 Höhenmeter bergauf und wieder bergab, ein durchschwitztes T-Shirt, viel Staunen und genauso viel Spaß und Freude in der Natur. Na ja, und ein blühender Lippenherpes. Der begann am Wochenende, wurde gestern durch meine MTB-Tour stärker und hat heute durch das Schwitzen und die Sonne noch einmal einen Boost bekommen. Ich kämpfe ja immer wieder in den Alpen mit meinem “Freund”. Schön ist es nicht. Aber die Natur in den Alpen ist es einfach wert, ab und zu auch mal die Schmerzen zu verkraften… Mal sehen, wie es die nächsten Tage noch weiter geht.

Nächste Woche werde plane ich noch 4 Radtouren durch den Schweizer Nationalpark. Ich freue mich auf neue Eindrücke und Erfahrungen..

Nun noch einige Fotos vom heutigen Tag

Waxenstein im aufsteigendem / sich auflösendem Morgennebel
Beeindruckender moosbedeckter Baumstamm auf dem Weg zur Klamm.
Schon recht feucht die Umgebung…
Ein Eindruck aus der Höllentalklamm
Und nochmal ein weiterer Eindruck aus der Höllentalklamm
Auf dem Weg zur Höllentalangerhütte ein kurzer Rückblick in Richtung Höllental
Auf dem Weg zur Höllentalangerhütte
Erinnerungsfoto an der Höllentalangerhütte
Ich vermute, dass wir es hier mit der Faltung dees Muschelkalks vor 25 Millionen Jahren zu tun haben.
Sind das die gefaltetten Kalkschichten? Auch hier könnte die Kalkschichtung vermutet werden.