König (m/w/d)-Etappe

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70km, 2350 Höhenmeter, das Frühstück erst um 07:30 Uhr, die Eisdiele in Livigno schließt um 18:00 Uhr und der Wetterdienst sagt ab ca. 15:00 Uhr Gewitter in Livigno voraus. Das sind keine besten Voraussetzungen, auf der Königsetappe (im Titel politisch korrekt beschrieben) Livigno trocken zu erreichen. Das natürlich, um dann noch ein Eis in der Lateria di Livigno zu genießen.

Frank hat Respekt vor den 2350 Höhenmetern. Ich denke, es ist gut machbar, jedoch nur, wenn wir um 07:30 Uhr los fahren. Doch Frühstück gibt es nicht früher. Somit möchte sich Frank zu Claudia und Sabine gesellen, die die ersten 500 Höhenmeter ins Bergmannsdorf S’Charl mit dem Postbus fahren möchten. Wir kommen so zwar auch nicht früher in Livigno an, hätten aber Kraft gespart und das zumal die Teerstraße nach S’Charl nicht ganz so spannend ist. Wobei die hoch aufsteigenden Berge im Tal schon sehr imposant sind. Ich würde jedoch gerne mit dem Rad fahren, entscheide mich aber doch für die Bustour. Nicht, um das Horn eines Schweizer Postbusses zu hören, sondern, weil ich mit Frank unterwegs sein möchte, der alleine kein Postbus fahren möchte. Und die Wettervorhersage, die je nach Wetterdienst eben Gewitter voraussagt, spricht eigentlich auch dafür, früher in Livigno anzukommen.

Also ab in den Postbus. 14 Schweizer Franken für mich und genauso viel für mein Rad. Also knapp 28 Euro. Gleiches bezahlen Frank, Claudia, Sabine und Hans, der sich kurzentschlossen noch zu uns gesellt. Der Rest der Truppe fährt. Jedoch müssen Marvin, Jörg und Franz, der Guide ja auch nicht mehr über das Val Mora, den Gallo-Pass und dann nochmal den Trela Pass. Sie fahren vom Ofenpass herunter und lassen sich durch den Tunnel nach Livigno shutteln. Das ist jedoch nicht die Strecke von Frank und mir. Wir fahren also mit dem Bus nach S’Charl, verabschieden uns von den anderen Drei und treten in gutem Tempo in Richtung Alpe Astras.

Linksseitig lassen wir den höchsten Zirbenwald Europas liegen. Dort kommt sicher das Holz für unser neu erstandenes Bett her (oder eher auch nicht ?). Die Alpe Astras ruft stolze 5 Euro für eine kleine Flasche Cola auf. Frank und ich wollen Zucker, also geben wir das Geld aus. Zudem war die „Wirtin“ mehr als wortkarg, ich würde es sogar unfreundlich bezeichnen. So habe ich mich im Nachhinein geärgert, dass ich die kleine Erfrischung nicht auf der Alp Campatsch zu mir genommen habe. Aber sei es drum, wieder etwas gelernt. Hier lasse ich in Zukunft kein Geld mehr. Ggf. weil ich hier nicht mehr langfahren werde? Nun ging es über den Pass Costainas und der Alpenhauptkamm müsste überschritten sein. Das Wetter war auf der nun folgenden Abfahrt schon recht warm. Und das ist doch ein eindeutiges Zeichen, oder ?

Und auch auf dem nachfolgenden Singletrail, den wir aufwärts fahren und schieben mussten war es ebenfalls recht warm. Die Kräfte waren noch da, aber wir hatten ja noch einiges vor uns und so motivierte uns der linksseitig immer wieder sichtbare Ortler. Ein grandioser Ausblick, dieser höchste Berg in Südtirol, der mit Schnee bedeckt so majestätisch über den anderen Bergen liegt. Und wir sahen auch die Straße zum Umbrailpass aus dem Val Mustair, den Frank und ich vor zwei Jahren einmal gefahren waren. Auch konnten wir den Weg aus dem Val Mustair zum Döss Radond erahnen, den wir seinerzeit mit Holger Schaarschmidt auch bei heißen Temperaturen erklommen hatten. So beeindruckte mich die Erinnerung, aber auch die Gegenwart.

Hier die für mich unbeschreiblich schöne Natur. Doch auch dieser Eindruck hatte irgendwann ein Ende, denn es ging über eine lange Abfahrt in Richtung Ofenpass, die angesichts von teils rutschigem Schotter oftmals volle Konzentration erforderte. Die letzten Meter zum Ofenpass erforderten nicht viel Konzentration oder Kraft. Sozusagen Business as usual. Lediglich die unfreundlichen E-Biker, die uns in einer Kolonne recht eng überholten und dabei noch nicht einmal grüßten (OK, der Vorletzte von denen tat es) waren nicht business as usual. Oder sie waren es, und ich muss mich an solche Unfreundlichkeit gewöhnen. Ähnliches hatten wir jas chon am Marienbergjoch erlebt.

Am Ofenpass selber war die kleine Flasche amerikanisches Sodagetränk billiger: 4,20 Euro. Bei dem Schnäppchen haben wir dann gleich doppelt zugegriffen, unsere vorher in Scoul gekauften Vinschgerl gegessen um gegen 12 Uhr und ein paar Minuten später auf einem schönen Singletrail zur Buffalora Alpe zu fahren, wo uns wieder ein knackiger Anstieg erwartete. Schieben war angesagt, aber das gehört ja zum Mountainbiken dazu. Das ist sicher keine Schwäche, sondern kann auch Taktik sein. Denn nach dem Anstieg ging es über das Val Mora, und wir konnten die Hochebene ausgiebig genießen. Nachdem uns ein VW Amarok überholt hatte, war bis zum Livigno-Stausee keine Menschenseele mehr zu sehen. Ach halt, uns kamen zwei Mountainbiker entgegen.

Auf dem Schotterweg, der uns in ca. 80 Meter Höhe am Livigno-Stausee in Richtung Lago die San Giacomo und somit aus der kostenintensiven Schweiz wieder nach Italien brachte passierte es: Der Weg war weg. Ein Steinrutsch verschüttete offensichtlich den Weg. Nun war ein Steilhang von ca. 60 Grad vor uns, und wir mussten diesen über eine Länge von ca. 3 Metern überwinden. Unter uns geschätzte 80 Meter 60 Grad abgängige Schotterwüste, die in den Livigno Stausee führte. Stück für Stück arbeitete ich mich vor. Keine richtige Stufe, auf der man stehen konnte. Mein Herz schlug, ich beruhigte mich immer wieder, aber die Gefahr des Abrutschens war durchaus gegeben. Nach einigen Minuten war ich drüben. Nun war Frank dran. Auch er bemühte sich redlich, nutzte jedoch eine andere Taktik als ich. Hierbei half ich ihm auch und auch er hatte es letztlich natürlich geschafft, dieses Hindernis zu überbrücken. Eine oberflächliche Abschürfung an meinem rechten Unterarm war das Ergebnis. Aber das ist Kleinkram, verglichen mit der Gefahr, die wir beide wahrgenommen hatten.

So ging es recht zügig weiter in Richtung Lago di San Giacomo bzw. Lago di Cancano. Der Rest unserer beiden Vinschgerl wurde gegessen und gegen 15:00 Uhr waren wir amFuße des Aufstiegs zur Trela Alp. Ein widerlicher Aufstieg. Rutschig geht es auf wenigen Kilometern ca. 200-300 Höhenmeter nach oben. Ich kam heute so weit, wie noch nie beim Aufstieg. Frank zog es vor, den Weg per Pedes zu gehen. Und er sollte es nicht bereuen. Als ich auf der Alpe Trela auf ihn wartete, um die letzten Meter zum Trela Pass auf mich zu nehmen, fuhr eine nette Mountainbikerin an mir vorbei und fragte, ob ich auf meinen Kumpel warten würde. Er hätte sie mit “hochgezogen”. Sie war sichtlich beeindruckt und nachfolgend kamen wir in ein weiteres Gespräch mit ihrer Gruppe, die sie am heutigen Tag aus Santa Maria hier hoch brachte. Unsere Wege trennten sich nicht wieder, da auch diese Gruppe zum Trela Pass wollte.

Wir fuhren in etwas Abstand, trafen uns am Trela Pass wieder und fuhren uns gegenseitig überholend den feinen Singletrail 4 Kilometer bergab. Die letzte Steigung, dann noch ein Waldtrail und wir waren in Livigno. Vor 18 Uhr konnten wir unser Eis in der Lateria schleckern. Natürlich nicht alleine, denn die besagte Gruppe mit der Mountainbikerin aus Hamburg, die nun wegen der Liebe und Arbeit in Stuttgart wohnte, gesellte sich zu uns. Und so aßen wir das Eis.

Die Gruppe von Claudia kam fast gleichzeitig an und genoss ebenfalls Eis. Jedoch in einer anderen Eisdiele. Mehr gibt es über diesen Tag nicht zu berichten, außer, dass die Lateria das bessere Vanille Eis hatte, während ich das Erdbeereis in der alternativen Eisdiele doch besser fand. Aber jetzt Schluss, die vorletzte Etappe steht vor der Tür und so hieße es schlafen gehen.

Halt, da war doch was. An Schlafen war nicht zu denken. Irgendwelche Zeitgenossen im Zimmer unter uns hatten offensichtlich viel Spaß. So viel Spaß, dass einer dieser Zeitgenossen irgendwann auf dem Boden kniete, weil er sich den Bauch vor Lachen halten musste. Das blieb auch uns im Zimmer drüber nicht verborgen und irgendwann konnte ich auch nicht mehr lachen. Zu lustig waren die per WhatsApp ausgetauschten Nachrichten und das akustisch Wahrgenommene. Jörg und Marvin haben trotz der Anstrengungen der letzten Tage ihre Energie offensichtlich nicht gänzlich verbraucht und nutzten Sie zur Freude von uns allen. Ihr seid einfach klasse!!

Nun wieder einige Bilder des Tages:

Kurz vor dem Pass Costainas
Der schneebedeckte Ortler im Hintergrund sticht in der Ferne recht imposant hervor
Nach dem anstrengenden Aufstieg von der Alp Buffalora ein Blick zurück. .
Die Bergwelt hier ist wunderschön Val Mora, unser Ziel nach dem Ofenpass. Hier waren wir fast ganz alleine
Einige Kühe sahen uns ungläubig zu
Hier war der Weg durch einen Erdrutsch schwer passierbar. Gemeinsam haben Frank und ich es jedoch (bei einiger Angst angesichts des Steilen Abhanges) geschafft, die glatte Fläche zu überwinden
Der Aufstieg zur Aple Trela ist kein Zuckerschlecken