Stress lass nach

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Heute erlaube ich mir mal über Belastungen zu schreiben. Ganz nach dem Motto „Stress lass nach“. Denn die letzten Tage hatten es so in sich, dass ich durchaus an meine Leistungsgrenze gekommen bin. Wie gut, dass ich die Mountainbike-Tour über die Alpen vor mir hatte, bei der ich andere Eindrücke gewinnen kann und dabei in der Regel auch viele Belastungen hinter mir lasse.

Doch woraus bestand meine Belastung, mein Stress, in den vergangenen Tagen? Über die Arbeit, die nach der viel zitierten Corona-Zeit immer enger mit Terminen gepackt ist, immer schneller wird und immer weniger Luft zum atmen lässt, habe ich hier nicht zu schreiben. Das unterliegt ja dann doch einer Geheimhaltung. Aber es ist kein Geheimnis, dass sich das Berufsleben in den letzten Jahren in meiner Branche (aber wohl auch in anderen Branchen) grundlegend geändert hat. Also behalten wir mal ein hektisches, durchaus belastendes Arbeitsumfeld in Erinnerung.

In diesem Jahr war jedoch mein Privatleben zusätzlich kurzfristig vor der oben zitierten Alpentour mit vielen Aktivitäten gefüllt, die im Nachhinein betrachtet doch schon für eine zeitliche und teils auch emotionale Belastung gesorgt haben. Da war zum Einen das lang geplante Konzert mit Ullrich, Rainer und Manuela, das wir anlässlich Ullrichs Lesung über die 60er Jahre spielten wollten. Und es sollte genau an dem Abend stattfinden, nach dem ich morgens um 4 Uhr in den Urlaub, besser zum Mountainbike-Guiding, in die Alpen fahren wollte. Geplant war es, 12 Lieder zu spielen und das benötigt Übung. Immerhin ist es seit 10 Jahren das erste Mal, dass ich wieder Musik zum Besten gebe.

Ich habe die Lieder (zum Leidwesen von Claudia) immer wieder gehört, damit sie im Kopf sitzen. Und nicht nur das, sondern auch dafür, dass ich teils die zweite Stimme singen kann.

In den 10 Jahren nach meinem letzten Auftritt ist so einiges passiert. Ich bin älter geworden, klar. Ich habe wenig Klavier gespielt und so doch einiges verlernt: Die Fingerfertigkeit ist nicht mehr die alte, einige Lieder und Harmoniefolgen sind nicht mehr so im Blut wie seinerzeit,… Wie dem auch sei. Es musste ja los gehen und ich wollte die alten Fähigkeiten wieder herausholen. Ich habe einige Male alleine geübt und dabei versucht, den Rost aus den Fingern versucht zu bekommen. Eben die Geschwindigkeit und Geschmeidigkeit wieder herstellen wollen. Nun, das hat nur teilweise geklappt. Was aber komplett geklappt hat, war die Freude an der Musik, die ich wieder entdeckt habe. Auch wenn der Anfang der Übungen stressig war, so wurde es zunehmend entspannter (das gilt im Übrigen auch für die 6 Übungsabende, die wir gemeinsam verbrachten. Auch sie waren für mich am Anfang noch sehr “stressig” und zunehmend lockerer, je mehr wir uns auf uns einließen und einfach spielten, wie es uns Spaß machte).

Einige Tage vor dem Auftritt wurde die Nervosität oder neudeutsch Lampenfieber doch etwas größer. Stress ist vielleicht der falsche Begriff, aber ggf. versteht das Publikum dieses Blogs, was ich damit meine. Habe ich genug geübt? Sind die Harmoniefolgen in meinem Kopf? Wird mein Gesang klappen? Wird auch die zweite Stimme bei “Liebeskummer” rund sein? Wie wird das Publikum sein? Ich glaube es war eine positive Vorspannung, die mich aber auf die ein oder andere Art belastet hat. Das wurde auch noch verstärkt, da ich die Woche vor dem Auftritt wenig Zeit hatte, um ggf. nachzuholen, was ich bis dahin nicht geschafft habe.

Am Vorabend des Auftritts war noch einmal üben mit meinen Mitmusikanten angesagt. Ich habe die Tage lange gearbeitet, denn einige Themen im Büro mussten noch weg geschafft werden. Daher bin ich recht gehetzt noch schnell um 18 Uhr zum Üben gefahren. Das Wetter sollte auch noch schlechter werden und Potz Blitz und Donner während des ersten ersten Stück des Übungsabends wurde es ungemütlich. Wir haben dann doch auf Üben verzichten wollten. Nun, das führte nicht zu weniger Lampenfieber. Denn ich hätte es gut gefunden, wären wir noch sicherer geworden…. Aber es sollte nicht sein.

Das Wetter zeigte sich in unserer Region eben nicht von seiner besten Seite. Schon am Nachmittag hatte sich die Kreisfeuerwehr entschieden, eine Technische Einsatzleitung einzurichten, weil doch die erwähnten starke Unwetter drohten. Ich war für die Nachtschicht ab 00 Uhr eingeteilt… Nun, das bekomme ich sicher mit dem Üben noch hin, dachte ich mir. Doch um 21:30 Uhr klingelte mein Telefon. Einsatz für meine Führungsgruppe der Kreisfeuerwehr sowie zwei Einsatzzüge. Wir sollten die Feuerwehr Braunschweig unterstützen. Ob da wohl mein lieber Freund Frank dahinter steckte, war mein zuerst lustig aufstrebender Gedanke. Doch nein, dort ist in der Tat so etwas wie “die Welt untergegangen”. Die Fotos und kurzen Videos, die ich bei Instagramm gesehen haben, ließen nichts gutes hoffen. Auch nicht die Einsatzzeit: Abfahrt 23 Uhr, Ankunft 24 Uhr und dann 12 Stunden im Einsatzgebiet arbeiten. Na dann mal los… Sachen packen, Oskar für den Einsatzleitwagen mitnehmen, das Treffen an der Feuerwehrtechnischen Zentrale, kurze Absprache mit den anderen Führungskräften und los ging es nach Braunschweig. Mein oben schon erwähnter Freund Frank, der in Braunschweig auch schon in seinem Beruf wirbelte, rief zwischendurch an und gab mir eine Prognose. Nun gut, wir gingen dann auch irgendwann in den Einsatz.

Wir haben am Bohlweg dann auch einige gute Erfolge erzielt, bis ich mich dann um 12 Uhr ablösen lies, da ich ja noch den Musikauftritt vor mir hatte. Mein Kamerad Ralph Brackmann ist dann alleine an der Einsatzstelle geblieben und hat meine Aufgaben gleich mit gemacht. Hierfür gebührt ihm dann doch ein herzlicher Dank.

Der Rest ist kurz erzählt: 13 Uhr Ankunft Goslar, 13:15 Uhr ins Bett, denn ich hatte bis dahin 32 Stunden nicht geschlafen. Und Aufstehen hieß es nach 3 Stunden um 16:15 Uhr. Denn wir mussten um 17 Uhr für das Konzert aufbauen. Das taten wir auch, der Soundcheck dauerte etwas länger als geplant und so waren wir 45 Minuten vor Konzertbeginn um 18:45 Uhr fertig. Nach Hause fahren lohnte nicht mehr. Und nach einem Snack mit meinen Mitmusikern und kurzweiliger Unterhaltung ging es pünktlich um 19:30 Uhr los.

Ich war total kaputt. Kein Wunder bei dem Schlafdefizit. Es gingen schon Gedanken durch den Kopf, ob ich überhaupt wach genug bin, das Konzert zu spielen. Habe ich genug Konzentration, um all die schönen Lieder, die wir uns vorgenommen hatten, zu spielen? Werde ich durch Müdigkeit nicht doch den ein oder anderen Fehler einbauen? Wer mich kennt und weiss, dass ich immer das Beste geben möchte, kann sich vorstellen, dass das doch eine Belastung war.

Pünktlich um 19:30 Uhr ging die Lesung los und um 19:45 Uhr begann dann das erste Lied: „Crocodile Rock“. Wow, das rockte und das Publikum ging schon gut mit. Die Belastung, das Lampenfieber schienen verflogen. „San Francisco“ von Scott McKenzie schloss sich an und klappte auch grandios. Je länger wir spielten, desto wacher wurde ich. Adrenalin funktioniert wohl doch (kurzfristig).

Und so brachte mich bzw. uns auch nicht aus der Ruhe, als zweimal der Strom fehlte. Ich persönlich war mittlerweile tiefenentspannt. Ich weiß nicht, wer von meinen Leserinnen und Lesern den Film Blues Brothers kennt. Dort spielen die Blues Brothers (Boys Band) in Bobs County Bunker. Und natürlich spielen sie kein Country und Western sondern guten alten Rhythm ‚n‘ Blues. Was geschieht im Film? Da wird der Strom abgestellt und die Band ist nicht mehr zu hören. Nun, gleiches ist bei uns auch passiert. Irgendjemand hat mitten im Lied den Strom ausgestellt und wir standen da, wie die Blues Brothers. Doch im Gegensatz zum Film lag es bei uns wohl nicht daran, dass unsere Musik schlecht war, sondern dass eine wohlmeinende Dame eine noch intimere Stimmung produzieren wollte. Nun gut, Strom wieder an, Mischpult durchstarten und schon ging es weiter. Auch die Feuerwehr störte uns nicht, die zu einem Großeinsatz ausrückte und auf unseren Aufnahmen gut zu hören ist.

Wir dachten, dass wir um 21 Uhr fertig sein werden mit dem Programm. Doch das Publikum forderte Zugaben. Mit diesen konnten wir unsere Zuhörer und die Zuhörerinnen beglücken und zum Mitsingen und Tanzen animieren. Nach dem letzten Lied “Let it be” konnten und mussten wir uns vom mitgerissenen Publikum verabschieden.

Stress haben wir alle. Im Arbeitsleben, in der Freizeit oder auch sonstwo. Was ich in der letzten Woche erlebt habe, war für mich dann doch etwas viel. Neben massiver beruflicher Eingespanntheit habe ich mir zusätzliche Belastungssituationen freiwillig gesucht. Und ich habe den Stress abgebaut. Wie? Das beschreibt der Artikel

Es ist letztlich 23 Uhr geworden, als ich zu Haus wieder ankam.

.Diejenigen, die sich bisher im Artikel vorgewagt haben, stellen sich die Frage: “Was hat das jetzt alles mit Stress oder eben dem ‘lass nach'”‘ zu tun?” Nun, die zeitliche Dichte der Aufgaben, der fehlende Schlaf, und der Aufgabenplan in den letzten Tagen (Neben viel Arbeit im Hauptberuf, in meiner Berufung bei der Feuerwehr noch Menschen in Braunschweig helfen und dann erstmalig nach einer gefühlten Ewigkeit wieder gute Musik abliefern) ist sicher kein Kindergeburtstag oder eine Wellnessbehandlung für mich gewesen. Es ist schon eine gewisse Belastungssituation. Das ist es doch, was man allgemein unter Stress versteht. Aber ich wollte es ja so. Also gilt es jetzt nicht zu meckern.

Kommen wir zu dem “lass nach” im Titel. Ja, die Belastung ließ nach und nach auch nach (oh, wer bildet einen Satz mit drei “nach”… – aber jetzt steht er dort und wird auch nicht mehr gelöscht). Ich war glücklich, wie die Einsatzkräfte in Braunschweig gearbeitet haben und freue mich über das Ergebnis. Das ist dann doch der Punkt, wo Stress abgebaut wird. Aber auch das Musikmachen -und das kenne ich aus meinem ganzen Leben- lässt mich Belastungen schnell vergessen.

Und hier ist es ganz besonders passiert, denn wir hatten einen tollen Auftritt und unser Publikum zufrieden gemacht. Denn das Publikum ließ sich offensichtlich mitreißen, sang mit, klatschte, tanzte sogar vereinzelt. Der Zeitungsartikel in der GZ gab die tolle Stimmung aber leider nur teilweise wieder.

Was will ich mehr als gute Stimmung und Zufriedenheit beim Publikum? NICHTS. So bin ich wirklich entspannt aus dem musikalischen Erlebnis wieder nach Hause gefahren. Der Stress ist abgefallen und ich habe sogar durch die tolle Stimmung und auch mein Klavierspielen Energie tanken können. So soll es sein!

Zusammenfassend lässt sich sagen: Ich habe durch den ungeplanten Einsatz bei der Feuerwehr und auch die letzte fehlende Übungsmöglichkeit vor dem Musikauftritt Stress gehabt. Es hat mich belastet. Aber das Ergebnis des Einsatzes in Braunschweig und auch das Ergebnis meines Beitrags zur musikalischen Lesung haben mich zufrieden, glücklich und entspannt gemacht, so dass ich für diese beiden Betrachtungsgegenstände nicht mehr sagen musste “Stress lass nach”.

Ob ich aber nach diesen vielen Aktivitäten fit genug und ausgeruht bin, um meine Alpentour zu guiden, das ist im nächsten Artikel nahzulesen…