Wozu sind Kriege da?

Udo Lindenberg hat 1981 also vor knapp 43 Jahren das Lied veröffentlicht. Es war sozusagen auch ein Lied, das einen Beitrag zur damals starken Friedensbewegung -die sich im Kontext des Kalten Krieges formierte- darstellte. Wer in meinem Alter erinnert sich nicht an den Nato Doppelbeschluss, den kalten Krieg und die aufkommende Friedensbewegung? Nicht zuletzt u.a. aus ihr ist ja dann auch die Grüne Partei gegründet worden, die sich stark für Rüstungskontrolle, Abrüstung und den Frieden engagierte. Im Oktober 1983 gingen mehr als eine Millionen Menschen in Deutschland auf die Straße, um gegen die Stationierung amerikanischer Atomraketen zu protestieren.

Ich stelle mir heute die Frage, warum derartiges heute nicht geschieht. Wir sind in einem kalten Krieg und ich habe so meine Bedenken, ob wir nicht viel stärker in einem heißen Krieg beteiligt sind, als uns dieses bewusst ist. Krieg ist doch immer das Versagen von Politik. Und wenn wir in diesen Tagen über die Ukraine oder auch den Gazastreifen sprechen, so muss ich für mich festhalten: Die Politik hat versagt!

Aber weg von den Politikern zu uns, den normalen Bürgern. Sind wir zu träge, dass wir Kriege und jetzt auch den vor der eigenen Haustür so achselzuckend hinnehmen? Sind wir gesättigt? Nehmen wir überhaupt noch unterschiedliche Standpunkte, Medienberichte und Analysen zur Kenntnis? Können wir das überhaupt noch? Es gibt ja diesen geflügelten Satz, dass das Erste, das im Krieg stirbt, die Wahrheit ist. Woher dieser Satz auch immer kommt – ich kann dem nicht widersprechen.

Und heute stellt sich mir die einfache Frage der Überschrift, warum Kriege überhaupt notwendig sind. Wie oben schon geschrieben, weil sie die logische Fortsetzung des Versagens der Politik sind. Doch diese ist wahrscheinlich zu einfach, wenngleich m.E. auch wahr. Es ist wahrscheinlich vielschichtiger zu beantworten. Vielschichtiger auch, als es in den heutigen Tagen der medialen Beschallung zu Kriegstüchtigkeit und im Kontext des Ukraine Krieges von vielen wohl gesehen wird. Viel zu einfach sind die Antworten, die wir alltäglich in den Medien lesen, hören, sehen. Und ich bin ehrlich: Ich kann die Hofreiters, Baerbocks (vgl. mit den Zielen der Grünen zu Gründungszeiten), Stoltenbergs, Merzs, und ja auch Selenskys und sonstige Rufenden nach mehr Waffen und Unterstützung des Krieges in der Ukraine nicht mehr sehen, und nicht mehr hören. Denn auch sie geben nur einfache Antworten nach dem Motto „Russland böse, der Westen gut“ oder „wir kämpfen für die Freiheit“ oder „wenn wir das nicht stoppen, ist Putin in Deutschland“. Mir ist das zu einfach, zu wenig fundiert, einseitig und vor allen Dingen heuchlerisch. Denn es ist nach meiner Auffassung eben die Aufgabe der Politik, Kriege zu verhindern. Und da muss ich nicht nur den Kriegsparteien in der Welt, sondern auch den Unterstützern – ja auch der so häufig zitierten westlichen Wertepartnerschaft die sich auch in der NATO zementiert- ein schlechtes Zeugnis ausstellen. Denn sie haben es geschafft, z.B. den Ukrainekrieg zu verhindern. Im Gegenteil, wir sind wieder dabei ein neues Wettrüsten mit immer perverseren Waffen zu starten. Daher heist es: Klassenziel nicht erreicht. Setzen 6 oder einfach: Versagt! Macht einfach Eure Aufgaben und wenn ihr schon nicht in der Lage seid Kriege zu verhindern, dann beendet sie. Aber nicht auf dem Rücken unschuldiger Soldaten und Zivilisten, sondern auf dem Verhandlungsweg.

Nun aber weg von den Politikern, hin zur Allgemeinheit. War uns die Friedensbeweg der 80er Jahre voraus? Oder anders gefragt, haben sie sich für ihre Meinung und Haltung (in diesem Fall für Frieden) stärker eingesetzt, als wir, die eine wirkliche Kriegsgefahr für uns sehen, dieses heute tun? Denn, warum gehen heute in den Zeiten von einem Krieg in Europa, bei dem so nonchalant während einer Fußballeuropameisterschaft auf einem NATO Gipfel die Stationierung amerikanischer Langstreckenraketen in Deutschland beschlossen wird, nicht zumindest einige Tausend Menschen auf die Straße? In den 80ern waren es Millionen, wie oben beschrieben. Und warum gehe ich nicht auf die Straße? Waffen haben wir in dieser Welt genug und die NATO schon lange. Und in diesem Zusammenhang muss man sich dann auch fragen, wie Historiker uns dann in Jahrzehnten beurteilen werden. Nach dem heute häufig gehörten Satz: Sie wussten ja davon, zumindest hätten sie davon wissen können, wie das Wettrüsten wieder gestartet worden ist. Und warum haben sie nichts dagegen getan?

Auch hier ist die Analyse vielschichtig zu betrachten und es gibt keine einfachen Antworten darauf.

Das bisher Geschriebene dieses Artikels war eigentlich nur eine Einleitung. Denn es muss beantwortet werden, warum sich nun gerade heute die Frage der Überschrift für mich stellt, die mich zum bisher Geschriebenen verleitet hat?

Die Auflösung ist einfach. Gestern befuhr ich mit dem Mountainbike den Brenner Grenzkamm. Dort sind noch zig stille Zeitzeugen zum ersten Weltkrieg zu finden. Denn an der Grenzkammstraße reihen sich Befestigungsanlagen aneinander, die als Teil einer Verteidigungslinie zwischen Ungarn-Österreich und Italien aufgebaut worden sind. Wenn ich richtig informiert bin, haben dort nie Kampfhandlungen stattgefunden. Uns, das heißt Claudia und mich, haben diese Militärgebäude und Überreste des 1. Weltkrieges jedoch nachdenklich gemacht.

Denn während unserer Tour standen wir zwischen der Vorbeifahrt an zwei Befestigungsanlagen auch noch auf dem Sandjöchl. Es ist ein Sattel am Brenner Grenzkamm, auf dem die Grenze zwischen Österreich und Italien verläuft. Wie es zu dieser Grenze kam, ist eine andere Geschichte. Nur so viel: Sie hat ihre Ursache im 1. Weltkrieg. Heute sieht man die Grenze eigentlich gar nicht. Und dass wir mit einem Fuß in Österreich, und einem Fuß in Italien stehen, haben wir nur durch eine Markierung feststellen können.

Das heißt, dass die Grenze eigentlich gar nicht mehr vorhanden ist. Und das ist eine super-schöne Errungenschaft nach vielen Kriegen auch in Europa, die nicht hoch genug zu bewerten ist. Und jetzt stellt sich eine weitere Frage: Wäre es denn Menschenleben wert gewesen (wenn man das so sagen darf), dass für einen Grenzverlauf gekämpft wird, der über hundert Jahre später gar nicht mehr vorhanden ist, bzw. interessiert? Auch hier gibt es viele Dimensionen, die zu berücksichtigen sind, doch die Ausführungen würde den Rahmen hier sprengen.

Was aber den Rahmen nicht sprengt, sondern ich gerne teilen möchte, ist mein Besuch am Tag nach der Brenner Grenzkammtour in der Festung Franzensfeste nahe Brixen.

Diese imposante Befestigungsanlage, die wir besichtigten, beinhaltete auch eine
Dauerausstellung zu Bunkern in Südtirol. Im Kontext der oben geschilderten Gedanken von gestern zu Kriegen hat diese Sonderausstellung, die sich stark mit den Zeiten des kalten Krieges (ich schreibe mal Nr.1) beschäftigt, eine ganz andere Dimension für uns bekommen.

Es ist eine aktuellere Dimension. Ich kann dazu gar nicht viel schreiben, sondern teile in diesem Artikel lieber einige Bilder von dem Besuch, die der geneigte Leser und die geneigte Leserin ggf. nutzen kann, um seine eigenen Gedanken zu generieren, sie zu sortieren und ggf. als neue Gedankenanreize aufzunehmen. Einzig und allein, um sich in den heutigen Tagen der Dauerberieselung zur drohenden Kriegsgefahr und oben schon genannten Kriegstüchtigkeit eben seine eigene Meinung zu bilden und nicht nur kritiklos die Meinung von anderen in den omnipräsenten Talk-Shows (was ist dabei eigentlich Talk und was Show?) aufzunehmen und wiederzugeben.

Für mich ist das Ganze, was ich in unserem sehr schönen Urlaub in Südtirol gedanklich beschäftigt, schon sehr schwere Kost. Und ich sehe hier weiß Gott nicht nur schwarz / weiß. Fast alle Haltungen, Meinungen, Handlungen, die ich in diesen Tagen des neuen Kalten Krieges (2.0?) wahrnehme, sind aus Sicht der handelnden Personen mit einiger Kreativität (ob boshaft oder nicht) nachvollziehbar. Nur weiß ich nicht, was ich mit diesem Wirrwarr machen soll. Ich weiß nur, dass mich das Gesehene und Gelesene noch nachdenklicher gemacht hat, als ich es eh schon in Zeiten der sich übertreffenden Aufrüstungs- und Waffenlieferungsschreie seit Monaten bin.

Wie geschrieben: Ich teile hier die Bilder, Texte, um auch Lesende meiner Webseite zum Nachdenken anzuregen. Sie müssen nicht meine Meinung zu den aktuellen Handlungen im Kontext der Kriege in der Ukraine- und im Gazastreifen (habe ich die überhaupt schon? kann ich sie schon haben?) haben, aber ggf. bilden sie sich eine eigene durch Recherche, Abwägung von Fakten und Informationen und nicht durch blindes Konsumieren. Das wäre mein Wunsch.

Denn es klopfen immer noch zu viele unschuldige Krieger jeglicher Seite an die Himmelstür (Knockin‘ on heavens door), weil Menschen nicht miteinander reden und verhandeln. Und es ist auch nicht zu vergessen, dass die Raketen im Jahr 2024 sind nicht nur physischer Natur sind, wie die Ausstellung eindrucksvoll zeigte.

Ich hoffe, dass sich da nichts Furchtbares noch stärker zusammenbrodelt, wie der Himmel beim Verlassen der Festung Franzesfeste, sinnbildlich zeigte…

..sondern wir ggf. zeitnah durch Diplomatie und Annäherung erreichen, dass die Machtzentren (und bei uns sind es sogar die demokratisch gewählten) dieser Welt nicht unzählige Menschen für ihre Machtinteressen sterben lassen. Damit auch die unschuldigen Kriegskämpfer egal welcher Partei sie angehören, weiterhin die Schönheit der Blumen einer Wiese sehen (wie diese vor der Festung Franzensfeste) und sich diese nicht von unten betrachten müssen.