Was ist das Resume meiner ersten Transalp als Guide? Wie war es?
Das war meine allererste Alpenüberquerung, ohne dass sich mein quälender Lippenherpes gezeigt hat. Ggf. hat er die Alpen zu häufig gesehen und keine Lust mehr gehabt, herauszukommen. Oder aber -und das halte ich für wahrscheinlicher- es war einfach zu wenig Sonne da. Denn auch das war für mich neu. Es ist eine andere Erfahrung, 8 Stunden im Radsattel zu sitzen und nicht dauerhaft von der Sonne beschienen zu werden. Das war meine überwiegende Erfahrung bis zu dieser Tour. Doch in 2021 sollte alles anders sein. Ich hatte noch nie so viel Regen wie in diesem Jahr. Dank einer Truppe, bei der ich irgendwie Jede(n) „ins Herz geschlossen“ habe, war auch das auszuhalten. Natürlich war es kalt. Natürlich war es unangenehm und natürlich haben wir uns schönes Wetter herbeigesehnt. Aber die Stimmung war nie schlecht. Das hat die Reisegemeinschaft auf dem Mountainbike ganz hervorragend hinbekommen: Sie hat eine Art Duldungsstarre und die positive Stimmung beibehalten. Auch wenn ich einen Teilnehmer nicht fragen sollte, ob er Spaß hat (natürlich hatte er das).
Und wenn ich ganz ehrlich bin, waren die Vorhersagen häufig schlimmer, als es letztendlich gekommen ist. Aber die Tendenz war schon da: Schlechtes Wetter und gute Stimmung.
Und beim Letzten möchte ich ansetzen: Jedes Transalp-Erlebnis steigt und fällt mit der Gruppe. Und die Gruppe, die ich bei meiner Jungfernfahrt als Guide führen durfte, war eine besondere Gruppe. Sie wird auch immer meine „Nummer 1“ bleiben. Sie war heterogen. Sie war unterstützend. Sie bestach nicht durch Testosteron-Raserei. Sie war wertschätzend, offen und ehrlich. Und sie zeichnete sich durch Gespräche weit über das Kettenritzel hinaus aus. Ich habe viel mitgenommen. Und dafür danke ich den Damen H. und U. sowie den männlichen Teilnehmern J., J., J. ,M. und R., sollten sie es jetzt hier lesen. Der wahrscheinlich wenigen Jüngeren nicht bekannte Hänschen Rosenthal hätte zu unserer Truppe folgendes gesagt.
Und so möchte ich auch noch einmal sagen, wie sehr ich mich in meiner ersten Rolle als Guide wohl gefühlt habe. Und das hat das gesamte Team erreicht. Ich glaube, dass meine Art auch geholfen hat, dass eine Offenheit in der Gruppe vorhanden war, dass die Stimmung positiv war. Aber letztlich ist auch der Guide nur eine Person in der gesamten Gruppe. Mit besonderen Aufgaben, klar!. Aber eben nur ein Einflussfaktor. Und ich danke für die anderen 7 Einflussfaktoren, die mir mein Leben nicht ganz so schwer gemacht haben ?.
Natürlich ist man vorher aufgeregt. War ich auch. Ich freute mich, hatte aber auch ein wenig Grummeln im Bauch. Die Verantwortung ist groß. Sehr groß! Denn Mountainbiken ist grundsätzlich nicht so ungefährlich wie Halma oder Schach. Und wie spielt das Wetter mit (nicht so richtig!)? Erwischt uns ein Gewitter (ja!)? Wie entwickelt sich die Stimmung bei Dauerregen (sie bleibt gut!)? Wie kannst Du bei Bedarf die Stimmung positiv beeinflussen (war nicht nötig!)? Bist Du der Gruppe gewachsen (in der Retrospektive denke ich schon!)? Geht alles glatt (und was nicht so glatt ging, konnte flexibel gelöst werden!)? Akzeptieren Dich die Teilnehmenden (oh ja, und zwar sehr!)? Harmoniert die Gruppe (auf jeden Fall!)?
Und letztlich: Was für ein persönliches Gefühl entwickelt sich zwischen Dir und den Teilnehmern abseits aller Professionalität? Denn auch das will ich nicht verheimlichen: In meiner neuen Rolle war ich persönlich schon etwas vorgespannt. Eine Erfahrung, die ich schon einmal gemacht habe, ließen meinen Bauch vor der Tour schon ein wenig zusätzlich grummeln. Und das war zu unrecht. Das war nicht nötig. Wen diese Aussage ggf. betrifft, wird es verstehen: Ich habe auf der Tour meine einmal gebildete Meinung geändert! Und ich bin dankbar für diese Erfahrung! Eine Meinung, die sich vor Jahren durch unzureichende Kommunikation auch von mir verfestigt hatte. So ist das mit den 4 Ebenen der Kommunikation. ? Ggf. sollte auch ich immer mal genauer hinschauen, auf welcher Ebene kommuniziert wird. Dann verstehe ich auch besser, was gesagt worden ist und bilde mir nicht vorschnell eine Meinung.
Wie habe ich mich als Guide gefühlt? Die Frage steht nun auch noch im Raum. Ich war mir meiner Sache sicher. OK, ich habe mich zweimal etwas verfahren. Wie konnte ich nur? Und warum habe ich den Weg nicht gesehen? Aber das ist zu verschmerzen. Ich war sicher in meinem Tun. Und das, weil ich eine gute Ausbildung genießen konnte. Danke Holger hierfür. Ich beherrsche mein Fahrrad durch unzählige Kilometer im Sattel. Ich war fit dank über 4000 km im Sattel im letzten Jahr. Ich kannte die Route gut, bin sie selbst mehrfach gefahren. Ich habe berufliche Erfahrung im Umgang mit Menschen und auch in der Führung von Menschen. Ich habe auch mit schwierigen Mitarbeitern arbeiten können und dürfen. Meine Erfahrung in Krisensituationen zu agieren ist auch ein gewisses Sicherheitspolster. Sei es die Erfahrung als Feuerwehrführungskraft, schnelle und strukturierte Entscheidungen zu treffen, oder auch meine alte Tätigkeit aus Rettungsdienstzeiten, die mich im Hinblick auf mögliche medizinische Notfälle ruhiger sein ließ. Und wo ich unzulängliche Erfahrung oder Wissen hatte, habe ich daran gearbeitet. Ich habe mehrere Bücher über Wetterentwicklungen gelesen. Natürlich ersetzt das keine Erfahrung, war aber eine gute Basis. Ich glaube, dass meine positive Lebens- und Problemlösungseinstellung verbunden mit einer klaren und positiven Kommunikation ebenfalls gewinnbringend als Guide eingesetzt werden können. Und wie bei einem guten Rezept, ist es die Kombination aus all dem, was ich in die Gruppe hinein tragen konnte, welches für das tolle -nun nicht kulinarische- Erlebnis sorgte.
Ich bin mir sicher: Ich bin noch am Anfang als Guide. Und ich muss noch einiges lernen und weitere Erfahrungen sammeln. Aber den ersten Schritt habe ich gemacht. Das erste Mal war toll. Ich hoffe, dass die nächsten Male genauso schön werden. Aber liebe Gruppenteilnehmer, die ich jetzt persönlich anspreche: Wie ich oben schon schrieb, ihr seid meine Nummer Eins, werdet es auch immer bleiben und ihr habt mein erstes Mal zu einem unvergesslichen Erlebnis gemacht. Danke dafür.