Der 90. Geburtstag

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Der 90. Geburtstag ist wohl fast allen Mitbürgern und auch den Mitbürgerinnen aus dem gleichnamigen Sketch -oder auch unter dem Namen Dinner for One- bekannt. 18 Minuten dauert der in Schwarzweiss aufgenommene Sketch und füllt jährlich zum 31. Dezember die dritten Fernsehkanäle. Aber auch heute war ein 90. Geburtstag zu feiern. Nicht zu zweit -oder eben imaginär zu sechst-, sondern mit ganz vielen Menschen – und das in Farbe.

Der im Harz wahrscheinlich genauso wie der o.g. Sketch bekannte Brocken-Benno feierte heute auf dem Brocken seinen 90. Geburtstag. Auf dem Berg, den er über 9000 Mal bewandert ist. Und da ich mich heute auch mit meinem Fahrrad auf den Weg zum Brocken gemacht habe, konnte ich an der Massen-Geburtstagsfeier auch teilnehmen. Doch wie immer gilt im Folgenden: Eins nach dem anderen.

Ich läutete das Wochenende am Freitag mit einer kurzen Spritztour über 39 Kilometer ein und brauchte für die damit verbundenen knapp 900 Höhenmeter auf meinem Fahrrad 2,5 Stunden. Mehr sollte es nicht sein, da erstens eine Gewitterfront nahte. Zumindest überschlugen sich die Wetterwarnungen mal wieder genauso, wie die Live-Schaltungen zu betroffend daherschauenden Fernsehreportern, die darauf warteten, mal einen Zugausfall berichten zu können. Und zweitens wollten wir mit einigen willigen Arbeitskollegen, Arbeitskolleginnen, ggf. nebst Partnerinnen am Sonnabend eine Wanderung über 11km und knapp 500 Höhenmeter von Drei Annen Hohne über die Leistenklippe und Ottofelsen zurück nach Drei Annen Hohne unternehmen. Hat auch geklappt. Die Bilder dieser im strömenden Regen beginnenden und in strahlendem Sonnenschein endenden Wanderung sind hier zu finden. Somit wollte ich Freitag auch ein wenig Kraft sparen.

Am Sonntag, dem besagten Geburtstag von Brocken-Benno, fuhr ich nichtsahnend gegen 08:30 Uhr mit meinem Bike in Richtung Käste. Nachdem ich das Forsthaus Ammental hinter mir gelassen hatte und die B241 beim Waldhaus überquerte lagen einige einsame -weil eben kein Wanderer zu dieser frühen Zeit unterwegs war- Höhenmeter vor mir. Und ich erreichte die Käste nach 55 Minuten. Das ehemalige und heute abgerissene Kästehaus liegt auf 605 Meter ü.N.N. am Huthberg. Schade, dass der Neubau auf sich warten lässt. Wir haben eh zu viele Ausflugsgaststätten auf Harzer Höhen. Das interessiert heute jedoch nicht, denn weiter ging vom genannten Berg mit Hut über den links liegen gelassenen Röhrentanz (ich finde den Namen so schön) am Diabas Steinbruch vorbei, bevor ich westlich der B4 noch einige Meter machte. Es war so einsam, dass sich hier sicher Hase und Igel gute Nacht sagen. Nun, den Hasen habe ich gesehen. Denn ein Hase hat wieder einmal Rennen gewollt. Hat er natürlich gewonnen. Und sich dann ganz ruhig in die Rabatte linksseitig des Weges gesetzt. Ich konnte ihn kaum sehen. Auf dem Bild kann man ihn jedoch erahnen.

Nur wo war der Igel? Ich weiss es bis jetzt nicht. Und so ging es ohne Igel weiter zum Fuße des Torfhausberg auf knapp 700 M.N.N. . Dort überquerte ich die B4, genauer gesagt, fuhr ich ab Rettungspunkt 333 wieder auf nicht asphaltiertem Boden gen Torfhaus.

Wie oft war ich hier schon gefahren? Ich weiss es nicht. Torfhaus recht liegen lassend fuhr ich ostseitig um die Lerchenköpfe, um auf dem Schubensteinweg in Richtung Kaiserweg zu fahren. Dieser ging ab Einfahrt zum schönen Trail ein wenig bergauf und mündete in den Goetheweg, den ich nun bis zum Brocken unter meine Stollen brachte. Am Quitschenberg auf 881 Meter war ich genau zwei Stunden unterwegs. Der kurz darauf folgende Aufstieg zum Goethebahnhof – ein Klacks. Vor 3 Wochen war ich noch kraftlos im oberen Drittel abgestiegen. Heute dagegen lief es gut. Ich biss mich ein wenig durch und erreichte so wie Helene Fischer durch die Nacht geht, den Goethebahnhof. Atemlos! Eine Minute brachte ich meinen Puls herunter und es ging auch schon weiter zum Brocken. Der Klassiker eben – sagen wir Hometurf.

Es war verhältnismäßig wenig auf dem Goetheweg los. Ich sah eine vermutliche Schulklasse, von der ein dickliches Mädel nicht mehr weiter wollte und auf dem Boden sitzend schmollte. Kinder bewahrten die Bilder der kommenden Brockenbahn auf ihren Fotoapparaten für die Ewigkeit. Die Brockenstraße jedoch war schon recht voll. Wanderer, Rennradfahrer und E-Bike Fahrer. Ich war der einzige Mountainbiker. Mit den Rennrädern kommst Du nicht mit. Da hast Du mit den Stollenreifen keine Chance. Mit den E-Bikern erst recht nicht. Es sei denn, sie haken Dich ein. Und das Gefühl hatte ich zwei Mal, als mich E-Biker ohne Rücksicht auf den von vorne kommenden Verkehr überholten. Und zwar so eng, dass ich dachte, irgendwie müssen die im Wind wehenden Jacken sich doch sicher in Deinem Lenker verfangen und einhaken, so dass sie Dich mitziehen. Pustekuchen! So viel “Glück” hatte ich (doch?) nicht. Aber wenn wir schon über Puste sprechen: Ich war auch etwas aus der Puste, und so lohnte es sich nicht, dass ich mich über die Ignoranz ärgerte.

Ich war unter dem Brockenbahnhof und wollte dort eigentlich eine Bratwurst zur Stärkung essen.

Aber was hörte ich dort? Eine Beschallungsanlage aus Richtung Brockenhaus. Ich konnte nichts verstehen, aber irgendwas war da los. Also verzichtete ich auf die Bratwurst und fuhr dort hin. Und dort wurde er gefeiert: Der 90. Geburtstag. Hunderte Menschen saßen auf Bierzeltgarnituren und vor einem locker dahin plaudernden Benno Schmidt stand eine Menschenmenge, die “dem Meister” lauschte.

Ich hörte den wohlklingenden Ausführungen auch kurz zu. Ich fand es schon beeindruckend. Ich zog meine Jacke an -denn es war hier doch im wahrsten Sinne des Wortes maikühl- und begab mich dann ob der Leistung und Worte von Herrn Schmidt emotional beeindruckt für das Geburtstagsfoto zum Brockenstein. Nein, ich wollte das Foto nicht Brocken-Benno schenken, sondern meinem Sohn Felix schicken, der heute ebenfalls seinen Geburtstag feiert.

Weiter ging es dann in Richtung Pionierweg während die Brockenbahn meinen Weg kreuzte.

Diesen Weg – ein Relikt aus Zeiten des kalten Krieges- bin ich fast 5 Jahre nicht gefahren.

Die Aussicht vom gewählten Weg auf den Harz und das Harzvorland ist aber schon beeindruckend.

Es waren hier wenige Wanderer unterwegs. Aber wenn ich mir diese so anschaute, so konnte ich auch einige erkennen, die wahrscheinlich kurz vor dem Hyperventilieren waren. Rote Köpfe, schnaubende Atemgeräusche und kaputte Gesichter waren keine Einzelfälle. Ob die ältere Dame, die schon kurz nach der ersten Steigung hinter dem Scharfenstein mit ihrem Sohn ging und dabei überfordert aussah, überhaupt nach oben kam? Ich weiss es nicht. Gesund sah sie keinesfalls aus. Ich würde es ihr jedoch von Herzen wünschen. Hat sie sich doch den schwersten Weg zur Brockenbesteigung ausgesucht.

An der Rangerstation Scharfenstein fanden knapp ein halber Liter Apfelschorle den Weg in meinen Körper, um den Flüssigkeitshaushalt auszugleichen und ab ging es ins Ilsetal. Rechtsseitig sahen die Bäume aus, als muss man damit Mikado spielen.

Im Ilsetal hätte ich fast die Abfahrt ins kleine Sandtal verpasst. Also kurze starke Bremsung und ab in dieses kleine Seitental.

Die Trostlosigkeit der Mikado-Bäume war nicht mehr zu sehen, wenngleich auch hier vereinzelt Bäume umgekippt waren. Und diesmal waren es Laubbäume und keine Nadelgewächse. Über dieses einsame Tal ging es in Richtung Großes Maitzental, welches mich zurück ins Eckertal bringen sollte. Und hier staunte ich nicht schlecht, wie licht das Tal, das vor 2 Jahren an einigen Stellen noch richtig duster war, mittlerweile geworden ist. Nun ja, dafür stehen auch kaum noch richtige Bäume hier. Auch hier schien es, als ob die Bäume zum Mikadospielen hingelegt wurde.

Die schön vor sich hin plätschernde Ecker überquerte ich im gleichnamigen Tal.

Weiter ging es auf 1,5 km hoch zum Molkenhaus. Hier zog mich jedoch nichts hin und so ging es über die Rudolphsklippe und Winterbergklippe auf den für mich schönsten Flowtrail am Winterberg in Richtung Bad Harzburg. Kurz vor Ende des wunderbaren Trails, der durch tollen Laubwald führt, sprang doch noch ein großer Stein gegen mein Schienbein. Glücklicherweile ist nix kaputt gegangen. Aber Fahrradfahren ohne Schmerzen könnte auch schön sein ;-).

In Bad Harzburg entschied ich mich, noch einmal hoch zur Käste zu fahren. 6,1 Kilometer -meistens bergauf- fuhr ich nun in schönstem Sonnenschein. Die letzte Abfahrt zurück zum Waldhaus ins Okertal und ich war fast zu Hause. Nach 5:28 h hatte ich 73,5 Kilometer und 1806 Höhenmeter hinter mich gebracht. Und es war mir eine große Freude.

Ich war nicht kaputt, die Landschaft war schön, das Wetter wurde zunehmend wärmer. Und mich berührte auch irgendwie dieser ältere Herr, der heute seinen 90. Geburtstag auf seinem Berg, dem Brocken, feierte. Nun, ich kann mir nicht vorstellen, so häufig auf diesem Berg zu sein. Aber ich ziehe meinen Hut, Fahrradhelm oder sonst was vor der Leistung, die dieser sympatische Botschafter aus dem Harz, mit seinen 9000 Besteigungen erreicht hat. Denn diese waren ja nur im hohen Alter möglich da der Brocken ja erst am 3. Dezember 1989, also vor knapp 33 Jahren, wieder der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wurde. Und so wurde auch erst am 3.12. 1989 ermöglicht, dass ich diese tolle Tour heute machen konnte. Wir sollten dieses nicht als selbstverständlich ansehen.