Servus Miteinander aus Ischgl, die heutige Tagesetappe auf meiner Transalp, von der ich berichten möchte, liegt hinter uns. Knapp 60 Kilometer, 1500 Höhenmeter. Nichts Spektakuläres an sich. Die Etappe dient auch mehr dem Transfer von einer Bikeregion in die nächste. Doch fangen eir heute auch wieder vorne an.
Die Nacht war so La La. Nach der Anstrengung gestern dachte ich an eine ruhige Nacht mit 100% Tiefschlaf. Doch weit gefehlt. In einer sehr heißen Nacht (das Zimmer war sehr aufgeheizt) wachte ich immer wieder auf. Ähnlich wie in Grainau bin ich mir nicht sicher, was der Grund war. Ich war schon hundemüde, also kann es daran nicht gelegen haben. Die Hitze? Möglich. Das Bett? Möglich. Denn auch dieses war nicht ganz so groß und hatte am Fußende eine Begrenzung. Genau das, was ich nicht leiden kann. Ggf. war es auch die Bettdecke, die ich eher im Winter in einem EISHOTEL oder Iglu vermutet hätte, aber nicht im Sommer. Wie dem auch sei, um 06:00 Uhr würde ich pünktlich geweckt. Nicht von meinem Telefon, denn das war ja auf 06:30 Uhr eingestellt. Es ist Urlaub und da wollte ich mal ausschlafen.
Nein, ich hatte die Rechnung ohne den Küster der benachbarten Kirche gemacht. Pünktlich um 06:00 Uhr leutete dieser den Tag ein. Nun gut, das hatte ich auch in Grainau. Doch dort war die Kirche 500 Meter entfernt. Heute hatte ich das Gefühl, direkt neben dem Kirchturm zu schlafen. Nun gut, also aufstehen. Ich bin ja nicht der Einzige auf dieser Welt, der schon wach ist. Auch meine Fahrgemeinschaft zu Hause müsste schon auf dem Weg zur Arbeit sein. Und auch die Patienten im Krankenhaus dürften von einer überaus netten Nachtschwester schon geweckt sein. So hatte ich halt etwas Zeit, den Morgen in Muße zu beginnen. Um 07:00 war alles gepackt und mich erwartete ein leckeres Frühstück. Das Essen im Gasthof Traube war schon gut. Gute Hausmannskost, sehr reichlich und gut schmeckend. Ich bestellte mir ein Rührei. Doch ich bekam gefühlt 5 Eier gerührt. Wie sollte ich daneben noch die Kohlenhydrate zu mir nehmen? Aber was muss, das muss. Und so ging es dann reichlich gestärkt um 08:30 los in Richtung Ischgl, wo wir heute unser Etappenziel hatten.
Robert entschied sich, früher loszufahren als gestern. Denn es war Gewitter am Nachmitttag in Ischgl angesagt. So fuhren wir mit gemütlichem Tempo nach Imst, vorbei an der Einstiegsstelle zum bekannten Rafting auf dem Inn (ein Tipp, sollte man mal gemacht haben). Wir fuhren nun Richtung Landeck, um nach 3/4 Stunde linksseitig in den Wald zu fahren. Wir kletterten 300-400 Meter hoch zur Kronburg. Der Aufstieg war schön, ich hatte mein Tempo gefunden und war recht zügig unterwegs. Unterhalb der Kronburg, die wir glücklicherweise nicht angesteuert haben, sondern vielmehr die Pilgergaststätte und das nebenbei befindliche Kloster, mussten wir noch 40 Höhenmeter Straße vorbei an Schildern des Kreuzweges fahren um oben angekommen frischestes Quellwasser zu trinken.
Das Wetter war sehr bedeckt, bedenklicher Himmel und es war schwül. Insbesondere unsere Mitstreiter aus Utah kennen diese feuchtwarme Luft so nicht. Und so war das Quellwasser nicht nur für sie eine willkommene Abwechselung. Nach 10 Minuten ging es schon weiter bergab in Richtung Zams. Das hätten wir auch einfacher haben können, denn der Inntalradweg geht direkt nach Zams. Doch dann hätten wir einen großartigen Singletrail verpasst. Oben etwas verblockt sind wir über Steine und Wurzeln gen Tal gefahren. Das war natürlich die reinste Freude und ließ mein Herz höher schlagen. Aber es hieß auch AUFPASSEN! Hierbei dürfen die Gedanken und der Blick nicht schweifen, sonst liegst du schnell auf der Nase. Und es wird wahrscheinlich ewig dauern, bis der Rettungsdienst in dem unwegsamen Trail erscheint. Also höchste Konzentration und dankenswerterweise ist ja auch nichts passiert.
Wo wir gerade bei potentiellen körperlichen Einschränkungen sind: Unser Kräuterguide Robert, der uns immer wieder Besonderheiten der Natur zeigt, ließ uns wissen, dass Spitzwegerich gut gegen Insektenstiche wirken soll. Einfach die Blätter etwas in den Händen zerreiben und die Einstichstelle mit den Blättern einreiben. Ich wusste das bisher noch nicht. Wer es wusste, weiß es nun doppelt.
In Zams stand eine Riegelpause an. Ich hatte meine Banane gerade aufgegessen, als in der Ferne ein Doner zu hören war. Nur noch übertönt vom Rettungshubschrauber, der in ein Tal hinein -und nach kurzer Zeit wieder heraus- flog. Also entschied Robert einzupacken und wir fuhren nach Landeck. Im Gewitter möchte ich nicht fahren. Da habe ich schon bannig Respekt. In Landeck war uns der Himmel ebenfalls nicht wohl gesonnen. Es zog von 3 Seiten zu. Und aus Richtung Vorarlberg/Montafon kam eine dunkle Wolkenwand. Aber wir mussen noch nach Tobadil und so fuhren wir in Richtung Paznauntal, dem Wetter aus Vorarlberg entgegen. Es tröpfelte ein wenig aber das war recht erfrischend in der immer noch schwülen Luft. Und als wir dann Tobadil hoch über dem Eigang zum Paznauntal erreicht hatten, hatten ich ein mulmiges Gefühl.
Robert beschloss, nicht noch weitere 200 Höhenmeter zu steigen. Die bisherigen 800 Höhenmeter sollten erst einmal reichten. Auf den eigentlich geplanten Trail verzichteten wir angesichts des erwarteten Wetters. Schade, der Trail ist eigentlich sehr schön, aber bei Regen vielleicht auch nicht angenehm. Es ging also bergab ins Tal. Noch eine kurze knackige Steigung über 100 Höhenmeter und wir könnten dann endgültig abfahren. Im Tal angekommen ging es in Richtung See, wo wir unser Mittagessen einehmen wollten.
Wie gestern Abend hatten auch hier Glück. Nachdem wir 5 Minuten im Restaurant waren, öffneten sich die Schleusen. Als ob es hier seit Monaten nicht geregnet hatte. Wir waren sehr froh, im Trockenen zu sitzen, die Johannisbeerschorlen zu trinken und etwas Pasta zu uns zu nehmen. Die Gruppe des Einsteigerlevels kam nach uns. Sie hatten nicht so viel Glück und waren mitten in den starken Regenguss gekommen. Manchmal muss man Glück haben im Leben – oder eben einen Guide wie Robert, der das Wetter offensichtlich gut einschätzen kann.
Nachdem die Sonne wieder heraus kam -ich hatte das nicht für möglich gehalten- fuhren wir den Kappelner Talweg talaufwärts. Wer sich unter einem Talweg einen Weg entlang der Talsohle vorstellt, der wäre hier enttäuscht. Es ging bergauf, bergab. Und wieder bergauf um nachfolgend bergab zu fahren. Dieses fröhliche Spiel mit unterschiedlichen, teils schon knackigen Steigungen, wiederholte sich mehrfach. Eigentlich den ganzen Weg, der in Kappeln dann zum Ischgler Talweg wurde. Und ich kann das schlecht wegstecken. Eine dauerhafte Steigung mit gleichem Anstieg ist mir wirklich lieber. Aber so machten wir am Nachmittag auch nochmal gute 800 Höhenmeter und sind nach 57 Kilometern in Ischgl angekommen. Und was soll ich sagen? 10 Minuten später fing es wieder an zu schütten.
Robert muss man eben haben – und etwas Glück dazu. Unser Hotel ist sehr schön und nach einer Tour im schwülen Wetter, teils mit Regenjacke ist eine ganz normale Dusche ein wirkliches Erlebnis. Mag man kaum glauben, ist aber so. Was bleibt vom heutigen Tag noch?
Es war der Tag der Gerüche. Ich weiß nicht, ob ich mehr drauf achte oder die Gerüche einfach intensiver sind. Aber dass ich mit meiner kaputten Nase so viele unterschiedliche Gerüche wahrngenommen habe, freut mich ungemein. Morgens fing es an mit frisch gemähtem Gras. Denn der Bauer war um 07:30 Uhr schon fleißig. Und der Geruch von frisch gemähtem Gras ist einfach nur schön. Zu Hause riecht das anders. Aber hier in den Alpen, da erinnert es mich immer an Urlaub. Kunststück, erlebe ich das ja auch immer nur im Urlaub. Wir fuhren an einem Heizwerk vorbei, welches mit Holzschnipseln die Wärme erzeugt. Ein herrlicher Geruch, dieses frische , etwas feuchte Holz zu riechen. Auch an Weiden und einem Bauernhof, wo ich den typischen Kuhgeruch wahrgenommen habe. Und nein, ich finde das nicht eklig. Auch das roch frisch, natürlich und nicht schlimm. Auf dem Talweg hatten wir mehrfach Holzlagerplätze passiert. Auch hier ein toller Geruch in der warmen Sonne, wenn das Holz nass ist, den ich so im täglichen Leben selten wahrnehme. Und das trifft wohl auch auf einen meiner Mitstreiter zu. Ihm geht es in den Alpen um ähnliche Sinneseindrücke. Es sind die Farben. Und in der Tat hatten wir wunderbare Farben. Der hellblaue Himmel mit weißen Kumuluswolken. Dann der tiefgrüne Wald und die satt hellgrünen Wiesen. So grüne Wiesen gibt es bei uns nicht. Oder doch? Dann sollte ich auch mal zu Hause ein Auge darauf haben.
So, jetzt noch eine Info, die mich umgehauen hat. Ich dachte immer ich weiß viel. Aber ich wusste nicht, dass in Utah Bäume über 2000 Meter wachsen. Und es sind nicht die Nadelhölzer, die hier in den Alpen in hohen Höhen wachsen. Es ist dort umgekehrt. Die Nadelhölzer wachsen in niedrigeren Höhen und darüber wachsen bis 3000 Meter Birken. Ich habe das für unmöglich gehalten, aber Steffi, unsere Ameikanerin, erzählte mir das. Bis ich das so richtig glaube, muss ich das nochmal recherchieren ;-).
Und noch etwas: Das, was ich über Gerüche der Natur schrieb, ist auch ein Privileg. In Utah dauert der Frühling 2 Wochen. Dann noch kurze Zeit und es ist alles verdörrt. Die Luft ist trocken, so dass man kaum schwitzt, bzw. der Schweiß gleich trocknet und eine Salzkruste hinterlässt. Und bei trockener Luft kann ich nicht so gut riechen. Erfreue ich mich also den Gerüchen und hoffe trotzdem, dass die Luft morgen nicht so feucht ist. Auf Regen könnte ich verzichten, denn morgen geht es über die Heidelberger Hütte zum Fimbapass. Das ist ganz großes Bergkino. Und dann erfolgt die Abfahrt ins Unterengadin, Schweiz. Bei Nässe ist das schwieriger. Und bei Trockenheit ist es schwierig genug.
Also heißt es Daumen Drücken und ggf. haben wir wieder Glück…. In diesem Sinn bis Morgen Euer Ullrich
Ach ja, obligatorisch wieder einige Fotos vom heutigen Tag