Ullrichs Bericht
Die dritte richtige Etappe liegt hinter uns. Einklicken war Morgens punkt 8 Uhr. Die Tour sollte erst entlang des Inn-Radwegs in die Schweiz gehen, wo der Aufstieg in die Uina Schlucht auf uns wartete. Ich wusste ziemlich genau, was uns erwartete. War ich doch die Uina Schlucht im letzten Jahr mit Holger Schaarschmidt auf der “Best of Trails” Tour herunter gefahren. Ein Zuckerschlecken wird das nicht werden.
So war ich auch verwundert, mit welchem Tempo wir die ersten 2,5 Stunden angegangen sind. Im Schnitt sind wir mit dem Mountainbike 20 km/h gefahren. Natürlich war auch Asphalt dabei. Aber eben auch Waldwege. Und vor allen Dingen waren Steigungen dabei. Wenn ich mich richtig erinnere, waren das knapp 300 Höhenmeter. Wie die Geschwindigkeit zeigt, kamen wir ganz gut voran. Wir fuhren sozusagen im Pulk. Das änderte sich schlagartig, als wir dann den Waldweg in Richtung Uina Schlucht nahmen. Das Wetter war wieder bombig. Richtig schöne Sonne, die mir die Auffahrt nicht gerade einfacher machte, weil das altbekannte Problem des Schweisses in meinen Augen hervorgerufen wurde. Denn die Auffahrt zur Uina Schlucht war schon anstrengend. Einige Rampen oder Schnapper mit großen Steigungen waren zu bewältigen. Das auf rutschigem Schotter oder zum Schluss auch über Wurzelpassagen.
Nun, ich schob auch einige Male, weil ja noch die Wanderung durch die Uina Schlucht vor mir lag. Gegen 11:40 war ich an der Uina Dadaint Alm angekommen. Hier gab es zu trinken. 1 Liter Apfelschorle, weil ich trotz des mitgeführten Wassers einfach zu wenig getrunken hatte. Wir waren auch nicht alleine. Zwei weitere Radgruppen waren hier schon angekommen, die beide den Weg durch die Schlucht angehen wollten. Wie schön war es doch vor einem Jahr, als wir früh Morgens um ca 08:30 / 09:00 Uhr die Uina Schlucht durchquerten. Wir waren alleine. Das heute hatte mehr den Eindruck eines Mountainbike Festivals. Nicht so mein Ding, will ich doch eher die Ruhe und Schönheit der Natur genießen. Die 3 Damen,die unsere Gruppe komplettieren, kamen nach ca. 15-20 Minuten mit Lutz, der den letzten Mann machte, auch an der Alm an.
Die Pause dauerte knapp 40 Minuten und die brauchten wir wohl auch alle, bevor wir wieder in die Sättel stiegen. Nun ging es weiter bergauf, bis an ein Fahren nicht mehr zu denken war. Es war nicht nur nicht mehr daran zu denken, sondern es ist in der Schlucht auch verboten. Der in den Fels geschlagene Weg hat teilweise eine Breite von maximal 1,5 Meter. Rechtsseitig beim bergauf gehen fällt der Fels dann senkrecht ab. Bis zu 100 Metern. Ein Fahren wäre viel zu gefährlich. Und so schoben wir bis zum Uina-Eingangsfoto unsere Fahrräder und nachfolgend ging jeder für sich. Für mich war das eine große Überwindung.
Die Höhenangst von mir hatte ich letztes Jahr zwar schon einmal bezwungen. Doch bergauf gehen ist noch eine andere Dimension, als bergab. Und so kostete mich der Aufstieg der nächsten 30-40 Minuten sehr viel Kraft. Physisch und auch psychisch. Mittlerweile war seit heute früh 08:00 Uhr mein Puls warscheinlich nur in der Größenordnung von Minuten geringer als 120 gewesen. In der Uina Schlucht ging er beim bergauf Schieben über Steine auch mal bis über 150 hoch. An Stellen, an denen keine Sicherung am Wegesrand vorhanden war, ging ich stark konzenteirt auf den Weg achtend. Dort, wo eine Sicherung in Form von einem Drahtseil vorhanden war, habe ich auch mal ein Foto oder auch Videoaufnahmen gemacht. Eigentlich habe ich die Höhenangst ein weiteres Mal bezwungen. Jedoch war das ganz schön schweißtreibend und auch kräftezehrend.
Gegen 14:00 Uhr waren wir am oberen Ausgang der Uina Schlucht und Thomas ließ es sich nicht nehmen, bei mittlerweile erkaltetem Wetter und bedecktem Himmel (am Nachmittag sollte lt. Vorhersage auch noch Regen kommen), nackt im kalten Gebirgsbach zu baden. Ein verrückter Hund. Bei 30 Grad im Schatten könnte ich mir das vorstellen, aber so? Niemals. Thomas argumentierte, wann er denn überhaupt noch einmal hier her kommen würde. Und so sei das Bad jetzt notwendig. Meinen Respekt hat er hierfür erhalten.
Nun ging es über die Sesvenna Hochebene noch ca. 300 Höhenmeter weiter nach oben, um die Grenze Schweiz / Italien zu überschreiten. Hier ließen meine Kräfte nach. Ich hatte zwar gut gefrühstückt und an der Unia Dadaint Alm noch ein halbes Brötchen und ein Riegel zu mir genommen. Doch das war eindeutig zu wenig. So ging der Weg über die Hochebene Anfangs noch recht flott von der Hand. Später wurde es verblockter und ich wurde angesichts meines Ernährungsmangels und Kräftedefizits immer unkonzentrierter. Da hieß es dann öfter kurze Stücke schieben, weil ich teils an den einfachsten Steinen hängen blieb und Gefahr lief, zu stürzen. Aber letztlich habe ich das auch hinter mich gebracht und die Kräfte kamen wieder, als ich in der Sesvenna Hütte ein Speckbrett gegessen hatte und mittlerweile auch meinen Flüssigkeitshaushalt mit weiteren 0.75 Litern Flüssigkeit zusätzlich zum Inhalt meines Trinkrucksacks erhöhen konnte.
Es fing an zu regnen und wurde kalt. Wir verließen unseren Außenplatz mit Blick auf den mit Wolken verhangenen Ortler (den sahen wir nämlich nicht – wie schön, dass ich diesen schon einmal von hier bewundern konnte) und gingen in die Hütte, um unser Essen zu beenden. Nachfolgend wollte Lutz noch einen Höhenweg fahren. Und da ging es noch einmal bergauf. Natürlich schiebend, denn an Fahren war nicht zu denken. Angesichts der Kälte entschied ich mich, meine Kleidungsreserven aus dem Rucksack fast komplett anzuziehen. Armlinge, dann natürlich ein frisches trockenes T-Schirt, ein Unterhemd und eine Radjacke. So ging es auf den Höhenweg. Nur die Regenjacke und Regenhose blieb ungenutzt im Rucksack verstaut. Das änderte sich schlagartig, als die ersten Regentropfen kamen. Keine kleinen, eher große. Nicht wenig, sondern eher viel. So musste auch diese Kleidungsreserve den Weg aus dem Rucksack an den Körper finden. Der Rucksack wurde abgedeckt und innerlich verfluchte ich die Truppe und den Guide, dass wir diesen Weg noch fahren wollten. Bisher bin ich 18 Tage Transalp gefahren. Nie war ich in den Regen gekommen. Heute bei kaltem Wetter schon (übrigens hat es seit mehreren Wochen hier nicht geregnet, heute schon).
Und das Ganze war umso ärgerlicher, als dass wir den Weg gefahren sind, um einen wunderbaren Blick ins Vinschgau zu haben. Hatten wir auch. Mit wolkigem Hintergrund. Und mit temporärem Donner. Das fehlte mir auch noch. Und ich hatte sehr viel Respekt. Denn eines wollte ich nie erleben: Ein Gewitter, bei dem ich auf einer freien Fläche hoch oben in den Bergen geradezu die Antenne zum Einfangen der Blitze bin. Soweit ist es auch nicht gekommen, aber ein mulmiges Gefühl war es schon. Ich fuhr den Höhenweg mit den Jungs vorne. Lutz wieder mit den Damen hinten. Schade eigentlich, weil ich so gar kein Foto von mir bekommen habe. Fotos von der Landschaft kann ich alleine machen. Nur Fotos von mir, dafür ist doch der Bilderservice da. Heute waren eben keine von mir vorhanden. Ärgerlich, aber nicht zu ändern. Ggf. wird sich das morgen wieder ändern, dass die Damen nicht so die Unterstützung von Lutz benötigen, so dass auch ich Fotos bekomme.
Doch zurück zum Trail. Anfangs fuhr ich sehr unsicher. Ich hatte noch nicht wieder richtig Kraft, meine Nahrungszunahme auf der Hütte musste ja auch erstmal wirken. Und ich hatte Respekt, denn rechtsseitig ging es schon etwas steiler bergab. So fuhr ich unsicher und fühlte mich auch nicht so wohl. Das auch, weil die Steine, die teilweise den Weg verblockten recht rutschig durch den Regen waren. Nach einigen Kilometern hörte es auf zu regnen und der Weg wurde breiter sowie auch rechtsseitig nicht mehr so steil abfallend. Und das war der Punkt, an dem meine innerliche Unzufriedenheit ob der Entscheidung für diesen Weg in Vergessenheit geriet. Denn der Trail, den ich nun mit Thomas im Duo zusammen gefahren bin, war allererste Sahne! Zwischen Pinien ging es wie durch Enge gassen hindurch. Immer schön kurvig und alternierend bergauf und bergab. Wobei die Tendenz klar in Richtung bergab ging. Und so fuhren wir noch längere Zeit den schönsten Trail seit Monaten bis zum Ristorante Pantaplatsch (was es für Namen gibt) oberhalb von Schling. Hier fuhren wir dann auch nach einer tollen Abfahrt über Wiesen, Skipisten und Forstwege vorbei.
Schling, der Ort, den ich letztes Jahr mit Frank nach mühevollem Anstieg auf dem Weg zur Sesvenna Hütte erreichte und wo wir kein Mittagessen bekamen. An Mittagessen dachte ich nicht mehr, war es doch später Nachmittag und ich war froh, wieder im Tal zu sein. Die restlichen Kilometer fuhren wir den Radweg von Burgrain nach Glurns, wo wir direkt am Marktplatz übernachten. Und siehe da, Claudia und Sabine waren mit Guide Julian auch erst 10 Minuten vor uns angekommen.
Nach einem wunderbaren Bad im Whirlpool auf der Terasse mit malerischem Blick über die mittelalterliche Stadt Glurns von Stadtmauern und Wehrtürmen umzäunt und mit Blick auf das Vinschgau wurde der Tag beschlossen. Ein Eis schloss sich noch an, bevor wir dann zu Abend essen sollten. Alles in allem hatten wir einen tollen Tag (nicht nur, weil Sabine heute Geburtstag hatte), sondern weil er durch unterschiedlichste Eindrücke geprägt war.
Und hier ist die nächste Ergänzung von Claudia
Heute hatte Sabine Geburtstag und wir hatten am Vorabend schon beschlossen, dass wir erst um 9 h starten, damit wir mit Julian frühstücken konnten und weil wir ja nicht so eine Tour vor uns hatten. Unser erstes Ziel war ein etwas versteckt liegende historisches Gemäuer, in das seit einiger Zeit ein Cafe – also passend für einen Geburtstagskuchen- eingezogen war. Davor lagen aber noch einige Kilometer vor uns.
Von der Hochfinstermünz ging es dann sehr steil bergauf, zunächst auf die Straße nach Martina – Schweizer Grenze. Von dort kämpfte ich mich über unzählige Kehren nach oben auf die Norbertshöhe – es sollten 11 sein, aber das mit dem Beschriften hat nicht ganz so geklappt bzw. scheint nicht jede Kehre eine Nummer verdient zu haben. Sabine hatte einen ‘Lauf’ und schnurrte vor mir her. Julian hielt ab und an, um sich zu vergewissern, dass es mich noch gibt und dass es mir gut geht. Ja, er hatte uns auch den Bus angeboten – aber das wollten wir selbstverständlich nicht, aber Julian wollte wohl hinterher nicht von uns hören, dass man ja eigentlich auch den Bus hätte nehmen können. Dieser fuhr nun auch an mir vorbei und während ich so Kehre um Kehre verfluchte, tauchte wieder einmal diese Frage nach dem Grund für diese Quälerei auf.
Ja, es war meine ureigene Idee. Ullrich schwärmte nach seinen Touren immer so und ich hatte mir recht spontan, aber auch ziemlich sicher im letzten Herbst überlegt, dass ich auch mal so etwas machen wollte. Als ich im Oktober 2004 aus dem Stand als Nichtsportlerin angefangen hatte, für einen Marathon zu trainieren, war es ja auch eher spontan dazu gekommen. Warum sollte ich mir also nicht auch die Fitness für eine MTB Tour erarbeiten können und Biss und Willen habe ich ja. Aber auf diesen endlos scheinenden Metern nach oben zweifelte ich arg an meinem Geisteszustand und schimpfte auch mit mir. Dann fing auch noch mein blöder Körper an, mir zu zeigen, dass er das alles nicht witzig findet und mir schliefen der linke Arm und das Bein immer wieder ein. Also ließ ich bergauf mal das eine, mal das andere Körperteilchen locken baumeln und achtete darauf, dass mich das nicht zusätzlich beim Anstieg behinderte.
Aber ich wollte auch nicht schieben, weil das genauso anstrengend ist. Oben wartete Sabine und Julian rief mir noch zu, dass ich auf keinen Fall schneller als 60 km/h in die Einfahrt düsen wollte, weil das mit der Geschwindigkeit immer sehr genau kontrolliert wird. Das ist das, was mich und uns immer wieder ermuntert hat und was unseren Guide auszeichnet. Er hat zur rechten Zeit den richtigen Spruch, die passende Ermunterung oder Geschichte parat gehabt und ich habe es ihm abgenommen, dass er es überhaupt nicht schlimm fand, mit uns für ihn gemütlich, für unsanstrengend durch die Gegend zu radeln. Durch unsere Tempovorgabe haben wir es ihm ja auch ‘erspart’, dass er bis an seine Grenzen fahren muss.
Ein feiner Zug – insgesamt ein toller Begleiter, um das Wort Guide mal zu ersetzen. Dass er für uns auch an diesem Tag eine echt knubbelige Spontanstrecke mit auf und ab, fahren und schieben, balancieren und schleppen eingebaut hatte, hätte ich jetzt fast vergessen. Eigentlich hatte er uns versprochen, dass wir nach dem gestrigen Schiebe- und Tragestück keinen solchen Part mehr haben, aber Julian hat das so charmant begründet, dass wir unsere Räder auch gerne wieder durch die Gegend geschleppt und geschoben haben.
Die Aussicht, die Gegend und das Erlebnis, auch das wieder alleine geschafft zu haben, war die Mühe wert. Es ging den Tag bis Glurns und Julian wählte hier für uns eine herrliche Strecke durch die Apfelplantagen im Vinschgau aus und hatte sogar organisiert, dass wir durch die Beregnungsanlagen, denen man wirklich nicht ausweichen konnte, richtig fein geduscht wurden. Das kleine Hotel in Glurns war sehr schön, aber das hat Ullrich schon beschrieben und nach den 69 km war es ein Genuss, in den warmen Whirlpool zu steigen.
Der Tag schloss mit einem sehr schönen Abendessen ab und Sabine war rundum zufrieden mit ihrem Radtour-Geburtstag fern der Heimat. Mal sehen, wie es morgen weiter geht.
Hier wieder einige obligatorische Fotos vom Tag