Mehrere Jahreszeiten an einem Tag

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Wow, war das ein Tag. Wir haben so ziemlich alle Jahreszeiten durchlebt. Beim Aufstehen war es November. Alles bedeckt, tief hängende Wolken. Und ich hatte schon ein mulmiges Gefühl was uns wohl wettertechnisch auf der anspruchsvollen Etappe erwarten würde. Doch dazu mehr in den folgenden Zeilen.


Heute fange ich mal mit der Zusammenfassung an. Der Tag begann mit guten Gerüchen. In mein Zimmer wehte ein Hauch von verbranntem Holz. Es roch, wie der Kamin zu Hause. Da die Luft draußen gar nicht allzu kalt war, hatte es irgendetwas von Spätherbst bei uns zu Hause. Und wie der Tag begann, so endete er auch: Mit außergewöhnlichen Gerüchen. Hier in Scuol im Unterengadin angekommen fuhren wir durch malerische Wiesen, auf denen auch Kühe zu sehen waren. Na ja und das ging dann auch wieder ein besonderer Geruch einher. Intensiv und wenn man nur vorbei fährt, ist das gar nicht schlimm, sondern gehört ja irgendwie dazu. Zwischen den extremen Gerüchen sind wir nach letztem Stand der Dinge innerhalb von knapp 9 Stunden 48,42 Kilometer gefahren. Wir haben dabei einen Gesamtanteil von 2566 Höhenmeter hinter uns gebracht und am höchsten Punkt hatten wir 2854 Meter über Meeresspiegel erreicht.


Nun muss ich aber dazu schreiben, dass wir davon knapp 1000 Meter eine Seilbahn genommen haben. Nun werdet ihr sicher sagen: Da fährt er in die Alpen um mit der Seilbahn zum Mountainbiken zu fahren. Der Grund ist ein einfacher. Wir wollten unbedingt den Grenzkamm zwischen Österrich und der Schweiz befahren. Und die 1000 Meter Aufstieg hätten uns knapp zwei Stunden gekostet, wären wir geradelt. Die Zeit hatten wir nicht, weil wir heute ja noch im späteren Tagesverlauf den Fimbapass erobern mussten.

Nachdem wir also in der Seilbahn die ersten zaghaften blauen Himmelsbereiche gesehen hatten, wurden ich oben angekommen vom Blitz getroffen. Nebel und Kälte. Es war so kalt, dass ich ein kurzes Trikot, ein langes Trikot, eine Jacke, Armlinge, Beinlinge und ein Halstuch getragen habe, weil es mich arg gefröstelt hat. Andere Touristen sahen das locker und sind in Hotpants oben erschienen. Man möge meine ein schöner Anblick. Doch weit gefehlt, das kann ich versichern. Und absolut ungeeignet für die Alpen bei den Temperaturen allemal. Mir wurde aber schell heiß. Und das nicht wegen der Hotpants, sondern wegen der immensen Anstrengung. Fahrrad fahren bei knapp 3000 Metern über dem Meeresspiegel ist bei großen Steigungen keine Freude. Zumindest nicht für die Lunge und das Herz. Ich kam hierdurch arg ins hecheln.


Der Nebel war kein Problem, sondern kam mir entgegen. So konnte ich nicht richtig sehen, wie weit und steil es links und rechts des Kamms herunter ging. Aber alleine das Wissen hierüber war nicht gerade als angenehm zu bezeichnen. Nachdem wir den Kamm in Richtung Zeblasjoch entlang gefahren sind, ging es dann wieder bergab ins Fimbatal. Und das war ein Trail, wie er besser nicht sein könnte. Ich glaube, dass ich letztes Jaher noch nicht in der Lage gewesen wäre, diesen Trail zu fahren. Er war auch durch die starken Gewitter in diesem Jahr sehr ausgewaschen. Aber trotz der Anstrengung hat es sehr viel Spaß gemacht. Ich kann mich aber ehrlich nicht daran erinnern, in naher Vergangenheit so große Konzentration über eine Stunde aufwendenden müssen, dass mir nichts passiert.

Einer meiner Mitstreiter hatte nicht so viel Glück wie ich, denn er stürzte. Nix schlimmes, soll aber spektakulär ausgesehen haben. Ich hörte nur die Schreie einer unserer Teammitglieder, konnte aber nicht nach hinten schauen, weil zu viele Steine meinen Fahrweg säumten. Und just in dem Moment lief ein Murmeltier über den Weg.


Das sollte auch nicht das einzige Murmeltier an diesem Tag bleiben. Insgesamt haben mich 4 dieser pussierlichen Tiere begleitet. Drei davon auf dem Aufstieg von der Heidelberger Hütte, die wir nun ansteuerten, zum Fimbapass.

Zur Heidelbger Hütte gibt es noch etwas zu schreiben: Hier galt es, Kraft für den Hike & Bike, also das Schieben eines Mountainbikes den Berg hoch, zu tanken. Ich entschied mich als Mittagsspeise für einen Kaiserschmarrn. Die Heidelberger Hütte gehört zu den 5 Hütten in Österreich, die den kulinarischen Jacobsweg bilden. Es sei nur angemerkt, dass ich für mein Leben gerne Kaiserschmarrn esse. Und dieses auch schon zig Mal in meinem Leben gemacht habe. Ich denke, ich habe da einige Erfahrungen und schon viele gute Kaiserschmarrn gegessen. Dachte ich immer, der Kaiserschmarrn von Renate in Bitschweil sei ein Gedicht, so habe ich heute zwei Gedichte zu mir genommen. Ich habe noch nie einen so fluffigen und wohl schmeckenden Kaiserschmarrn gegessen. Mir läuft jetzt noch das Wasser im Munde zusammen.

Aber alles schöne hat ein Ende und so mussten wir unsere Mountainbikes nachfolgend zum Fimbapass hoch schieben und fahren. 400 Höhenmeter und die Sonne war mittlerweile nicht mehr da. Es war also wieder etwas kühler, was mich nicht daran hinderte, zu schwitzen. Teilweise eine Schinderei.

Steffi aus Utah und ich bildeten die Vorhut, als wir auf einmal das Donnern hörten. Gewitter jetzt, wäre äußerst ungünstig. Aber Donner hören ja in der Regel auf. Nicht dieser. Und so sahen wir recht schnell die Ursache des Grollens: Am Berg gegenüber ist eine Steinlawine abgegangen. Das war schon beeindruckend und ich möchte nicht in der Nähe dieses Lawinenabgangs gewesen sein. Schon von Ferne hatte es einen Eindruck hinterlassen, als ob hier ganz viel Energie den Berg runter rutscht. Die Staubwolke war dementsprechend.

Aber am Fimbapass angekommen mussten wir uns schon wieder auf die sehr anspruchsvolle Abfahrt in die Schweiz, genauer ins Unterengadin konzentrieren. Bisher hatten wir ja noch gar nicht soviel Kraft bei Aufstiegen verbraucht. Wir sind ja nur bergab gefahren. Und das – Felix wird es freuen zu hören- war nicht minder anstrengend, als bergauf zu treten. Somit hatte ich etwas wenig Kraft, was sehr schnell zu Brennen in den Oberschenkeln führte, da ein Sitzen bei diesem Trail gar nicht möglich ist. Ich hätte hier auch fast meinen ersten Sturz gehabt. Doch mit etwas Glück und Erfahrung konnte ich das noch ausgleichen und meine Fahrt fortführen. So ging es in unheimlich schöner Umgebung bei teilweise auflockernder Bewölkung in Richtung Sent.

Nach kurzem Bremsentausch eines Mitreisenden ging es über zwei Hängebrücken weiter in Richtung Inntal. Hier sind wir gegen 17:20 angekommen und konnten locker die letzten Kilometer in Richtung Scuol radeln. Durch die schon beschriebenen grünen Wiesen mit dementsprechenden Gerüchen.

Jetzt schreibe ich nicht weiter, weil eil morgen ein langer Tag vor uns liegt. Die Königsetappe in meinen Augen. Hohe Erwartungen an die Szenrie und die abzurufende Leistung. Sozusagen das, was Verlobte von der die Hochzeitsnacht erwarten. Also das größte dieser Tour. 75 Kilometer, 2500 Höhenmeter. Es geht von Scuol nach Livigno über S-Charl zum Passo Costainas in Richtung Ofenpass. Dort wissen wir noch nicht, wo wir fahren, da es dort Murenabgänge gegeben haben soll und wir nicht wissen, ob unser Weg befahrbar sein wird. Wir werden sehen und ich berichte morgen, wenn ich hoffentlich mein ersehntes Eis in der tollen Lateria in Livigno gegessen habe.

Bis dahin gute Nacht aus Graubünden

Grenzkamm Ischgl. Kalt, neblig und auf 3000 M ü.N.N. sind selbst leichte Anstrengungen anstrengend
Abfahrt auf feinstem Singletrail vom Viderjoch in Richtung Fimbertal
Im Fimbertal angekommen: Rückblick in Richtung Ischgl
Das Fiepen von Murmeltieren begleitete uns auf dem Weg hoch zum Pass.
Blick vom Fimberpass in die überwältigende Bergwelt des Unterengadin
Erste Abfahrt hinter dem Fimberpass
In Griosch der Mann aus der Milka-Werbung? Isch doch coolman… Auf jeden Fall einen Halt wert. Die Speisen und Getränke in der Tanna Di Muntanella sind ein Gedicht.