Wer zu vergesslich ist, den bestraft das Leben

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Heute muss ich Berichte über zwei Tage schreiben. Gestern Abend war ich einfach zu kaputt und auch zu spät wieder in meinem Hotel. Warum? Na das will ich im Folgenden beschreiben:


Ich bin heute früh aufgestanden, weil ich schon um kurz nach 08:00 Uhr in Richtung Feldthurns aufbrechen wollte. Denn heute standen rund 1700 Höhenmeter bei 36 km an. Prinzipiell ist das schon eine Menge Steigung für so wenig Kilometer. Aber wenn man ein Ziel hat, das die Anstrengung wert ist, dann macht man das auch. Und ich hatte ein Ziel: Das Lazfonser Kreuz. Genauer gesagt, das Schutzhaus Latzfonser Kreuz. Von hier, wo die höchste Wallfahrtskapelle Europas steht, hat man den besten Überblick über die Dolomiten. So hieß es zumindest in einem Fernsehbericht, den ich mal über das Schutzhaus sah. Und gleich vorweg genommen: Dem ist wirklich so! Also was lernen wir daraus? Fernsehen: Den Schlauen macht es schlauer, den Dummen macht es dümmer.

Also früh aufstehen, weil die Fahrt nach Feldthurns dann doch 40 Minuten dauert. Ich kam gut los, das Frühstück um 07:00 Uhr mundete und so fuhr ich guter Dinge in Richtung Westen. Pünktlich um fünf vor Neun bin ich in Feldthurns angekommen. Das Auto hatte ich vor dem Ort geparkt, und ich konnte dem Knecht zusehen, wie er das wohl riechende Heut zusammen harkte. Ich glaube, der ältere Mann war mal ein Schüler von Claudia. Er machte seine Arbeit mit so einer Inbrunst. Ich könnte das nicht, weil es mir viel zu langweilig erscheinen würde. Aber für ihn schien es die Lebensbeschäftigung zu sein! Er erschien mir glücklich.

Nun zurück zur Tour: Schuhe an, Handschuhe an und los ging es. Die ersten Meter ging es auf der Straße steil bergauf. Ich fuhr im zweitkleinsten Gang, bog rechts ab und die Steigung sollte noch etwas steiler werden. So ging das gut 15 Minuten, bis ich -und das ist ungewöhnlich für mich- mal ein menschliches Bedürfnis hatte. Es war niemand in der Nähe und so war das auch schnell erledigt. Ich setzte den Rucksack wieder auf und dann meinen – halt, wo ist mein Helm? Und meine Sonnenbrille? Oh Scheiße, die habe ich heute noch gar nicht auf gehabt. So ist das halt, wenn ich meine Betreuerin Claudia nicht bei mir habe. Und der Helm war auch nicht im Auto, sondern bei näherem Nachdenken fiel mir ein, dass er noch auf dem Balkon im Hotel lag.

Das bedeutete erst einmal ärgern. Und auch zurück zum Auto fahren. Doch was bedeutete das noch? Einen neuen Helm kaufen? Einen Helm leihen? Wenn ja, wo? Oder zurück ins Grödner Tal fahren, Helm holen und wieder hier her kommen? Ich entschied mich für die letzte Variante. Das bedeutete aber auch knapp zwei Stunden Zeitverlust. Und das, wo mir vor der Tour von der Anstrengung her sowieso ein wenig graute.

Gesagt getan, so war ich dann dank einiger unfähiger Ausflugs-Touristen-Autofahrer um viertel nach Elf wieder in Feldthurns startklar. Nun hieß es aber Gas geben. Ich fuhr schneller, als ich eigentlich wollte, aber die Tour war mit 4:30 Stunden angegeben und so durfte ich keine Zeitung verlieren, wenn ich auch noch gemütlich auf der Schutzhütte die Natur und ein kleines Essen genießen wollte. Nach Beginn der Tour dachte ich kurzzeitig sogar, dass ich die Tour in die falsche Richtung fuhr. Denn die Wege, die mein Navi anzeigte waren Trails zum bergab fahren aber keinesfalls bergauf zu bezwingen. Über einen Bauernhof fuhr ich, störte einen Hahn, der mich das Hören lies und ab ging es dann in den Wald.

Hier war ich ganz alleine. Ich fuhr an Fruchtsträuchern vorbei und da kam mir ein Gedanke. Mögen Bären eigentlicih auch Früchte? Oh ja! Denn dieser Gedanke kam mir, da vor zwei Wochen in Südtirol ein Bär einen Menschen angegriffen hat und ich am Sonnabend während der Autofahrt hörte, dass man sich hier Gedanken macht, wie mit Unterstützung der EU eine Flexibilität erreicht werden kann, auffällige Bären oder auch Wölfe abzuschießen. Da gilt es doch mal drüber nachzudenken. Auch bei uns in Deutschland werden ja Wölfe akzeptiert, da diese ursprünglich bei uns lebten. Nur in der Betrachtung wird immer eines vergessen: Das Land ist heute ganz anders besiedelt als vor mehreren Hundert Jahren. Und so muss einfach auch über die Gefährdung durch die Wildtiere nachgedacht werden. Aber das ist hier nicht das Thema. Es geht ja um das Fahrrad fahren.

Aber gut, ich habe keine Bären gesehen, außer die Heidelbeeren an den Sträuchern. Und so ging es über einen netten Waldweg nach Garn. Hinter Garn ging es dann weiter in den Wald hinein und es wurde steiler und steiler. Der Wegweiser zeigte noch 4 Stunden bis zum LatzfonserKreuz. Mit dem Fahrrad ggf. drei Stunden, vorausgesetzt es wird auch nochmal flacher. So richtig flacher wurde es nicht mehr.

Und so fuhr ich, quälte mich, schimpfe innerlich, fluchte genauso aber genoss immer wieder die Aussicht auf die Dolomiten, die ich links von mir sehen konnte. Allein dieser Ausblick war die Qualen wert. Und so fuhr ich bis auf ca. 2000 Meter nur bergauf. Minute um Minute und Stunde um Stunde. Bis ich um 13:30 Uhr an der Klausner Hütte ankam. Ein Spezi war die Belohnung und der Wechsel meines durchnässten Trikots. Ich genoss für ca. eine halbe Stunde die Sonne und ein nettes Gespräch mit einem älteren Ehepaar aus München. Orginal Münchner, die zu bestaunen sind, wie die Affen im Zoo. Weil es davon nicht mehr so viele gibt. So Ihre Aussage. Und ich lernte, dass der Isar Radweg auch ein toller Weg zum Fahrrad fahren sei. Na gut, probiere ich das irgendwann auch mal aus.

Aber jetzt wollte ich nicht nach Freising, sondern zum Latzfonser Kreuz. Und der weitere Weg wurde immer steiler. Das was ich sah schätzte ich auf zwanzig Prozent. Die nette Bedienung gab mir zu verstehen, dass es noch steiler werden wird. Ich glaubte dieses nicht so richtig. Sie fragte noch “e-Bike”? Ich antwortet, nein klassisches Moutainbike. Sie hielt mich wohl für verrückt. Warum? Das sah ich gut 20-30 Minuten später. Aus der anfänglich schon beächtlichen Steigung wurde eine noch größere. Ca. 30-35 Prozent. Das Schieben war schon schwer genug. Ich glaube, der Weg ist unfahrbar. Na ja, unser Guide vom Alpencross, Holger Scharschmidt schafft das vielleicht. Ich auf keinen Fall. Und so schob ich nicht zehn Minuten, wie in der Tourbeschreibung zu lesen war, sondern eher 25 Minuten.

Und da kam mir ein Gedanke: In der schon oben beschriebenen Fernsehsendung wurde davon berichtet, dass einmal im Jahr eine Prozession aus einem Ort hierauf stattfindet. Es wird der Schwarze Jesus (wenn ich mich recht erinnere) mit dem Kreuz hier hoch getragen. Wenn das mit meinem 17 Kilo Fahrrad schon so schwer ist, wie anstrengend muss es schon sein, das Holzkreuz den langen Weg zu tragen? Und ob man nun die Gläubigen verstehen mag oder nicht, ich ziehe meinn Hut vor der Leistung und kam so in Gedanken, wie wichtig den Pilgerern wohl der Glaube ist, um diese Strapazen auf sich zu nehmen. Das verdient größte Hochachtung und Respekt. Unabhängig vom Glauben.

Nun, ich kam irgendwann auch an und sah das Panorama. Im Fernsehen oder auf Bildern, die ich natürlich auch machte, ist das jedoch gar nicht darstellbar. Die Sicht ist einfach Grandios. Vom Heilig Kreuz Kofel über die Plose, die Geisslerspitzen, den Langkofel, den Plattkofel, die Sellagruppe, die Seiser Alm, den Schlern, bis hin zum Rosengarten könnte ich alles sehen, was in den Dolomiten Rang und Namen hat. Na ja, nicht alles. Reinhold Messner war nicht zu sehen 😉

Hier oben sitzen, den Ausblick bei Sonnenschein und blauem Himmel zu genießen – viel schöneres kann ich mir fast kaum vorstellen. Ich krönte diesen Ausblick noch mit der Bestellung eines Kaiserschmarrn und eines Kaltgetränkes. Das habe ich mir wohl redlich verdient. Die Gäste wurden weniger, es war nach 20 Minuten Wartezeit jetzt kurz nach halb vier Uhr. Und so genoss ich noch eine knappe halbe Stunde den Ausblick und die immer wieder erscheinende Sonne, zusammen mit wenig Mitstreitern auf der Aussichtsterasse, bevor ich meine Rechnung beglich.

Und da möchte ich noch etwas los werden. DieTochter des Hauses hatte ein so zufriedenes und glückliches Lächeln. Die ganze Zeit, in der sie Gäste bediente, zeigte sie ein einnehmendes Lächeln. Und auch die Mutter, bei der ich mein Geld loswerden durfte, tat Gleiches. Ggf. ist das auch kein Wunder, wenn man dort arbeiten darf, wo die Welt einfach richtig schön ist.

Doch alles Schöne hat auch mal eine Ende und ich musste de Weg hinunter ins Tal angehen. Angesichts der fortgeschrittenen Zeit entschied ich mich gegen den angebotenen Rückwegs und somit gegen einige Trails. Ich fuhr den Weg zurück, den ich hoch gefahren war und geschoben hatte. Ja, auch das steile rutschige Wegstück unterhalb der Latfonser Hütte fuhr ich bis auch ca. zehn Meter. Wenn mein Navi das richtig anzeigte, fuhr ich die massenhaften Höhenmeter wieder bergab. Sehr zum Frust meiner Bremsen, die irgendwann wider laut waren. So laut, dass ich keine Angst mehr haben musste, das mich ein Bär fressen würde. Denn der wird mich schon zehn Minuten, bevor ich ihnerreicht hätte, gehört haben.
Mit müden Armen aber sehr glücklich kam ich mit heißen Bremsen und einem Lächeln im Gesicht gegen 17:00 Uhr in Feldthurns wieder an. Nun noch eine kleine Steigung von 5 Minuten und ich konnte meine Schuhe wechseln, mich abtrocknen und den Weg ins 40 Minuten entfernte Wolkenstein antreten.

Trotz meines dümmlichen Missgeschicks am Morgen war es ein rundum gelungener Tag und ich war fröhlich, die Entscheidung, wieder zurück zu fahren, getroffen zu haben.
Am nächstenTag soll es um das Sella Massiv gehen. Das wird sicher nicht so anstrengend, weil nur 500 Höhenmeter zu bezwingen sind. Den Rest erledigen mechanischen Aufstiegshilfen. d.h. der morgige Tag steht und stand im Zeichen des bergab Fahrens…

Der beschriebene Hahn…
In der Ferne ist die Kapelle und die Schutzhütte Lazfonser Kreuz zu sehen. Dort wollte ich hin..
Die Steilheit lässt sic hier nur erahnen
Bald ist es geschafft..
Der Ausblick auf die Dolomiten von Plose (links) bis Rosengarten (nicht im Bild) entschädigt für die Qualen der letzten Steigung
Auf dem Rückweg ist der Weg etwas einfacher