Zeitwechsel

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Wer jetzt glaubt, dass ich hier über den Wechsel von Sommer- zu Normalzeit und umgekehrt schreibe, der hat sich geirrt. Ich verstehe die Beschwerden und Umfragen zur Zeitumstellung nicht. Denn ich gehöre zu den Befürwortern der Zeitumstellung. Erstens finde ich es gut, im Sommer nach einem langen Arbeitstag (der im Übrigen recht früh beginnt) auch noch den Abend bei Aktivitäten in der Natur oder auch auf der Terrasse zu genießen. Und da ist es sehr angenehm, wenn es Abends noch etwas länger hell ist. Zweitens mache ich schlaftechnisch jede Woche zwei Zeitumstellungen, die mir nichts ausmachen. Denn Sonnabends und Sonntags stehe ich nicht um Fünf Uhr auf, sondern tendenziell erst um Sieben Uhr.

Ich schließe nicht aus, dass der Eine oder die Andere Probleme mit der Zeitumstellung haben. Aber für knapp 1/5 der bundesdeutschen Bevölkerung ist dieses ja auch nicht so schlimm, da sie ja jährlich eine Fernreise machen (so war es zumindest im letzten Jahr vor Corona). Und da wird eine Zeitumstellung gerne in Kauf genommen. Sei es drum… Aber jetzt habe ich doch über die Zeitumstellung geschrieben, wo ich doch eigentlich mit Zeitwechsel etwas anderes beschreiben wollte. Das folgt nun:

Irgendwie war es an der Zeit, mein altes Mountainbike zu wechseln und eine neue Zeit oder gar ein neues Zeitalter (um auch Platitüden aus der Bundespolitik mal zu zitieren) zu beginnen. Mein altes Radl hat in den letzten 6 Jahren weit über 20.000 Kilometer unter die Stollen bekommen und ist somit für mich auch in die Jahre gekommen. Natürlich ist einiges nicht mehr im originalen Lieferzustand. Neue Lager, neue Bremsen, eine neue Sattelstütze, neue Laufräder, neue Reifen, neue Ritzel und Kassetten sowie neue Ketten haben über die Jahre den Weg an mein altes Rad gefunden. Der Rahmen, der Dämpfer, die Federgabel, das Schaltwerk, der Lenker und der Sattel sind jedoch noch der Originalzustand. Trotzdem habe ich mich entschieden, das Rad auszutauschen. Ich wusste ja nicht, ob und wann auch diese Komponenten den Geist aufgeben (heute weiss ich es ;-)). Und nach langem Warten und Bangen, ob ich in diesem Jahr überhaupt das Fahrrad meiner Wahl bekommen werde, steht es jetzt bei mir zu Hause. Noch “jungfräulich” oder “jungmännlich”, frisch foliert und bereit für den ersten Einsatz.

Doch zuvor wollte ich heute, am Tag der oben beschriebenen Zeitumstellung, eine letzte richtige Fahrt mit dem älteren Bike, welches mich über einige Transalpen, Bergtouren und Runden durch den Harz über Stock und Stein begleitet hat, machen. Da mir das bewusst war, habe ich nach den letzten zwei Ausfahrten auch keine gründliche Reinigung mehr vollzogen (was man durchaus an der Kette sehen kann). Und das hat mir mein altes Rad wohl übel genommen. Denn als ich heute früh meine Kette inspizierte, fiel mir doch glatt auf, dass ein Kettenglied defekt war. Es war nur noch zur Hälfte da.

Die äußere Hälfte des Kettengliedes fehlt

Sollte die fehlende Außenlasche meiner Kette, die man auch auf dem Bild oben sieht (oder besser gesagt eben nicht mehr sieht), die Rache meines Radls dafür sein, dass ich es nun nicht mehr mit auf Reisen und Mountainbikeabenteuer nehme, sondern ihm in Zukunft mehr das Rentnerdasein eines Stadtrades geben möchte? Ich weiss es nicht, aber ich musste auf jeden Fall die Kette noch vor der Abfahrt reparieren.

Gesagt – getan und so ging es mit ein bisschen Verspätung los in den Harz. Das Wetter unstabil und es war Regan angesagt. Die letzten Tage hatte es auch gut geregnet. Somit erwartete ich “schweres Geläuf”. Und es war schwerer, als ich nach einer Woche Abstinenz vom Fahrradfahren erwartet hatte. Es ging über den Nordberg zum Steinberg, weiter über den Taubenstieg auf den Margaretentrail ins Granetal. Von dort über die Oberförster Hermann Müller Hütte und den gleichnamigen Weg nach Hahnenklee. Heute war kein Getränk drin, denn wir sind noch weiter über die Grumbacher Teiche in Richtung Kellerhalsteich geradelt und wollten nicht in den angekündigten Regen kommen. Den Zankwieser Teich ließen wir rechts liegen und fuhren weiter entlang des Schalker Grabens nach Festenburg. Von hier ging es auf die letzte Steigung auf dem Goslarer Stadtweg zum Riesenbachskopf, bevor wir dann über die Waldschrathütte und Rammseck zurück nach Hause radelten. Etwas über 40 km und 700 Höhenmeter hat mein altes Fahrrad die Last meines etwas zu hohen Gewichts inkl. Rucksack über knapp 3 Stunden getragen.

Die heutige Tour

Doch am Riesenbachskopf wollte es irgendwie nicht mehr. Unter meinem Gesäß knackte es ein wenig und das Titelbild zeigt die Ursache. Die Strebe meines Sattels war gebrochen. Entweder ist es ein Fingerzeig, dass mein Gewicht doch reduziert werden muss, oder es war die zweite Rache meines alten Fahrrades am heutigen Tag. Ein Zeichen, mir noch einmal zu zeigen, dass es gar nicht “ausgemustert” werden möchte? Nun, wird es auch nicht. Es gibt einen neuen Sattel, der schon bestellt ist und das Rad wird gründlich gereinigt und inspiziert. Dann gehen wir es gemeinsam ruhiger an. Eben in der Stadt. Genau das richtige für einen Mountainbike-Senior ;-).

Was mich auf dem neuen Rad erwartet, weiß ich noch nicht. Es hat den gleichen Namen wie das Alte: Nämlich Genius. Und da habe ich doch gleich bei Wikipedia noch einmal nach der Bedeutung geschaut:

“Der Genius (Pl. Genien oder lateinisch Genii) war in der römischen Religion der persönliche Schutzgeist eines Mannes und Ausdruck seiner Persönlichkeit, seiner Schicksalsbestimmung und insbesondere seiner Zeugungskraft. Mit dem Tod des Mannes erlosch der Genius.”

Genius – Wikipedia

Na wenn das mal kein Omen ist. Wie gut, dass das alte Genius nicht verschrottet wird und somit keinen Einzug in die ewigen Jagdgründe hält und ich sogar zusätzlich ein neues Genius mein Eigen nenne. Da ist mir gar nicht bange im Bezug auf den oben erwähnten Tod. Na ja, und die Zeugungskraft, die benötige ich wohl in meinem Alter nicht mehr. Also möge das Rad doppelten Schutz vor Verletzung geben.

Trotz gleichem Namen gibt es jedoch einige Unterschiede zwischen neuem Rad (im Vordergrund auf dem folgenden Bild) und dem Rad, welches bisher so gute Dienste geleistet hat.

Der neue und alte Genius (im Hintergrund)

Aus Alu wurde Carbon (oh ja, ich habe mich dafür entschieden, obwohl ich das in der Vergangenheit immer ausschloss). Nicht, weil meine Kondition nicht mehr ausreicht (Gian und Giachen haben im sehenswerten Werbespot eben doch nicht recht: Gian und Giachen: Karbon statt Kondition! ).

Auch der Lenkwinkel ist anders. Hatte mein altes Rad noch 65°, so sind es beim neuen Rad nur 64,5°. Nun mögen 0,5° nicht der Rede wert sein. Aber er hat -neben anderen Faktoren- schon maßgeblichen Einfluss auf das Fahrverhalten. Ohne die ganze Geometrie darzustellen, will ich es kurz zusammenfassen:

Ein steilerer Lenkwinkel (wie beim alten Rad) führt zu einem handlicheren Fahrverhalten. Ein flacherer Lenkwinkel (wie also beim neuen Rad) sorgt für mehr Laufruhe – und etwas weniger handlichem Fahrverhalten. Zusätzlich soll das Risiko, dass der Fahrer “über den Lenker absteigt”, durch den flacheren Lenkwinkel verringert werden. Nun, das kann ich auch durch eine entsprechende Haltung auf dem Rad erreichen, aber ich habe so noch etwas mehr konstruktive Sicherheit. Ich bin gespannt, wie es im Gelände wird. Bei der Probefahrt war es schon etwas ungewohnt…

Die Schaltung findet ab sofort elektrisch statt. Und ich besitze nun (geht ja auch fast gar nicht mehr anders) eine 1*12 Schaltung statt der alten 2*10 Schaltung.

Die Bremsen haben 4 Kolben und nicht mehr 2. Das ist bei meinem Systemgewicht wohl auch nicht nachteilig.

Und dann ist da noch der Dämpfer, der nun nicht mehr der Umwelt und dem Dreck ausgesetzt ist, sondern im Rahmen schön verbaut ist. Für die Wartung ein Graus, aber ich finde es ganz chick. Auch wenn es fast wie ein E-Bike aussieht und mich die Wanderer nun eher schräg anschauen und wohl nicht mehr sagen “oh, der fährt noch ohne Strom”. Aber damit kann ich leben.


Der letzte Unterschied, den ich hier zeige, ist der Lenker. Mein Cockpit ist nun übersichtlicher. Die Schaltzüge verschwinden am Steuersatz und es sind auch nicht mehr so viele. Denn ersten schalte ich elektrisch über eine Funkverbindung und dann benötige ich durch das fehlende Ritzel vorne halt auch einen Seilzug weniger.

Nun erwarte ich die neue Zeit, in der ich mein neues Rad genießen werde. Die alte Zeit war aber auch wunderbar. Denn ich fahre ja nicht Mountainbike um gut auszusehen, ein tolles Fahrrad zu präsentieren und mein Ego hierdurch zu unterstützen. Sondern ich fahre aus dem einfachen Grund, weil ich in die Natur so herrlich genießen kann und sie auch immer wieder eine gewisse Bodenhaftung bringt. Und das hoffe ich natürlich auch in der neuen Zeit mit neuem Fahrrad noch lange genießen zu können.

Doch dafür muss ich wieder ein wenig trainieren, denn ich habe im Winter doch etwas Rost [Rost, der | Wortart: Substantiv, maskulin | Bedeutung bei Ullrich: Gewicht] angelegt. Und damit ist -wie meiner obigen Definition von Rost- keinesfalls meine alte oder neue Kette am Fahrrad gemeint.

Ihr werdet hier wieder lesen, auf welchen Touren mich mein Rad begleitet hat. Bis dahin halte ich es mit ABBA: So long! oder einfach Servus, Tschüss, Auf Wiedersehen, Bis dann, Tschö mit Ö.