Brocken-Bruno: Oder…

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..wie eine umgeplante Wanderung zur Freude wurde:

Wie häufig war ich schon auf dem Brocken? Der Berg, der seit der Grenzöffnung zwischen West und Ost so viele Menschen in den Bann zieht. Im Sommer, im Winter, letztmalig im Herbst. Ich bin gewandert, mit der Bahn gefahren, mit dem Radl hoch gefahren und auch -und das ist nicht häufig- als Feuerwehrmann auch mit einem Auto oben gewesen.

In diesem Jahr solle es mal wieder eine „Winterbesteigung“ werden. Doch bisher hat es nicht geklappt. Nicht mit dem Mountainbike, denn das litt seit November an einem fehlenden Dämpfer. Und auch nicht zu Fuß. Denn zuerst war das Wetter schlecht, dann war das Wetter gut und ich hatte bei meiner Feuerwehr Einsatzdienst als Brandmeister vom Dienst. Nun kamen die Stürme. Nicht nur verbot es meine Unterstützung der Feuerwehr, vielmehr erlaubte es auch der gesunde Menschenverstand nicht, den Brocken zu begehen. Denn bei Sturm sollte sich der denkende Mensch andere Aktivitäten suchen. Nur nicht eine Wanderung auf den Brocken. Die Windgeschwindigkeiten sind dann doch zu hoch und es kann lebensgefährlich sein.

Wie dem auch sei. Letztes Wochenende war gutes Wetter angesagt. Das Radl heile und so kam ich auf die Idee, den Weg mit dem Rad auf mich zu nehmen. Doch halt, da war doch noch eine Absprache mit meinem Freund Frank. Und auch mit Tini. Wir wollten ja mal gemeinsam zum Brocken wandern. Wenn es geht, zum Sonnenaufgang. Und auch mein 2. Freund Frank und seine Antje waren nicht abgeneigt, uns dabei zu begleiten. Das Wetter sah gut aus. Alle Wettermodelle bei Kachelmann ließen zum Sonnenaufgang am Sonntag gegen 07:00 Uhr die Sonne erwarten. Zusätzlich noch Wolken unterhalb des Brocken. Eine schöne Aussicht, auf die wir uns freuten.

Zur guten Vorbereitung gehört aber auch, dass wir am Sonnabend Abend noch einmal das Wetter prüften. Uns das sah dann nicht mehr so gut aus. Auch um 07:00 Uhr sollte es auf dem Brocken wolkig sein. Damit fiel der Sonnenaufgangs-Spaziergang dann doch ins Wasser. Sozusagen in die kleinsten Wassertropfen des Nebels. Nun gut, so mussten wir nicht um 04:45 Uhr am Torhaus los wandern und somit auch nicht um 04:15 Uhr in Goslar los fahren. Das hieß ergo auch nicht Aufstehen um 03:30 Uhr (und das am Wochenende). Aber die Wetterprognose ließ dann erfreulichen Sonnenschein am Nachmittag erwaten, so dass ein Sonnenuntergangs-Special möglich sein könnte.

Eine kurze Telefonschaltung unserer Familien und der schnelle Entschluss, es zum Sonnenuntergang zu wagen, war gefasst. Es ging somit gestern um kurz vor 15 Uhr am Torfhaus los. Abbegraben, Goetheweg, Eckersprung, Goethebahnhof, Brockenstraße – der altbekannte Weg halt. Uns kamen viele Wanderer entgegen. Wir waren fast die
Einzigen, die um diese Uhrzeit noch den Aufstieg über „die Ostflanke“ meistern wollten. Die Sonne schien, eine Maus huschte über den Schnee und wir frotzelten noch am neu aufgestellten „alten“ Grenzpfosten der DDR. Die Bäume zeigten sich teils grün und teils weiss vereist – ein spannendes Bild. Der Goetheweg war gut begehbar, wenngleich im Umfeld des Goethebahnhofs einige richtig eisige Stellen zu verzeichnen waren.

Das änderte sich schlagartig, als wir auf die Brockenstraße einbogen, um die letzten
ca. 100 Höhenmeter auf uns zu nehmen. Der Asphalt war trocken und nur einige Stellen mit einer leichten Eisschicht überzogen. Nun noch die Rechtskurve an der Schutzhütte und nach weitern 100 Metern stand er da:

Bruno, so hieß er. Nennen wir ihn Brocken-Bruno. Nicht zu verwechseln mit dem allseits bekannten und geschätzten Brocken-Benno! Denn er hatte sich entschlossen, alleine vom Brocken den Weg vor dem Sonnenuntergang ins Tal zu gehen. Wir sind auf ihn durch ein Paar aufmerksam geworden, welches vor Bruno stand und uns über seinen Plan des „Abstiegs“ informierte. Nun, das ist für einen Wanderer nichts unübliches. Und Brocken-Benno hätte seine Freude daran. Aber für einen schätzungsweise 4-jährigen, der mit Schnodder in der Nase und Tränen in den Augen vor uns stand, ist es wohl doch eher unüblich, ohne Mama und Papa von nordeutschlands höchstem Berg herunter zu gehen. Und wozu? Na um Mama und Papa zu suchen. Denn die waren weg. Und Bruno meinte, sie seien schon da unten. Wir haben Bruno erst einmal gemeinsamen beruhigt. Frank rief derweil die Rettungsleitstelle an. Der Entschluss war schnell gefasst: Wir nehmen Bruno -auch wenn er das zuerst partout nicht wollte- wieder mit hoch zum Brockenplateau. Dort könnten wir ihn -sollten wir Mama und Papa nicht vorher treffen- ja der Bergwacht übergeben. Das andere Ehepaar ging in Richtung Schierke und versprach auch dort Ausschau auf Mama Bruno und Papa Bruno zu halten.

Die Tränen waren schnell getrocknet und unser neuer Wanderpartner erzählte uns viel. Mit Mama, Papa, Geschwistern und Oma war er am Brocken. Und sie haben drei Autos, davon einen Tesla. Nun gut, wollen wir mal drüber hinweg schauen. Bruno lernt Hockeyspielen und ist im Kindergarten in der Fuchs-Gruppe. Auch seine Straße erfuhren wir. Als Wohnort gab er Deutschland an. Half uns nix. Aber wenigstens hatten wir Bruno erst einmal beruhigt und gingen so -ihn erst einmal in Sicherheit bringend- in Richtung Brockenplateau.

Es wäre ja nicht auszudenken gewesen, wenn niemand auf ihn aufmerksam geworden wäre. Denn es war kalt, die Handschuh durchnässt und die Schuhe auch nicht gerade trocken. Und wir vergessen nicht: Wir waren auf dem Weg zum Sonnenuntergang. Die Dunkelheit sollte bald kommen.

In der Höhe des Bahnhofs sagte uns jemand, dass ein Kind gesucht werden würde. Die Oma sucht ihm. Aha, nur, wo ist die Oma? Also weiter hoch in Richtung Brockenhotel. Und da kamen uns dann Mama, Papa samt Geschwistern entgegen. Die Erleichterung können wohl alle ermessen. Was hätte passieren können, hätten das Ehepaar und wir Bruno nicht „gefunden“ und dann auch mitgenommen. Den Eltern muss ein Stein, besser noch ein Fels vom Herzen gefallen sein.

Bruno war sodann auch recht glücklich auf Papas Arm. Unsere Wege trennten sich hier wieder. Der kleine Wandergeselle, der nach Aussagen der Eltern aus der Nähe von Würzburg kam, ging zwecks Rückfahrt mit seinen Eltern zum Bahnhof. Und wir auf der Suche nach einem schönen Sonnenuntergang zum Gipfel.

Das war sicher eine Bestimmung und kein Zufall ;-). Denn hätten wir nicht in weiser Voraussicht die Morgentour auf den Abend verschoben, hätten wir Brocken-Bruno gar nicht helfen könnne. OK, wahrscheinlich hätte es jemand anderes gemacht. Wobei ich mir da nicht ganz so sicher bin, denn wie kann ein kleiner Stepke schon diesen halben Kilometer -wahrscheinlich mit Tränen im Gesicht- laufen, ohne dass es jemandem auffällt? Wie auch immer, wir waren froh, Bruno helfen zu können und es war eine richtig gute Tat, die dank des Findens der Eltern unsere Stimmung erheiterte.

So froren wir und waren doch positiv gestimmt angesichts der freudigen Erwartung des Sonnenuntergangs. Und der war einwandfrei. Der Himmel war gekennzeichnet durch unterschiedliche Luftschichten. Und als die Sonne die erste „Nebelschicht“ berührte, war es schon wunderbar. Schöner wurde es, als die Sonne ganz untergegangen war. In Richtung Osten war der Himmel bläulich, rosa und türkis. Diese Farbkombination habe ich so noch nicht bei einem Sonnenuntergang gesehen. In einem Regenbogen vielleicht. Und so kam dann auch die Erklärung des mitwanderenden „Erklärbärs“, dass diese Farben wahrscheinlich auch der Lichtbrechung an kleinsten Wasserteilen / Eiskristallen entstehen könnten.

Das war aber nebensächlich. Die Stimmung war gut aber nun hieß es aber auch, den Heimweg antreten, denn wir wollten in der blauen Stunde recht weit kommen. Der Weg war ja etwas glatt und wir wollten viel sehen, damit die Wahrscheinlichkeit eines Sturzes gering ist. Wir waren alleine auf dem Goetheweg zurück nach Torfhaus. Das alleine ist wunderschön und friedlich gewesen. Könnten doch alle Menschen -nicht nur in Europa- gerade in so einer
friedlichen Atmosphäre leben!

Die Gleise der Brockenbahn spiegelten den orange-roten Himmel und waren gleichzeitig ein
guter Wegweiser für uns bis zum Goethebahnhof. Dort angekommen, musste etwas Licht her. Aber nur ganz wenig rote Beleuchtung, so dass unsere Augen sich nicht zu sehr an Helligkeit gewöhnte. Und so ging es mit wenig intensivem rotem Schummerlicht in Richtung Abbegraben. Meistens konnte man auch noch den Weg ohne Licht sehen. Aber am Abbegraben wurde dann durch die Glätte und im letzten Sturm umgekippte Bäume
der Einsatz von Licht in Form von Taschenlampen doch manchmal nötig.

Über uns war es nun fast schwarz. In der Ferne leuchtete die Siedlung Torfhaus und die beleuchteten Sendemasten des NDR. Und über uns – da hätte „Hubert K“ seine Feude gehabt. Denn: „Ich seh den Sternenhimmel“ hätten wir alle singen können. Nur hätte das leider die schöne Stimmung versaut. Und so genossen wir so viele Sterne, wie wir lange nicht sahen. Am Goetheweg und Abbegraben war eben auch noch nicht so viel Lichtverschmutzung zu sehen und wir konnten uns auch an noch so kleinen und vielen Sternen laben.

Durchgekühlt aber dankbar für die schöne Zeit und die Erlebnisse waren wir um 20 Uhr wieder am Parkplatz Torfhaus. Das ist im Übrigen der Parkplatz mit touristenfreundlichen Öffnungszeiten: 08:00 -22:00 Uhr. Wer früh auf den Brocken wandern will, dem sei das Parken hier nicht gegönnt. Verstehe, wer das will. Ich nicht.

Aber das ist uns heute egal, denn zusammenfassend lässt sich sagen:
1.) Wir hatten das Privileg, eine tolle Tour mit 6 tollen Menschen zu machen.
2.) Wir freuen uns über eine gute Tat, Brocken-Bruno geholfen zu haben. Und damit haben wir den den Eltern einen Fels vom Herzen fallen lassen.
3.) Der Sonnenuntergang war so schön und in so vielen nicht häufig gesehenen Farben (die Fotos auch nicht so richtig rüberbringen können) zu sehen.
4.) Der Sternenhimmel war von beeindruckender Schönheit.
5.) Wir genossen eine so friedliche Stimmung, die ich allen Menschen -nicht nur, aber auch besonders- in der Ukraine wünsche.
6.) Ich bin dankbar, dass ich dieses alles erleben durfte und privilligiert bin, hier zu leben, wo andere Menschen Urlaub machen.

Nn noch einige Fotos von gestern: