Auch in diesem Jahr habe ich -wie im letzten Jahr und auch davor- wieder eine Mountainbikegruppe über die Alpen geführt. Sozusagen „same procedure as last year“. Doch die Eindrücke sind unterschiedlich und somit teile ich sie wiederum hier als Blogeintrag.
Wir starteten am 24. Juni und der folgende Bericht soll Eindrücke aus der Tour wiedergeben. Und wie ich schon im Artikel über nachlassenden Stress schrieb, habe ich den Abend vor meiner Anreise zur Mountainbiketour, bei der ich Gäste für ULPtours von Garmisch zum Comersee guiden sollte, zu viel gearbeitet und viel zu wenig geschlafen. Ich habe mir noch drei zusätzliche Stunden Schlaf nach unserem Konzert gegönnt. Ich bin eben nicht um vier oder fünf Uhr in die Alpen gefahren, wie das mein Standard ist, sondern erst um acht Uhr. Ich meine zwar, mit einem geringen Stresspegel losgefahren zu sein. Ob das dann wirklich so war und was ich auf der Alpentour erlebt habe, lest ihr im folgenden Artikel.
Also, es ging um 07: 51 Uhr los. Ich war nach der kurzen Nacht wach, so viel ist sicher. Denn ich habe durch Zufall noch aus dem Augenwinkel gesehen, dass ich meine Radschuhe mit den Cleats noch nicht eingepackt hatte. Glück gehabt, denn ohne Schuhe lässt sich schwer in die Pedale treten. Also wurden diese noch schnell mitgenommen. Tipp für die Leser dieser Zeilen: Checklisten haben durchaus Vorteile, wenn man sie richtig einzusetzen weiss… Es folgte der Abschiedskuss für die liebe Ehefrau, die mir so viel Arbeit die letzten Wochen abgenommen hat, und ab ging es auf die Autobahn.
Die Fahrt ging besser, als ich erwartet hatte. Ich hatte prinzipiell eine gute Fahrt. Zu Beginn auf der A36 in Richtung Bernburg war ich jedoch immer mal müde. Ich dachte dabei, dass ich nach 1,5 Stunden schon eine Pause machen müsste. Doch irgendwie steigerte sich mein Wachheitsgefühl. Durchaus auch durch die sehr zufriedenen Gedanken bei der Rückbesinnung der tollen Erfolge der letzten 24 Stunden. Ab Halle ging es dann besser und ich war richtig fit. Auch hatte ich nicht den Eindruck, dass das erste Ferienwochenende (in NRW) begonnen hatte. Die Autobahn war frei und das Wetter war (nebenbei gesagt) super . Doch kurz vor Ingolstadt hörte ich von einem langen Stau vor München. Auch mein Navi sagte, es sei besser, die verlängerte Fahrzeit durch eine Alternativroute in Kauf zu nehmen. Denn sie war immer noch kürzer als im Stau zu stehen. Also ging es runter von der Autobahn. Umfahrung in Richtung Augsburg, dann zurück nach München. Um 14:30 Uhr war ich in Garmisch. Viel später, als ich eigentlich ursprünglich wollte.
In Garmisch gab es nämlich noch einiges zu erledigen: Urkunden sowie die Feedbackbögen für die Teilnehmer aus Grainau holen. Einkaufen musste ich auch noch. Denn ich hatte noch mehr vergessen, als meine Schuhe. Das waren Stifte und Batterien für das Navi. So ist das, wenn man zwar eine Packliste hat, aber die zum Schluss aufgrund von vielen Aktivitäten (siehe Artikel zuvor) nicht noch einmal prüfen kann. Im Übrigen hat sich auf der Tour gezeigt, dass man auch ohne ganz umfassende Vorbereitung einen Alpencross fahren kann. Nur ist das nicht sicher, führt eventuell zu zusätzlichen Schmerzen und Belastungen und könnte auch zu Einschränkungen für andere führen, wenn z.B. wichtige Ausrüstungsgegenstände fehlen. Ich würde daher immer empfehlen, mich gut für eine Alpentour vorzubereiten. Und das heist trainieren, trainieren, trainieren. Genau auf die Hinweise der Anbieter hören und natürlich nichts vergessen. Denn letzteres führte ja bei mir dann in Garmisch noch zu einer gewissen Betriebssamkeit, auf die ich gerne verzichtet hätte.
Es blieb also nur noch wenig Zeit, bevor ich meine Gruppe treffen konnte. Ich stellte das Auto in Garmisch ab und fuhr noch schnell mit dem Radl nach Farchant, wo ich meine Gäste treffen sollte. Doch die sichere Aufbewahrung der Räder machte mir noch Kopfzerbrechen. Ich stellte mein Rad auf den Balkon, denn das Hotel hatte keine Garage oder einen Abstellraum. Wer hat das wohl ausgesucht? Doch unser Chef höchstpersönlich regelte noch diese Probleme im Bezug auf die sichere Aufbewahrung der Räder. Das war gelöst und nun begann die diesjährige Transalp zum Comer See.
Punkt 17 Uhr traf ich meine kleine Gruppe. Die Teilnehmerzahl war am unteren Ende der Möglichkeiten. 5 Gäste sollte ich führen. Und die Gruppe ist ganz spannend. Zwei jüngere Freunde Anfang/Mitte 30, die zum ersten Mal auf eine Transalp gehen. Und da waren auch noch zwei Freunde in meinem Alter und ein Teilnehmer aus den U.S.A, der mit einem Radler des älteren Duos verwandt war. Dieses Trio war überzeugter Wiederholungstäter. Wir stellten uns vor und ich die Tour. Irgendwie lief das so vor sich hin und ich hatte den Eindruck, dass ich nicht so konzentriert war und sich jetzt die Aktivitäten der letzten Tage rächten. Trotzdem wurde der Abend schon spannend, wenngleich ich offensichtlich auch immer noch unter einer gewissen Spannung war. Die „Belastung“ durch die Musik und den Feuerwehreinsatz (siehe Artikel) waren zwar nicht mehr ganz so präsent aber irgendwie im wohl doch noch vorhanden. Denn ich war nicht so ganz fit und bei der Sache. Und dann kamen wie vor jeder Tour die Fragen dazu: Was erwartet mich? Wie werden sich Gruppenteilnehmer in der Woche zeigen? Wie harmonieren wir miteinander? Wie harmonieren die Teilnehmer untereinander? Wie wird das Wetter?….
Fangen wir mit der Gruppe an. Ich glaubte nach der Vorstellung, dass das passt. Und ich sollte recht behalten. Was mir Sorgen machte, war die -nach eigenen Aussagen- ggf. unzureichende Vorbereitung von einzelnen Teilnehmern. Denn immerhin liegen knapp 400 Kilometer und an die achttausend Höhenmeter vor uns. Aber es machte mich auch zuversichtlich, dass genau diese Teilnehmer eine Demut vor der Tour äußerten. Und ich denke, dass ist dann doch die richtige Einstellung. Ein Kindergeburtstag ist so eine Tour eben nicht und es ist nicht selbstverständlich, nach 6 Tagen gesund, zufrieden und ohne Unfall am Comer See zu stehen. Es sei hier schon vorweg genommen, dass uns das gelungen ist.
Am Sonntag ging es los.
Am ersten Radtag machte ich wie immer einen Spaziergang durch die Gemeinde. Für mich bringt das noch eine gewisse Ruhe in den Körper und ich fahre entspannter los. Nach den letzten Tagen erschien mir das dieses Mal umso sinnvoller. Heute habe ich einen tollen Blick auf die Zugspitze geworfen, sowie mich über eine alte Wirtschaft gefreut.
„Zum Klos“ sah irgendwie lustig aus und ich hätte ihn gerne mal kennen gelernt, dachte ich mir innerlich lächelnd. Die kühle Luft beim Spaziergang durch Farchant tat sein Übriges zur guten Stimmung bei mir bei. Ich ging noch kurz in die Kirche des Ortes. Auch das mache ich häufiger bei meinen Touren. Weihrauchgeruch schwebte noch durch den Raum. Es war kühl, es war ruhig, es war einfach andächtig und trug so ebenfalls zu einer Entspannung bei. Die Fahrt kann nun kommen!
8:30 Uhr einklicken (OK, es war heute 08:35 – aber das ist auch in Ordnung; Ich will ja auch entspannt die Tour starten und in den schönen Urlaubswochen meiner Gäste nicht unnötig Stress bzw. Hektik verbreiten. Ob sich das später noch rächt, wird sich zeigen. Denn erstmal musste ich im Vergleich zu den letzten Jahren schon 45 Minuten bis Grainau in Form von elf zusätzlichen Kilometern treten. Die kommen auf die geplanten 76 km noch dazu. So sind wir fast bei 90 km. Und wir werden sogar über 90 km kommen, weil unser Hotel in Karres ist und nicht -wie geplant- in Imst. Sei es drum. Schönstes Wetter begleitete uns und der obligatorische Blick auf die Zugspitze durfte für das Startfoto nicht fehlen.
Meine Mitstreiter lieferten von Anfang an ein recht flottes Tempo für eine Light-Gruppe. Mir war das nicht ganz so recht. Denn die Anstrengung ist schwerlich sechs Tage durchzuhalten. Zumal ja bei einzelnen Teilnehmern nach eigener Aussage das Training für lange Touren komplett fehlte. So habe ich am Sonntag Vormittag mehrfach darauf hingewiesen, dass wir noch sechs Tage vor uns haben und nicht alle Körner am ersten Tag verfahren werden sollten. Aber das ist nach meiner Erfahrung ganz normal, dass man erstmal das Tempo finden muss. Was jedoch auffällig war, ist der geringe Unterschied in der Leistungsfähigkeit der älteren und jüngeren Teilnehmer. Das kannte ich bisher so nicht. Von den Fähigkeiten ist das schon eine sehr harmonische Gruppe. Und so zog sich die Gruppe auch beim ersten richtigen Anstieg vor Griesen nicht weit auseinander. Wenn man mal das späte Losfahren eines Gruppenmitgliedes durch Anpassen und Einstellen seiner GoPro nicht mit berücksichtigt 😉
Kurz nach dem ersten Anstieg war sie da: Die Kuhherde mit Kälbern. Ein gehöriger Respekt kann hier nicht schaden. So richtig durchlassen wollten sie mich bzw. uns nicht. Ich ging langsam rechts vorbei. Ich versuchte es zumindest auch mit einer ruhigen Ansprache. Es klappte nicht. Im Fußball hieß es, dass die Räume dicht gemacht worden sind. So auch bei diesen Kühen. Also versuchte ich die linke Seite. Langsam und vorsichtig, weil einige Kühe doch lautstark verkündeten, dass ihnen das nicht gefiel.
Ich erinnerte mich dabei daran, wie eine Kuh in Leogang Felix jagte. Und dieser konnte sich nur durch einen Hechtsprung über den Stacheldrahtzaun retten. Sonst wäre er Opfer des wilden Rindviechs geworden. Nun, hier war es nicht ganz so schlimm, aber der Rest der Gruppe musste auch vorsichtig vorbei. Unfälle mit Kühen passieren immer mal wieder mit durchaus schwerwiegenden Folgen. Und auch wenn es nicht so offensichtlich ist, Ruhe ist dabei wichtig, denn wir sind hier Gäste im Lebensraum der Kühe.
Es ging weiter und wir fuhren in recht hohem Tempo. Ehrlich ist es manchmal auch durch mich zu schnell vorgegeben. Ggf. liegt das an der fehlenden Ruhe und der hohen Belastung der letzten Tage bei mir. Trotz des hohen Tempos mit der dazugehörigen körperlichen Belastung empfand ich doch irgendwie eine Entschleunigung. Und zwar vom hektischen Alltag der letzten Tage und Wochen. Und so ging es auch weiter. Das erste Ziel war der Plansee, wo ein schöner Blick auf uns wartete. Die Bilder unten zeigen den Ausblick.
Über Straße und Singletrail ging es hinüber zum Heiterwanger See, wo ein anderer schöner Ausblick auf mich bzw. uns wartete. Leider kann ich hierüber kein Foto zeigen. Aber in Erinnerung ist es da.
Mit 30 Minuten Badepause sprengten wir so ein wenig unseren Tourplan. Aber es war gut und wichtig. Unseren erfahrenen Transalper war das Bad wichtig und ich genoss derweil den Ausblick. Der Badehalt sorgte auch für Entspannung in der Gruppe und gehörte einfach zum Genuss der Tour dazu. Letztlich aber führte das zusammen mit den 11 km von Farchant nach Grainau auch zu einem gewissen Zeitdruck. Denn wir mussten ja bis zum Abend nicht nur nach Imst, sondern noch hoch nach Karres, was noch einmal knapp 25 Minuten Zeit beanspruchte.
Doch wir waren ja schnell unterwegs. Parallel zur Fernpassstraße überholte ich noch drei Porsche. Wer kann das von sich schon behaupten? Nun gut, sie hatten zähfließenden Verkehr und mein Weg war frei. Trotzdem war es ein cooles Gefühl, mit dem Fahrrad schneller voran zu kommen…
Das Mittagessen im Restaurant Talblick hinter Biberwier nutzten wir zur Entspannung und genossen den Blick auf das Ehrwalder Moos und die Zugspitze. Und so dauerte auch das ein wenig länger. Mit Tiroler Gröstl, Spaghetti und Schlutzkrapfen gestärkt ging es hoch zum Fernpass. Ich vermisste Regen. Denn auf den letzten beiden Touren hat er mich immer an der gleichen Stelle erwischt. Dieses Mal kein Regen. Irgendwie ungewohnt, doch die Enttäuschung darüber hielt sich bei mir in Grenzen. Wir hätten jedoch ein wenig nasse Abkühlung gebraucht. Die Temperatur war nicht gerade niedrig. Die Sonne brannte uns auf die eingecremte Haut und erschien letztlich mörderisch.
Abkühlung schaffte auch am Nachmittag wiederum Wasser. Genau gesagt, die Kneippanlage kurz vor Imst, die wir über Nesselwang erreichten. Nicht jeder aus meiner Gruppe wollte die Anlage nutzen. Doch der Mehrheitsentscheid sagte: Abkühlung. Und das in einer tollen Anlage. Das ist mal ein Kneipp-Becken, so wunderschön gelegen und so sauber. Gar kein Vergleich mit der Anlage in der Goslarer Stadtforst. Die hat den Charme der 50er Jahre und auch das entsprechende Moos angesetzt. Hier jedoch konnten wir uns in gepflegter und moderner Umgebung um Abkühlung für unsere Beine und Arme kümmern. Schee war’s!
Nach dieser Abkühlung war ich trotz der körperlichen Anstrengung des Tages wieder ganz entspannt. Und auch der Teilnehmer, der zuerst nicht wollte, sagte später, dass dieser Aufenthalt Kraft gegeben hat. Und ich kann das bestätigen. Trotz der Hitze und der dadurch für mich hervorgerufenen Anstrengung fühlte ich mich nachfolgend wieder sauwohl. Und so ging es locker hoch nach Karres. Dort erwartete mich ein toller Geruch. Typischer Urlaubsgeruch, der nach Kühen und frisch gemähtem Gras roch. Ich berichtet darüber schon einmal an anderer Stelle.
Der Abend klang mit Schnitzel Wiener Art und vielen Fliegen aus. Nun, das gehört dann wohl doch auch noch zum Dorf mit Kühen dazu.
Der 2. Tag auf dem Weg zum Comer See…
..hat mich ein wenig in Spannung versetzt. Ich musste eine Alternativroute fahren, die mir noch nicht bekannt war. Der Grund waren die noch geschlossenen Seilbahnen in Ischgl. So konnten wir auch nicht auf dem Grenzkamm fahren um nachfolgend über Samnaun ins Unterengadin zu radeln. Ich hatte der Gruppe zwei bzw. drei Alternativen genannt. Wahrscheinlich war das zu viel und traf leider auch nicht die Erwartungshaltung von allen. Denn mit der Buchung war ja ein rundum sorglos Paket gebucht und ich konnte das gut verstehen. Also war die Erwartung, dass die Entscheidung, welche Route wir fahren, von mir kommt. Nun gut, kam sie dann ja auch. Es ist halt die Frage nach der Erwartung der Gäste. Aber so hatte ich es angeboten, mit zu entscheiden und freue mich umso mehr über das Vertrauen.
Ich entschied mich, durch das Pitztal nach Piller auf die gleichnamige Höhe zu fahren. Diese Alternativroute hatte es schon in sich. Einige Schnapper waren drin. Komoot zeigte grösser 15%. Und da kann es schon passieren, dass sich der ein oder andere Schweißtropfen bildet. Und ggf. wird ja auch mehr Energie verbrannt, als ich zu mir nehme. Mein Gewicht wird es mir danken. Aber Scherz beiseite, auch am zweiten Tat hat uns neben den besagten Schnappern wiederum die starke Hitze doch sehr angestrengt. Es ging über die Benni Reich Brücke und wir konnten von hier in das Tal hoch schauen, das vor uns lag. Mein Unwohlsein anlässlich der Tiefe unter mir hielt sich in Grenzen und ich genoss das sehr. Wenngleich natürlich meine Höhenangst immer mein Begleiter ist – so auch hier. Aber ich musste nicht die Telefonnummer 142 anrufen. Das ist offensichtlich die Telefonnummer in Österreich, die Probleme löst. Schön, dass es das gibt. Und wir haben das an mehreren Brücken gesehen. Ob man so Suizide verhindert? Ich weiß es nicht, aber zumindest ist es einen Versuch wert.
Die Probleme, die ich mit der Hitze hatte, hätte mir aber niemand unter der Telefonnummer nehmen können. Und so genoss ich freudig den Weg über die Brücke, den anschließenden Blick ins Tal und das Fahren der steilen Rampe nachfolgend.
Gegen 12 Uhr hieß es nach 3,5 Stunden dann doch mal eine Pause zu machen. Wir gönnten uns über 30 Minuten eine Entspannung bei kühlem Getränk und Cappucino.
Ist ja auch eine ne Cappuccino-Tour, wie ich mehrfach hörte. Der Auslöser schein ich gewesen zu sein, da ich über eine alte Tour sprach, bei der ich mal als Teilnehmer dabei war. Doch halt, diese schnelle Gruppe mit den gezeigten Fahrfähigkeiten ist alles andere als eine Cappucino Tour. Meinen Respekt hat die ganze Gruppe.
Nach der ersten Pause des Tages waren es nur noch 4km und ca. 260 Höhenmeter bis zum höchsten Punkt der Tour: Dem Naturparkhaus Kaunergrat. Das war ja quasi nix. Doch ich glaube, es hat auch den Letzten der Gruppe stark angestrengt. Das Tempo war naturgemäß langsamer und die uns die ganze Woche begleitenden lustigen Sprüche und Neckereien zwischen den Teilnehmern hatte hier nachgelassen. Logisch, die Sonne brannte immer noch und die Schweißdrüsen arbeiteten auch Hochtouren – die Anstrengung war eben nicht ohne. Aber wir erreichten die Piller Höhe und das Naturparkhaus Kaunergrat.
Hier wartete ein langes und entspanntes Essen auf uns, was den körperlichen Stress der Auffahrt schnell vergessen ließ. Genugtuung gab uns, dass wir nur Elektro-Mountainbikes hier oben gesehen haben. Wir waren die einzigen Bio-Biker. Und das ist doch etwas für das Ego, was Kraft bringt und stolz macht. Der Ausblick ins Inntal tat sein Übriges dazu bei
Trotz der tollen Entspannung in luftiger Höhe entschied sich die Gruppe, einen kurzen Weg nach Prutz und Ried zu fahren und nicht nochmal zurück über Landeck. Wahrscheinlich waren die ersten beiden Tage bis hier hin dann doch zu anstrengend. Zumindest in dem Tempo. Die Entscheidung sozusagen „direttissima“ zu fahren war eine gute Entscheidung. Denn alle Gäste der Tour wollten nach der Anstrengung des Vormittags (1000 Höhenmeter auf knapp 20km) doch etwas mehr Ruhe einkehren lassen. Kunde ist König, also soll es so sein. Und so ging es über schöne Wiesentrails nach Fließ und weiter runter zum Inn, wo uns ein Radweg nach Prutz brachte.
Dort saßen vor einem Cafe zwei Rennradler, von denen ich erzählen muss, weil es mich beschäftigt(e). Beide waren ganz entspannt. Wir erfuhren, dass sie seit 14 Tagen unterwegs sind. Und sie hatten einen kleinen Rucksack (mit meinem großen Rucksack gar nicht zu vergleichen) und eine kleine Satteltasche dabei. Nicht mehr und nicht weniger. Irgendwie ist das beeindruckend und passt auch zu Gesprächen, die ich mit „S.“ aus meiner Gruppe hatte, bei denen wir uns mehrfach über Nachhaltigkeit unterhalten haben. Und dabei haben wir uns auch über Verzicht und Konzentration auf das wenig Wesentliche ausgetauscht. Nun, hier bei dem netten Schweizer Pärchen sahen wir Verzicht. Es scheint es ja auch funktionieren, wenn man sich auf das Mindeste konzentriert. Ich finde den Gedanken interessant. Doch ich erfuhr auch, dass sie in sehr guten Hotels übernachteten, wo es wahrscheinlich Wäscheservice gab. Ob das dann noch nachhaltig ist, vermag ich nicht abschließend zu beurteilen. Es relativiert allerdings den Minimalismus, den wir zuerst vermuteten. Doch mir kam der Gedanke: Worauf könnte ich denn überhaupt verzichten? Wollte ich überhaupt verzichten? Darüber denke ich bei der nächsten Etappe nach. So mein Vorsatz und ich kann gleich sagen, dass das auf der ganzen Tour nicht geklappt hat 😉 mit dem Vorsatz des Nachdenkens. Aber ich bleibe dran.
Ach ja, was ich noch vergaß zu beschreiben: Wir sind am zweiten Tag im neuen Amerika vorbei gekommen und dass die Firma Google eine eigene Alm hat, war mir auch neu und überraschte mich. Genauso überrascht war ich davon, dass der Kinderwarner, den ein Goslarer Ratsherr wieder abbauen musste, in Österreich gang und gäbe ist. Verstehe einer da die Bürokraten in unserer Harzer Provinz.
Am 3.Tag wurde es nun kühler.
Ich ging kurz auf meine Morgenrunde und besuchte mal wieder – na klar- eine Kirche. Ein älterer Herr spielte erst auf einer Akkustikgittarre und nachfolgend Querflöte. Was er spielte, kann ich noch nicht einmal sagen. Aber es war sehr beruhigend und entspannend. Kein Stress und so freute ich mich auf den Tag, der aber trotzdem nicht meiner werden sollte. Meine Beine waren müde. Ich kenne das so eigentlich nicht. Auch waren meine Muskeln doch recht hart. Ob das ggf. noch Auswirkungen meiner Belastungen vor der Transalp waren? Ich weiß es nicht. Was ich aber weiß: „Wat mut, dat mut“, das sagt man ja so landläufig. Und so dachte ich positiv auch an die Ankunft in Scuol am Abend, erfreute mich gleichzeitig am Wetter und ging den Tag positiv an.
Es war schön, Temperaturen zu erleben, die kein Vergleich mit der Hitze am ersten und zweiten Tag waren. Aber es wurde auch etwas anstrengender, denn am dritten Tag wurden auch die Beine einiger Gäste schwerer. Das eine Knie schmerzte und der andere Po war wohl auch etwas wund, was große Schmerzen verursachte. Kann ich gut nachvollziehen. Das hatte ich auch schon nach langer Abstinenz aus dem Radsattel oder einem neuen Sattel. Und Knieschmerzen kenne ich von falsch eingeschraubten Cleats. Das ist keine Freude, aber hier ggf. ein Ergebnis von unzulänglicher Vorbereitung? Wie dem auch sei, es ließ sich nicht ändern und das Durchhaltevermögen war schon gut. Wir haben den Tag sehr schnell begonnen, uns kurz Altfinstermünz angeschaut um später auf die -in meinen Augen- nicht sehr abwechslungsreiche sondern eher eintönige und auch anstrengende Auffahrt nach Tschlin zu gehen. Das Mittagessen haben wir als Picinic gestaltet. Man, war das entspannend. Und so hat die halbe Gruppe die Zeit im Unterengadin genutzt, um einfach in der Natur zu relaxen. Sogar ein Grashüpfer – oder welche Kreatur das auch immer war – machte es sich auf meine Rad zur Entspannung bequem.
Nach einer kurzen Schiebepassage konnten wir weiter den Blick ins Unterengadin genießen, und durch schöne Bergwiesen radeln, bis wir an einen gesperrten Weg kamen. Mist, die Umleitung war nur für Wanderer ausgeschildert. Wir versuchten es, fuhren auch ein wenig, gingen aber auch mehrfach und kamen dann irgendwie doch unten in Ramosch an. Wie, das sei an dieser Stelle nicht verraten. Doch die Bilder teile ich gerne, die nicht nur eine wunderbare Bergwiese, sondern auch den schönen Blick ins Inntal des Unterengadin zeigen.
Ich war wirklich kaputt. Wie ich schon schrieb: Es war irgendwie nicht der Tag meiner Höchstform. Trotzdem hat er Spaß gemacht. Sehr sogar. Und das lag -wie auch schon mehrfach erlebt- an einer netten Gruppe, die ich führen durfte. Die am Sonnabend naturgemäß noch anfangs vorhandene „Verkrampftheit“ oder „Reserviertheit“ hat sich dann doch schnell gelöst.
Ich will hier durchaus erwähnen, dass die Gespräche manchmal doch eher einer Männerkultur entsprachen. So erfuhr ich, warum Viagra eigentlich eine blöde Erfindung ist. Und Frauen Gemeinsamkeiten mit Tornados haben können. Aber Scherz beiseite. Die Stimmung wurde offener und in den Gesprächen war von Gendern über amerikanischen Waffenbesitz bis hin zu Tipps für Eheverträge in dieser Truppe alles drin. Das ist es doch, was ich so mag – viele Eindrücke gewinnen. Ich bin dankbar, über das Guiden die Möglichkeit zu erhalten, mit Menschen unterschiedlicher Herkunft und Prägung sprechen zu können und meinen Horizont alleine dadurch zu erweitern. Das ist mir in dieser vergangenen Woche auch wieder gelungen. Der Dank gebührt jedem Teilnehmer der Tour. Auf „:Innen“ verzichte ich mal aus zwei Gründen. Erstens haben wir einen Outdoor Sport, der nicht „:innen“ funktioniert und weiterhin waren keine Frauen bei der Tour dabei. Wahrscheinlich zum Leidwesen des ein oder anderen. Doch jetzt schweife ich ab und wende mich dem nächsten Tag zu.
Der vierte Tag brachte Entspannung.
Und zwar für mich und das auch gleich in der Früh. Es ging rauf nach S-Charl, dem alten Bergarbeiterdorf. 700 Höhenmeter auf 14 Kilometer lagen bis dahin vor uns. Das hört sich ggf. nicht nach Entspannung an, oder? Doch das ist es klar für mich. Es war eine ruhige Fahrt im moderatem Tempo. Die Eindrücke in diesem Tal, die unsere Unbedeutendheit zeigen, beruhigen mich immer ungemein. Ich bin doch gar nicht wichtig für die Natur. Ob ich da bin oder nicht. Egal, peng. Warum nehmen wir uns manchmal so wichtig als Menschen? Nun, ich werde das nicht beantworten können. Auch nicht, warum wir wenig nahhaltig leben, wie das einer der Teilnehmer auch so treffend beschrieb (vgl. oben). Zurück ins Val S-Charl: Ich kam ganz entspannt in S-Charl an. Im Gegensatz zu einem Mitstreiter. Das Knie tut immer noch weh und der Po auch. Man, tut mir das leid. Aber ich kann es auch nicht ändern. Respekt jedoch, wie er sich da durchgebissen hat, habe ich allemal.
Auch die Weiterfahrt war schön und trotz weiterer 450 Höhenmeter für mich sehr entspannend. Das sich öffnende Tal entlang der Clemiga war für meine Teilnehmer der bisherige Höhepunkt der Reise. Ich versprach Murmeltiere. Nun, Fehlanzeige! Doch halt, was war das für ein Geräusch, dieses typische Murmeltierwarnzeichen? Klar, wenn zwei italienischen Schönheiten ihre Hunde frei laufen ließen, muss das ein armes Murmeltier in Alarmbereitschaft versetzen. So habe ich wenigstens eines gehört und eines in der Ferne gesehen. Das war kein Vergleich mit ehemaligen Touren – leider. Was wir jedoch sahen, waren viele Kühe. Inklusive der süßen Kälber. Bei dem Anblick weiß ich immer wieder, warum ich gerne auf Wiener Schnitzel verzichte.
Lustig fand ich, dass meine Teilnehmer offensichtlich von der Natur so geflashed (oder angestrengt) waren, dass sie gleich über den Costainas-Pass gefahren sind und gar nicht gemerkt haben, dass sie den höchsten Punkt des Tages erreicht haben. Ich habe noch schnell das obligatorische Gruppenfoto am Pass gemacht, wie man unten sieht. Und der Spruch „In paradis nus vaj in charrozza“ , der keine 500 Meter hinter dem Pass an einer Hütte steht, war wohl nie wahrer als heute. Übersetzt heisst das laut Internet „Ins Paradies fährt man nicht in der Kutsche“. Nein, man fährt mit dem Mountainbike dort hin. Und wir haben das an diesem Tag gemacht.
Mittagessen gab es an diesem Tag auch. Und zwar auf Alp Campatsch. Ich habe die AlpAstras links liegen gelassen, weil eben schlechte Erfahrung dort gemacht habe. Zum einen mit den Preisen, zum anderen mit der Hilfsbereitschaft und Freundlichkeit. Nun gut, da brauchen die mein Geld eben nicht. Umso mehr hat mir das oben gezeigte Hirschsalsiz an der Alp Campatch geschmeckt. Ein kurzer Schwatz mit Holger, dem Guide der Medium Tour und wir haben dank zwei Alleinunterhalter-Talenten auch bei diesem Mittag viel Freude.
An einem anderen Tisch saß ein Paar, das sich nach meiner Beobachtung fast gar nicht unterhalten hat. Und die hatte ich schon am Costainas Pass gesehen. Ich möchte hier noch eine Begebenheit mit den Beiden zum Besten geben, die sowohl „F“, als auch mich geärgert haben. Am Costainas Pass standen sie dort und bastelten irgendwie an den Fahrrädern herum. Die Frage von „F“, wie er mir nachher berichtete: „Ist irgendwas“?“ Die Antwort des Paares „Was soll sein?“ Mir erging es bei Beiden ähnlich: „„Wir brauchen keine Hilfe“ kam auf meine Frage, ob ich helfen kann. Kann man alles sagen, aber das bisschen Höflichkeit, die Antwort mit einem Danke zu versehen und somit den schon unfreundlichen Ton etwas zu entschärfen, wäre das Mindestmaß an Etikette. Hätte ich es sagen sollen? Nein, denn das hätten sie wohl nicht verstanden. Ich erlaube mir, eine Schublade zu öffnen: Woke intellektuelle Bewohner aus Berlin Mitte, die zu gut waren, um sich von uns Pöbel helfen zu lassen. Und das war jetzt ggf. unangebracht, kam mir aber in den Gedanken.
Die nachmittägliche Auffahrt zum Offenpass muss an dieser Stelle auch noch einmal erwähnt werden, weil sie symptomatisch für das ist, was ich immer wieder erlebe (vgl hier und hier). Ich habe ja nichts gegen Motorradfahrer. Ist nicht mein Ding, aber jedem das Seine. Dass Motorradfahrer jedoch mit gefühlt weniger als einem Meter Abstand an mir und der Gruppe vorbei rasten stört mich. Und noch mehr, dass die Geschwindigkeit mit geschätzt 80/90 km/h hoch war. Das hat dem Fass doch den Boden ausgedrückt. Das ist Stress für mich, weil es zum einen gefährlich ist und es mit zum Anderen ob der Ignoranz der Motorradfahrer doch sehr ärgert.
Aber da ich keine Magengeschwüre bekommen möchte, habe ich es mir angewöhnt, solche Dinge auch anzusprechen. Habe ich ja auch schon mit einem Busfahrer gemacht, der mich kurz vor dem Berninapass mal fast in die Wand gedrückt hat. Oben auf dem Pass wurden nun die Biker wie folgt von mir angesprochen „Fahrradfahrer freuen sich, wenn Motorradfahrer mehr Abstand halten würden. Radler können auch mal zur Seite ausbrechen oder vom Wind zur Seite gepustet werden“. Was war die Antwort des einen etwas adipösen grobschlächtigen Motorradfahrers?: „Wir würden uns freuen, wenn keine Fahrradfahrer auf der Straße wären“ Im Weggehen sagte der dickliche unfreundliche Zeitgenosse noch „Arschloch“ zu mir (so wurde es mir berichtet).
Nun gut, er hat sein Leben wohl mehr mit der Anhäufung von Kalorien verbracht, als mit der Entwicklung von neuronalen Verbindungen im Kopf, die für soziale Kompatibilität und für Selbstreflexion zuständig sind. Ich hoffe -nein, ich weiss-, dass die Motorradfahrer, die ich kenne und die jährliche Alpentouren machen, rücksichtsvoller sind. Wie auch immer, ich bin mein Anliegen -nämlich vernünftig zu fahren und niemanden zu gefährden- los geworden. Ich kann nichts für die dämliche Reaktion des überforderten Motorradfahrers. Schade ist es allemal, wie er reagiert hat. Hätte er mal das folgende Schild vor Livigno gesehen und verstanden.
In Livigno gehört für mich naturgemäß ein Eis dazu. Lateria di Livigno. Ich ließ die Gruppe entscheiden, ob wir die Lateria nehmen oder die andere Eisdiele. Die Entscheidung fiel auf die Lateria, bei der ich bisher immer gutes Eis bekommen habe.
Und bis zu dem Zeitpunkt war ich überzeugt, dass das auch eine gute Entscheidung war. Ich bestellte und bezahlte 3 Kugeln und sah just danach das Joghurteis con Fragola. Nur wusste ich nicht, wie es schmeckt. Joghurt ist ja nicht ganz so mein bevorzugtes Eis. Also habe ich nach einem Probierlöffel fragend die junge Dame hinter dem Tresen angesprochen. Nein, das gibt es nicht, das will der Chef nicht, hörte ich mir an. Kundenorientiertheit ist etwas anderes. Und damit ich meine Unzufriedenheit abbaue, musste hier eine Entscheidung her: Da kaufe ich kein Eis mehr. Das war es das letzte Mal, dass das Eis der Lateria Einzug in meinen Magen über meine Geschmacksnerven gefunden hat. Dann gehe ich nächstes mal zum Wettbewerb. Das mag blöd oder kleinlich klingen, ich mache das aber trotzdem so.
Zum Abschluss noch etwas über Toiletten. In Deutschland findet man häufig unansehnliche Dixie Klos oder verdreckte Klos in Innenstädten. Dass Dixi Klos auch anders aussehen können und selbst Toiletten in der Pampa nicht dreckig sein müssen, zeigen zwei Beispiele, die ich auf dem Weg nach Livigno gesehen habe.
Der vorletzte Tag
Wettervorhersagen stimmen nicht immer. Selbst wenn alle Wettermodelle sagen, es regnet morgen gegen 15 Uhr in St. Moritz, so muss das nicht stimmen. Aber Vorsicht ist die Mutter der Porzelankiste und so fuhren wir im Gedanken, Nachmittags Regen zu erleben früh aus Livigno in Richtung Oberengadiner Seen. Ich nehme es vorweg: Es regnete bis zu unserer Ankunft nicht.
Wir starteten in Richtung Forcola die Livigno, auf dem ich angesichts aufziehender Wolken und starken Winden entschied, nicht über den Bernina Trail zu fahren. Sondern ganz dem Motto „safety first“ über die Straße herunter in Richtung Tirano um wieder auf der Straße hoch zum Bernina Pass zu strampeln. Schade, ich hätte gerne den Blick auf den Bernina-Gletscher und den Piz Palü gezeigt. Denn diese Light-Gruppe hätte durchaus auf dem Trail fahren können. Es sollte nicht sein. Bevor wir jedoch zum Forcola kamen, hieß es noch einmal einige Meter im Tal hochzustrampeln. Wir waren nicht alleine und wurden von „Renn-Mountainbikern“ überholt, die uns dann auf dem Weg auch schon wieder zurück entgegen kamen.
Vom Berninapass ging es in flottem Tempo auf Singletrails über Wiesen hinunter nach Morteratsch, wo wir in der Schaukäserei unser Mittagessen einnahmen. Lecker Käse und lecker Wurst – leider auch zu einem typisch „leckeren“ schweizer Preis. Aber es hat saugut geschmeckt.
Nachfolgend fuhren einige von uns zur Zunge des gleichnamigen Gletschers. Es ist schon beeindruckend, wie sehr sich der Gletscher in den letzten 6 Jahren zurück gezogen hat. Die folgenden Fotos geben das hoffentlich wieder. Auch wenn sie nicht von der gleichen Position aufgenommen sind, so sieht man doch in der Mitte des zweiten Bildes den heutigen komplett freigelegten Felsen, der vor sechs Jahren noch von Eis umschlossen war
Es folgen noch einige Fotos, die die wunderbare Natur und auch das Weltkulturerbe Rhätische Bahn an unserem 5. Tag der Tour zeigen.
Der Himmel weint zum Abschied
So sagte es die Wettervorhersage voraus, und so kam es im Gegensatz zum Vortag auch. Wir fuhren im Regen los. Das ist schon blöd. Doch es wurde zwischenzeitig richtig trocken und sogar warm. Die Oberengadiner Seen lagen ruhig in fast völliger Windstille
In Maloja zeigte sich aber schon, was uns erwartete. Dunkle Wolken und Regen
Wir hatten Glück und sind erstmal nicht nass geworden. Wir haben wohl die reichtige Zeit für Wolkenlücken abgepasst. Auch wurde es im Bergell, in das uns die Malojapassstraße brachte, allein durch die Höhendifferenz von 430 Metern bis zur ersten Ortschaft Casachia etwas wärmer. Trotzdem lag noch das Damoklesschwert des Regens vor uns. Alle Wettermodelle bei Kachelmann zeigten Mittags/Nachmittags eben sehr starken Regen an. Und uns erwischte es zuerst kurz vor dem Mittagessen in Chiavenna. Wir hatten nur noch 500 Meter bis zum Restaurant. Dort saßen wir dann trocken unter einem Schirm und aßen unsere letzte Mittagsmalzeit auf der Tour unter einem riesigen Schirm, der uns vor den prasselnden Tropfen schützte. Wir verloren keine Zeit, aßen schnell auf und fuhren noch schneller weiter, denn nass werden wollte niemand von uns. Mit über 30 km/h radelten wir Richtung Mezzola See. Und dort zeigte sich der Himmel über dem Comer See noch dunkler.
Nun hieß es noch schneller radeln. Doch wir schafften es nicht. Der Regen erwischte uns 7 Kilometer vor Colico am Comer See. Und es schüttete aus allen Kübeln. Trotz guter Regenausstattung war ich dann doch an den Füßen richtig nass. Wassereinbruch über die Cleats. Irgendwann umfährt man die Pfützen einfach nicht mehr. Schon gar nicht, wenn man damit kämpft, schnell voran zu kommen und der starke Wind von vorne dabei ständiger Gegenspieler ist. Ich glaube aber, dass mich meine gute Regenausstattung dann doch noch sehr gut geschützt hat. Ein Tipp für alle Radler, die eine Reise in den Alpen vorhaben: Die Tipps der Tourenanbieter, was einzupacken ist, sind sehr wertvoll. Und dazu gehört auch zwingend eine Regenbekleidung dazu.
Auf den letzten Kilometern hatte sich sozusagen eine Spitzengruppe abgesetzt und war vorgefahren. Blöd nur, dass sie falsch gefahren sind. Ich rief ihnen hinterher, dass es rechts lang geht. Sie drehten um und fuhren rechts lang. Allerdings dann geradeaus und nicht links, wo der Weg zum Comer See ausgeschildert war (und wo ich auch mit einem Teilnehmer stand). Nun fuhren die 4 der Spitzengruppe den falschen Weg. Rufen half nichts, telefonieren auch – wenn auch sehr spät. So fuhren sie einen Umweg im strömenden Regen, während wir auf sie warteten. Nun gut, ich hätte an der Kreuzung warten sollen. War aber davon ausgegangen, dass sie (da sie keine 30 Meter hinter uns sein müssten) den Weg, den wir gefahren sind, sehen. Denn auf der langen Geradeausstrecke, die sie gefahren sind, war weit und breit kein Guide und auch kein Mitradler zu sehen. Lernen wir daraus, dass man nicht vor dem Guide fahren sollte, wenn man den Weg nicht kennt. Und der Guide lernt daraus, dass man doch an jeder Kreuzung warten muss, bis der nächste kommt. So hatten wir es ja auch vereinbart. Also auch mein Fehler. Wie auch sei, ist ja alles gut gegangen.
Nach der Ankunft hörte es jedoch auf zu regnen und wir konnten die letzten 5 Kilometer in unser kleines Hotel auf der Halbinsel Olgiasca auf uns nehmen. Ja, wir haben es geschafft. Trotz wundem Po des ein oder anderen Teilnehmers. Und darauf können alle wieder stolz sein. Und meine Gäste waren es auch.
Das Hotel war einfach, aber hatte gerade dadurch eine Reiz. Der Sohn und die Mutter führten das Geschäft. Ich fand beide super freundlich und hilfsbereit. Und mein Zimmer erlaubte einen freien Blick aus dem Bett auf den Comer See. Und das war wirklich schön. Nun, das Hotel hatte nicht den Luxus wie einige Hotels davor. Aber sprachen wir nicht oben im Artikel davon, was man wirklich braucht? Nach so einer Fahrt eine heiße Dusche -hatte ich. Nachts ein Dach über dem Kopf -hatte ich auch. Ein nettes kleines Frühstück – und auch das gab es am nächsten Tag mit einer Auwahl an Kuchen, die es in manchem Cafe nicht gibt.
Der Abend brachte neben einzelnen Gefühlsausbrüchen, Scherzen und schönen Gesprächen noch den Genuss des ein oder anderen Glases Wein, Bier, Aperol Spritz sowie eines hervorragenden Fischs im Restaurant Conca Azzurra.
Beendet werden sollen die hier wiedergegebenen Eindrücke, die ich auf der Fahrradreise hatte, mit einigen Fotos vom Comer See. Die Gallerie wird ein schon fast kitischiges „Werbefoto“ machen, das auch mein Arbeitgeber in Auftrag gegeben haben könnte. Italien in den 60er Jahren mit dem entsprechenden VW Bulli.
Allein diese Ausblicke am Morgen der Abreise (u.a. aus meinem Schlafzimmer) wären die ein oder andere Anstrengung der letzten Woche wert gewesen. Doch es waren viel mehr Eindrücke, die jeder von uns mit nach Hause nimmt. Hoffen wir auf ein weiteres Mal im nächsten Jahr unter dem Motto „same procedure as last year“.