Zwei Stürze und Sonne?

Posted on

Die Frage, wann es wieder Sommer wird, diese Frage stellten wir uns die letzten Tage schon mehrfach. Heute nicht mehr. Denn heute war ein sonniger Tag. Vom Aufstehen bis zum Sonnenuntergang. Leider wurde er von zwei Stürzen überschattet. Dazu im Folgenden mehr.

Schon beim Aufwachen war der blaue Himmel über Livigno zu sehen. Die Laune verbesserte sich im Vergleich zu den letzten Tagen. Auch wenn die Luft, die durch die Balkontür herein wehte, um 06:00 Uhr noch ein wenig kalt war. Doch das war uns egal, wir freuten uns auf eine kurze Etappe, die von Sonne begleitet sein wird. So sahen es alle Wettervorhersagen, die ich gesehen hatte.

Doch zuvor haben wir in unserem Hotel noch ein super Frühstück genießen können. Ein interessantes Konzept hat dieses Sporthotel in Livigno, wo wir nicht nur unser Rüherei selber machen konnten und wohl schmeckende Spezialitäten essen konnten. Nein, auch mal wieder rücksichtslose Menschen, die nur denken, es gibt nur sie im Frühstücksraum, erregten unsere Aufmerksamkeit. Eine Maske am Buffet, wozu? Nur, weil es überall angeschlagen stand? Abstand? Ach was, Körperkontakt ist doch was tolles. Aber ehrlich waren das auch die Ausnahmen. Ein Tisch von Mountainbikern hatte sich in unseren Augen daneben benommen. Der Rest war schon in Ordnung. Wir lieben es ja, Menschen zu beobachten. So auch die Cher-like geliftete Blondine mit begnadetem Körper, aber verpfuschtem Gesicht am Nebentisch, die schon etwas seltsam anmutete.

Aber das ist alles nebensächlich. Letztlich hat es für uns ein wenig Gesprächsstoff gesorgt. Wir genossen das tolle Essen, stärkten uns für eine kurze aber schöne Etappe und verließen das Hotel heute etwas später. Genau um 09:00 Uhr haben wir nach dem obligatorischen Ölen der Ketten und Luftdrucküberprüfung unserer Bikes das Hotel verlassen. Ich natürlich in kurzer Hose und kurzem T-Shirt. Da war ich wohl ein wenig zu optimistisch. Es war nicht ganz so warm, so dass ich auf eine Jacke oder ein Unterhemd eigentlich nicht hätte verzichten sollen. Aber ich war zu faul, anzuhalten um mich mit wärmerer Kleidung zu versorgen.

Egal, in spätestens 30 MInuten werden wir die erste Steigung erreichen und mein Körper wird genug Wärme produzieren. Wir fuhren nämlich zum Furcola di Livigno hoch. Auf einem Talweg. Ah, da vorne ist ja Holger, der eine Medium Truppe guided. Ein Schaden wurde am Rad eines Gastes repariert. Nach einem netten Gruß, der freundlich erwidert wurde, fuhren wir an beiden vorbei. Es lief gut. Claudia meinte zwar, einen Anker am Rad zu haben. Aber das war wohl OK, denn der Gegenwind war doch schon recht stark. Und da ist es doch ganz normal, dass es etwas anstrengender ist.

So kamen wir am Fuße der Serpentinen, die auf wenigen Kurven schnell ca. 100 Höhenmeter überwinden sollen. Es war doch sehr verblockt. Unten musste ich absteigen, ging die erste Linkskurve, die verblockt war, um nachfolgend weiter zu fahren. Kurz unter mir hatte mich Holger schon fast eingeholt. Claudia war noch zwischen uns. Sie gab sich ganze Mühe und kam verhältnismäßig gut den Berg hoch. Ich kniete nieder um ein Foto zu machen. Und es sah gut aus.

Ich wollte noch weitere Fotos vom Tal machen, als ich den Schrei hörte. Kurzer Blick nach Rechts, da lag Claudia kopfüber unter ihrem Mountainbike in einem Bergbach. Den Kopf zwar noch über Wasser, aber bedrohlich nah an der Wasseroberfläche – talwärts. Ich lief schnell hin, Claudia bekam ein wenig Panik, da sie das auf ihr liegende E-Mountainbike nicht vom Körper bekam. Ich hielt sie am rechten Arm fest, so dass ihr Kopf nicht unter Wasser geriet. Mit der rechten Hand versuchte ich das Rad anzuheben und bekam auch noch Unterstützung von einem Teilnehmer der Medium Gruppe, der vorhin noch den technischen Defekt hatte. Das ist nochmal gut gegangen. Sie ist einfach auf einem Holzsteg aus- und in den Bach weggerutscht. Holger vergewiserte sich noch, ob alles i. O. war. Wir hatten alles unter Kontrolle und er fuhr in einem bewundernswerten Tempo weiter hoch. Auch ich fuhr noch einige Kurven, bis mein Herzschlag und meine Atemfrequenz sagten “das verbiete ich Dir jetzt”. So ging ich zwei Serpentinen und schob mein Velo, wie man hier sagt. Holger war schon oben, Claudia schob unter mir. Ich hatte wieder Luft und fuhr noch einige Meter, bis ich an Schiebenden BIkern nicht mehr vorbei kam.

Claudia kam wohlbehalten oben an. Zwar um einige blaue Flecke und Hautabschürfungen reicher. Aber immerhin war nichts schlimmes passiert. So fuhren wir weiter über die Straße auf den Bernina-Trail. Was für ein Anblick. Vor uns lage das Bernina-Massiv in strahlendem Sonnenschein vor blauem Himmel. Der Schnee sah so aus, als sei er gestern erst gefallen. Könnte sein, da es Abends in Livigno ja nur 5 Grad Celsius war und das bei Regen. Also könnte es dort oben eben auch geschneit haben.

Wir behielten die Bergkette den ganzen Aufstieg vor Augen. Egal ob wir fuhren, oder -manchmal eben notwendig- auch mal schoben. So erreichten wir nach dem Furcolar Minor auch schnell den höchsten Punkt. Wir waren alleine. Kein Wanderer, kein Biker um uns herum. So konnten wir den Anblick und uns genießen. Und machten natürlich auch noch einige Erinnerungsfotos. Ich war schon stolz auf Claudia. Sie hatte sicher das ein oder andere Zipperlein, aber hat es bis zu dieser unbeschreiblichen Stelle hoch gequält.

Nach ca. 30 Minuten Pause ging es weiter. Feinster Singletrail, den wir bergab fuhren. Und Claudia wurde dort, wo ich einen Fotostopp machte, von 3 Bikern überholt. Das waren nun schon wieder Biker, denen Abstand, Geschwindigkeit -kurz andere Biker oder Wanderer- egal waren. Entweder sind wir zu sensibel, oder die rücksichtslosen Raser nehmen einfach zu. So richtig beherrschen auch nicht alle ihr Bike. Hoffen wir, dass wir oder andere durch diese Rücksichtslosigkeit nicht in Mitleidenschaft gezogen und verletzt werden.

Am Lago Bianko der nächste Sturz. Nun von meinem Fahrrad. Ca. 5 Meter fiel es die Böschung hinunter. Aber nicht mit mir, sondern ganz alleine. Ich stellte es kurz ab, als es durch eine Windböhe umgestoßen wurde und mit einem Salto den Weg nach unten suchte. Oh Gott, hoffentlich ist nichts kaputt. Ich habe morgen noch eine Etappe und in einer Woche noch 4 Tage mit Felix zu radeln. Nach kurzem Bike-Check war die Hoffnung nicht ganz erfüllt. Der vordere Umwerfer war etwas verbogen. Aber ich habe das provisorisch wieder hin bekommen, so dass wir weiter fahren konnten.

Nun ging es feinsten Singletrail über Wiesen und Schotterwege sowie etwas verblockte natürliche Trails hinab in Richtung Morteratsch. Dort war dann endlich Mittagspause angesagt. Es war 14 Uhr. Die Jausenplatte mit hier erzeugtem Käse uns regional spezifischen Fleischspezialistäten war mal wieder ein Gedicht. So haben wir mit Holunderblütensirup und dem leckeren Essen eine Stunde in der Mittagssonne das Leben und die wuseligen Menschen um uns herum genossen.

Ich wollte Claudia zeigen, wie weit der Morteratsch-Gletscher in den letzten 2 Jahren zurück gegangen ist. Es war erschreckend. Ich schätze mal 30-40 Meter war das Gletscherloch nun weiter hinten, als bei unserem ersten Besuch. Und auch der Bernina-Gletscher, den wir über dem Lago Bianco gesehen haben, hat in den letzten Jahren einen erschreckenden Rückgang zu verzeichnen gehabt. Er ist nicht so mächtig, wie der Morteratsch-Gletscher. Daher wird er wohl auch früher verschwunden sein. Es ist einfach erschreckend.

Die letzten Meter nach Pontresina in unser Hotel gingen wir ganz gemütlich an, so dass wir gegen 16 Uhr im Hotel waren. Eine Schorle, ein Wasser, eine Radreinigung und auch eine Körperreinigung waren nötig. Denn erstens war es mittlerweile recht heiß geworden, so dass ich meine anfangs vermisste Jacke gar nicht mehr benötigte. Und zweitens waren die Wege heute vom Dauerregen der letzten Tage so matschig und dreckig, dass unsere Haut alleine durch die Wasserspritzer eine Nummer dunkler erschienen.

Nun hieß es noch den Abend vor dem Essen zu genießen. Und da in Pontresina heute Viva la Vida-Fest war, konnten wir einem nicht ganz so begabten Sänger vor dem Hotel lauschen. Und auch zwei Alphorn-Bläserinnen. Das war ein Gedicht. So viel Ruhe, wie diese massigen Blasinstrumente versprühen. Das hat uns heute gerade noch gefehlt.

Ein schöner Tag, von dem zum Einen Lackabschürfungen an zwei Fahrrädern, ein verbogener Umwerfer und viele blaue Flecken bei Claudia in Erinnerung bleiben. Zum Anderen aber bleiben tolle Natureindrücke, Entspannung bei Schweizer Alphornmusik und Stolz über die tolle Leistung von Claudia.

Fotos des Tages: