Der vierte Teil meines Sechsteilers über San Francisco wird den hässlicheren Seiten bzw. Sorgen und Nöten gewidmet. Oder eben dem genauen Gegenteil, nämlich den Seiten ohne Sorgen. Und wenn es welche sind, dann sog. erste Welt Probleme. Worum geht es dabei? Das Titelbild mit dem linksseitigen Obdachlosen und den Schlange-stehenden Fast-Food Jüngern soll es bildlich ausdrücken. Es geht eben um Gegensätze, die wir gesehen haben.
Wir sahen Menschen am Ende der Gesellschaft. Und es waren nicht wenige. Menschen, die auf der Straße lebten. Die teils mit diesem typischen drogenverursachten „Tick“ zitternd und vibrierend auf der Straße lebten. Wir sahen sie nicht nur im „Hippie-Viertel“, sondern in ganz San Francisco. Man spricht von ca. 10.000 Obdachlosen. Ob all diese durch den Konsum von bewusstseinsverändernden Substanzen an den Rand der Gesellschaft gedrängt wurden, erschließt sich mir nicht. Ich halte es aber nicht für wahrscheinlich. Für einen Teil der Obdachlosen mag das jedoch gelten. Ob teile von ihnen ggf. zu Drogen -zu denen ich in diesem Zusammenhang auch Alkohol zählen muss- geführt worden sind, weil sie auf der Straße liegen, ließe sich auch diskutieren. Denn die Spreizung der Gesellschaft, die gibt es nach meiner Einschätzung in eklatanter Ausprägung. Um auf die ganz armen zurück zu kommen: Ich fand es stets bedrückend, diese Menschen zu sehen, denen es ganz und gar nicht gut ging.
Wir fragten uns, was die Eltern wohl denken, wie sie fühlen, wenn sie wissen, dass ihr Kind auf der Straße lebt. Wir waren alle mal Kinder und haben ggf. sogar welche. Wie würde es uns als Eltern oder gar als Betroffener gehen? Quasi so zu leben, wie ein Tier. Ohne festes Dach über dem Kopf, ohne die grundlegenden Hygienemöglichkeiten. Einen interessanten Artikel, der eines der grundlegenden Probleme beschreibt und auch schon einige Jahre alt ist, habe ich hier gefunden. Diese bedauernswerten Menschen waren überall zu finden. Es war egal, ob wir in Fishermens-Wharf, Haight-Ashbury, Castro oder sonst wo waren. Natürlich auch im Stadtteil „Tenderloin“, der vor Obdachlosen, die teils in Zelten auf den Bürgersteigen wohnten, oder einfach nur auf einer Decke in der Ecke von Restauranteingängen oder auf der Straße lagen und schliefen, nur so strotzte.
Im Übrigen eine Empfehlung unseres Freundes, der als ehemaliger Polizist in San Francisco so einige Erfahrungen hat: Man sollte den Stadtteil Tenderloin meiden, da die Kriminalität einfach zu hoch ist. (Ich teile hier mal einen Link auf Youtube, welcher die Eindrücke, die wir beim Fahren durch diesen Stadtteil hatten, auch gut wiedergibt. Oder hier noch zwei bemerkenswerte Berichte 1 und 2) Kein Wunder mag man meinen. Obdachlose und die Drogen waren so allgegenwärtig, so dass die vorbei gehenden Passanten nicht einmal Kenntnis von ihnen nahmen. Ob es ihnen gut oder schlecht ging, erschien egal. Es ist eine gewisse Gewöhnung vorhanden. Ich glaube, dass man irgendwann auch „abstumpft“ und dieses Elend nicht mehr wahrnimmt. Ggf. weil eine Hilfe -trotz vieler unbestritten angebotenen staatlicher Maßnahmen- einfach nicht ankommt und effektiv ist. Sind diese Menschen komplett verloren? Ich weiss es nicht, fürchte jedoch, dass ich diese Frage tendenziell mit Ja zu beantworten habe. Eine Integration und ein Zurück in die Gesellschaft wird bei vielen wahrscheinlich leider nicht möglich sein. Und welche Maßnahmen sinnvoll sind, vermag ich gar nicht zu beurteilen. Nachdenklich hat mich aber der folgende Beitrag gestimmt: https://youtu.be/uw8MACDZ3RI.
Ich habe mir lange überlegt, ob ich Fotos, die ich von diesen „armen Kreaturen“ (ja, so möchte ich es nennen), hier hereinstellen soll. Aber ich habe mich dafür entschieden. Denn auch das gehört zu San Francisco.
Aber zu San Francisco gehört auch der Reichtum. Wohnungen mit Monatsmieten von $6000 haben wir z.B. in Castro in Immobilienaushängen gesehen. Zwei-Zimmer Apartments, die über eine Millionen Dollar kosteten, zeigen, dass auch der Wohlstand zu San Francisco gehört. Wahrscheinlich spielt hier auch die Nähe zum Silicon Valley mit seinen hochprofitablen Unternehmen wie Apple, Google, Facebook oder auch in San Francisco Salesforce eine Rolle. Wer kann sich solche Wohnungen oder auch Häuser leisten? Wir könnten es nicht. Und wohl auch niemand von unseren Freunden.
Aber es gibt sie, die Klientel, bei denen das Geld wohl in Dimensionen vorhanden ist, die ich mir schlecht vorzustellen kann. Unter anderem scheint dieses in Belvedere so zu sein. Doch was ist Belvedere? Belvedere liegt auf der anderen Seite der Bay und zwar nördlich von San Francisco. Die Einwohnerzahl beläuft sich in dieser Stadt auf ungefähr 2000. Und diese leben in ca. 1000 Häusern. Nein, wir sprechen hier nicht von normalen Häusern. Wir sprechen von Villen, die zwar von der Straßenseite nicht immer einen grandiosen Eindruck machen. Aber vom Wasser aus gesehen, also die Rückseite der Gebäude betrachtend, scheint hier Luxus pur zu sehen zu sein. Wer schlappe 5 Mio Dollar investieren mag, kann das gerne hier tun. Einfach mal auf der Webseite https://www.11crest.com/ hinein schauen. Zu teuer, nun dann ließe sich auch Belvederes Nachbarort Tiborun ein Haus mieten: https://bushellhomes.com/p?id=2764&address=Leased-Rolling-Hills-Rd-Tiburon-CA. 21.000 Dollar sollten doch übrig sein. Denn wie man sieht, ist der Blick aus den Häusern der Hammer. Entweder liegt die Skyline von San Francisco, die Golden Gate Brücke, das ehemalige „Künstlerörtchen“ Sausalito oder auch die Oakland Bay Bridge im Blick der doch sehr reichen Bewohner und Besitzer dieser Eigenheime.
Aus vertrauenswürdiger Quelle konnten wir entnehmen, dass ein Grundstückbesitzer mal schnell das Nebenhaus kaufte, damit niemand auf seinen Frühstückstisch schauen kann. Oder es kaufte jemand ein Grundstück, damit der Blick aus seinem Haus nicht verbaut werden kann. Ein weiteres Grundstück wurde seit Jahren gar nicht bebaut, weil sich der Eigentümer mit der Stadt nicht über den Baustil einigen konnte. Und das alles mutet doch eigenartig an, weil wir über Haus- und Grundstückspreisen von 5, 10, 20, 30, 40 Millionen Dollar sprechen.
Eine durch Zeitungsartikel verbriefte Geschichte soll hier noch Erwähnung finden: Ein großzügiger Ehemann kaufte sich und seiner Ehefrau chinesischer Herkunft ein Grundstück samt Haus, renovierte dieses und gab hierfür schlappe 47 Millionen Dollar aus. Nur zogen seine Frau und er niemals in das Haus ein, wie es heisst. Warum? Weil es die Hausnummer 440 gehabt haben soll. Und die 4 soll in China eine Zahl des Pechs sein. Denn die Aussprache soll auch dem Wort „Tot“ ähnlich sein.
Tja, solche Sorgen müsste man haben. Claudia und ich stellten sich die Frage, wie derartige Diskrepanzen – auf der einen Seite, so viele Obdachlose auf der anderen Seite Luxus im Überfluss – ethisch zu verantworten sind. Wir meinen eigentlich gar nicht. Haben alle wirklich Superreichen dieses Geld so verdient? Haben wir im Leben nicht alles richtig gemacht? Nein, uns geht es gut und der hier dargestellte Reichtum ist ethisch eben schwer zu argumentieren. Doch Schluss mit den Gedanken. Wir wollen die Häuser bzw. die Ausblicke sehen, die Claudia und ich in Belvedere machten.