Bericht Ullrich
So, nun kommen wir zum 12.07.2018. Dem Tag, der mit einem ernsten Gespräch zwischen Claudia und unserem Guide begann. Claudia und Sabine mussten einfach die gehässigen Kommentare in der Gruppe über die Basisgruppe thematisieren. Der Stachel saß tief und so geht es nicht. Meines Erachtens hat jedoch unser Guide die Probleme erkannt, war offensichtlich sehr geschockt und so ging es für alle befreiend und bei aufgeklartem Klima (nicht nur wettertechnisch) in den vorletzten Tag der Transalp zum Gardasee.
Der Tag sollte wieder ein langer werden. Wir sollten knapp 2000 Höhenmeter fahren und die Basisgruppe hatte mit Julian auch nur 600 Höhenmeter weniger. So fuhren wir gemeinsam los, bis nach 15 Minuten ein kurzes Tschüss in Richtung Claudia und Sabine die Trennung der Gruppen einleitete. Ich fuhr mit Lutz, hatte mit ihm noch einmal über die Begebenheiten der letzten Tage, die Claudia und Sabine belasteten, besprochen und dann weiter über berufliche Dinge erzählt. Ununterbrochen. So fuhren wir die ersten 500 Höhenmeter mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 12 km/h in einer Stunde hoch. Dann ging es in den Kalterer Höhenweg. Kalterer Höhenweg? Ich bin mir vorgekommen, wie im Harz. Es war kein Unterschied auf den Forstwegen hier und denen in Richtung Käste, Hahnenklee oder zur Schalke. Somit war ich in meinem Element. Es lief. Auch die Geschwindigkeit der ersten Stunde und die gefahrenen 100 km des Vortags merkte ich noch nicht. Was ich jedoch sehr schnell merkte, ich hatte zu wenig gegessen. Ich schob einen Hunger und hatte nach den ersten zwei Stunden des Tages schon zwei Riegel gegessen. Ich hatte kaum noch Reserve. Eigentlich nur ein Riegel und ein Engergypack. Das Trailfahren war nicht schlimm, jedoch merkte ich bei jedem Aufstieg, wie die Kräfte nachließen und auch der Hunger stärker wurde.Meine Beine verloren Kraft. Ich war kaputt. So kaputt wie lange nicht. Ich konnte mich jedoch über den wunderbaren Ausblick auf den Kalterer See und die in den Wolkenverschwimmenden Dolomiten freuen.
Irgendwann kreuzten wir eine tiefe Schlucht. Bergab, bergauf und hierzu benötigten wir 30 Minuten. Ich hatte keine Kraft mehr, wurde immer langsamer. Da war die Buschenschänke, die wir um 12 Uhr erreichten willkommener als alles andere. Ich bestellt einen Kaiserschmarrn und hoffte auf entsprechende Energie für den Nachmittag. 1,25 Liter Apfelschorle fanden ebenso den Weg in mein Innneres. Die Stimmung in der Gruppe gefiel mir heute viel besser. Ich erfuhr viel von Markus, mit dem ich an einem Tisch saß. So auch, dass ein deutscher Sportstar, der aus seiner Heimat kommt, dem männlichen Geschlecht in jungen Jahren sehr zugewand war und sehr viele Kontakte diesbezüglich gemacht haben sollte. Aber was geht mich das eigentlich an? Lustig war es trotzdem zu hören.
Der Blick aufs Tal fiel gleichzeitig auf die Brennerautobahn. Ich war erschrocken, wie wenig Verkehr dort herrschte. Weniger offensichtlich, als beim oben genannten Sportstar. Und weniger auf jeden Fall, als auf der A2 im täglichen Wahnsinn. Im Vergleich verschwindend geringer Lkw Verkehr. Und so genossen wir die Sonne, bzw. ich den Schatten, da ich kein Hautkrebs vom Hersteller bekommen möchte. Ich cremte mich noch einmal ein und es ging weiter. Doch halt, was war das? Klänge von Alphörnern. So wurde zu unserem Gehen ein Lied gespielt. Dieses fiel ja nur zufällig mit unserer Abfahrt (die wir nun verzögerten) zusammen. Irgenwie war es etwas kitschig, wenn auch sehr schön. Es ging steil bergab, meine Bremsen waren ja noch nicht so richtig eingefahren und verglasten bald wieder. Die Steilheit hier sucht schon seines Gleichen. In den Dolomiten hatte ich letztes Jahr schon ähnliches erlebt.
Nach der Abfahrt ging es wieder auf Transfer. Über Straßen gegen den Nachmittagswind kämpften wir uns zwischen 15 und 25 km/h gen Süden. Noch ein Eis? Nein, die Eisdiele hatte zu. Warum? Weil Lutz noch nie so früh an dieser Stelle mit einer Gruppe gewesen ist. Somit 0,6 l Spezi und ab ging es auf dennächsten Anstieg. 15 Kilometer und noch einmal 800 Höhenmeter waren zu bezwingen. Dieses jedoch auf der Straße. Nach 45 Minuten hieß es noch einmal Wasser auffüllen und bei mir Arme kühlen. Ich war überhitzt. Beide Arme wurden bis zu den Achseln in das erfrischend kalte Brunnenwasser gelegt. Das brachte den Kreislauf wieder zurück. Das Wasser lief über meinen Kopf und mein Trikot war komplett nass. Das sollte sich kurz nach der Abfahrt wieder ändern. Uns erwarteten die letzten 45 Minuten Aufstieg für den Tag. Das Trikot war durch Sonneneinstrahlung und Wind recht bald wieder trocken und der Schweiss wurde schnell vom Körper weg transportiert.
Ich holte den ersten Radler ein, da ich etwas später vom Brunnen losgefahren bin, und später auch noch Lutz, mit dem ich einige Meter zusammen fuhr. Dann ließen meine Kräfte nach. Meine Füße wurden Taub und ich ließ Lutz ziehen. Mein Puls war nicht über 130, aber ich hatte einfach keine Kraft mehr. Noch zwei Kurven – ja ja: lutz, habe ich meinen Kindern auch immer erzählt. Aber ehrlich, nach zwei weiteren Kehren war der höchste Punkt erreicht. Es ging leicht bergab. Und was passiert? Ich muss treten!!! So stark war der Gegenwind. Letztlich war die große Anstrengung vorbei, wir tranken noch kurz etwas und fuhren über Andelo zu unserem Quartier am Molvenosee. Ein kurzer Waldweg, der sehr flowig zu fahren war, grüßende, rücksichtsvolle und freundliche italienische Wanderer machten uns den Weg frei. Bon giorno und Grazie waren unsere Antworten bei jedem Einzelnen.
Gegen 18 Uhr waren wir am See, ich benötigte eine kalte lange Dusche. In den See bin ich dann nicht mehr gegangen. Das wird morgen am Gardasee nachgeholt. Nun, um 22 Uhr sage ich Gute Nacht, Ciao oder Buoena Notte.
Claudias Tag
Wie Ullrich eingangs schreibt, hat der andere Guide das Problem verstanden, schöner wäre es für mich und uns aber gewesen, wenn er es vorab selbst gemerkt und erkannt hätte, anstatt mitzumachen. Aber das Thema ist gegessen und wie schon gesagt: Wieder was dazugelernt. Aber mir fehlte tatsächlich den Vormittag über noch meine Konzentration und Energie auf und für mich. Wir fuhren von Bozen an den Molveno-See.
Heute in einer größeren Gruppe, da der Vortag doch sehr anstrengend für viele gewesen ist. Julian hatte schöne Wege und Trails für uns herausgesucht und es machte sehr viel Spaß. Dieser Tag wurde von Julian auch ‘Königsetappe’ genannt. Es lagen so einige Höhenmeter vor uns, aber die ‘Hammersteigung’ sollten wir uns für das Etappenende aufsparen. Wir haben auf einem sehr netten Dorfplatz ein wenig Pizza gegessen, bevor es richtig losging und ich war mal wieder beeindruckt von Julians Essvermögen, mehr aber noch von seiner Fähigkeit, parallel zur Bestallung von Pizza nebst Sonderwunsch und Getränkebestellung noch mit dem Büro von ULP zu telefonieren und den nächsten Auftrag zu regeln. Er bekam die richtige Pizza, die Dame war in keinster Weise beleidigt, dass sie nur die zweite Geige spielte und das mit dem Auftrag hat wohl auch geklappt. Wir verabredeten, dass jeder sein Tempo fahren sollten, Julian regelte den Treffpunkt und Sabine und ich wollten in unserem Tempo hochfahren. Gesagt – getan.
Steigung ist das eine, moderate Steigung ist das andere, aber für diese Steigung fehlten Sabine und mir die Worte. Neben den schon erwähnten unflätigen Bemerkungen unterwegs fuhren wir diesen mörderische, betonplattendurchzogenen Weg durch den Wald nach oben. Schier endlos schien der Weg. Ab und an leuchteten Julians blonde Haare vor uns auf, weil er sich nach vorne vergewisserte, dass alles bei den anderen Gruppenteilnehmern in Ordnung ist und nach hinten, wie es uns beiden denn wohl geht. Plötzlich hörte ich Stimmen, was ich als Zeichen von echter Zivilisation wertete, verbunden mit der Hoffnung, dass wir am Ziel angekommen sind – also natürlich nur am Treffpunkt zur Weiterfahrt. Das mit den Stimmen stimmte auch, Julian stand da ebenfalls, aber nur, um uns charmant den weiteren Weg mit den nächsten, kleinen,aber feinen Hügelchen auf dem Weg nach oben zu zeigen.
Ich erinnere mich noch, dass er es auch hier wieder schaffte, dass wir ein Witzchen wagten, damit er uns sagen konnte, dass da anscheinend noch immer ‘Luft nach oben’ bei uns sei. Nach einer gemeinsamen Erholungspause in einer Art Park ging es endlich auch mal wieder ein wenig bergab. Wir durchquerten einen sehr beliebten Ferien- und Ausflugsort – Andalo. Während Julian augenscheinlich keinerlei Ängste hatte, einen der vielen Fußgänger jeglichen Alters auf den übervollen Wegen und Wiesen zu ‘treffen’, fuhren wir im Slalom, jederzeit bremsbereit hinter ihm her und waren erstaunt, dass es in dieser Ecke der Welt auch eine Art Disneyland gibt. Der Ort besteht nur aus Hotels, es war laut und hektisch und wir waren froh, als wir wieder im Wald waren und dann auch noch einen richtig langen, nicht schweren, aber schnellen ‘Trail’, Verzeihung Ullrich, es war eher ein steiler Weg, runterdüsen konnten.
Als ich irgendwann mal nach hinten schauen wollte, um zu gucken, wo Sabine bleibt, war diese auch fast schon da. Sie wollte bergab immer hinten fahren, weil sie sagt, dass sie Angst hat zu stürzen. Aber von Tag zu Tag wurde sie mutiger und sicherer und somit auch schneller. Also sagte sie dann:” Och, ich habe einfach nicht mehr gebremst!” So ging auch diese Etappe zu Ende und wir haben uns, wie jeden Tag, dazu gratuliert. Egal, was sonst so war und ist und worüber ich mich geärgert habe, ich habe mich jeden Tag darüber gefreut, dass ich es geschafft habe, mit meinen kleinen Stummelbeinchen diese Wege und Kilometer zu bestreiten.
Das Hotel lag fein direkt am See. Sabine und Oskar hatten ein Seeblick-Zimmer, aber es war auch so sehr schön und ich war ohnehin ziemlich kaputt. Der nächste Tag sollte uns zum Gardasee bringen und die gesamte Gruppe sollte, mehr oder weniger, zusammen dorthin fahren. Das setze mich zwar irgendwie unter Druck, weil ich ja niemanden bremsen und behindern wollte, aber ich hatte es ja nicht entschieden und irgendwie wird essich ohnehin wieder aufteilen.
Und nun die Tagesbilder