Geisler (ohne) Spitzen

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Heute berichte ich für die daheim Gebliebenen von den ersten Eindrücken, die Claudia und ich in unserem Sommerurlaub in Brixen im Juli 2024 in uns aufgesogen haben. Der Titel „Einmal Geisler (ohne) Spitzen“ hört sich fast nach einem Friseurtermin an. Doch im Kontext unseres Aufenthalts im nördlichen Südtirol beschreibt dieser Titel die Bilder, die wir beim Wandern rund um die Plose aber auch im Vilnösstal unter den Geislern erblicken konnten.

Am ersten Tag unseres Urlaubes waren wir verhältnismäßig früh in Brixen, wo wir die nächste Woche verbringen wollten. Unser Zimmer war auch schon einzugsbereit. Auf Claudias Bitten -das uns angebotene Zimmer war doch arg dunkel und erinnerte eher an eine Höhle mit einer Tür auf den Balkon- konnten wir auch noch schnell das Zimmer wechseln. Also Sachen auspacken, den schönen Ausblick auf das Eisacktal genießen und schon ging es los zu einem kleinen Spaziergang auf die Plose.

Nicht viel sollte es sein, sondern nur die Beine vertreten. Denn das Autofahren mit einem Elektrofahrzeug dauert im Vergleich zu einem Verbrenner durch einige Ladestopps dann doch etwas länger und unsere Beine dürsteten nach Bewegung.

Also fix mit der Kabinenbahn hoch auf die Plose und hier sollte es ein kleiner Spaziergang auf die Rossalm sein. Nichts Wildes, sondern knapp drei Kilometer und 200 Höhenmeter. Die Plose und die umgebenden Wanderwege waren bevölkert wie die Goslarer Innenstadt an einem verkaufsoffenen Samstag nicht. Kein Wunder, fährt ja auch eine Seilbahn in die Höhe von 2000 Metern. Und wenn man die Brixenkarte hat, gibt es pro Tag sogar 2 Fahrten kostenlos.

Das Wolkenmeer war abwechslungsreich. Kein schnödes Blau, welches durch weisse Wolkentupfer akzentuiert unterbrochen wurde. Vielmehr waren in der Ferne dichtere graue Wolken am Himmel sichtbar, die -wie mit einem Lineal gezogen- waren die Geislergruppe von Sas Rigas, Wasserkofel, Mittagsspitz, Geislerspitze bis hin zu den Fermedas von deren Spitzen abtrennten. Also sozusagen die Geisler ohne Spitzen.

Über uns jedoch schien die Sonne aus vollstem blauem Himmel. Und so kamen wir auch etwas schweißig an der Rossalm an, wo wir uns mit Kaiserschmarrn stärken und die Landschaft genießen konnten.

Wir sahen Mountainbiker, die auf dem Rad eigentlich nichts zu suchen hatten. Und ich meine nicht die Downhiller, die hier im Bikepark ihren Spaß haben wollten. Ich meine eher Sonntagsfahrer und Sonntagsfahrerinnen, die den Eindruck hinterließen, dass sie die Bikes gar nicht beherrschten. Aber das kennen wir ja aus unseren vergangenen Urlauben. Auch kennen wir schon Wanderer mit Schlappen, die im alpinen Gelände genauso wenig zu suchen hatten. Wo allerdings der Wanderer war, der seinen einzelnen Flip-Flop verloren hat, das konnten wir beim besten Willen nicht herausfinden. Wahrscheinlich ist er einbeinig barfuß weiter gegangen.

Oder aber er hat seinen Schuh nur aus dem Rucksack verloren. Das erscheint logischer. Unlogisch erschien uns dann doch, warum Wanderer nicht die schöne Luft hier oben in den Bergen genießen wollten, bzw. vielmehr diese klare Luft noch mit Nikotin und Teer verfeinern wollten, bevor sie sie in ihre Lungen ließen. Denn uns machte sprachlos, dass ein italienisch sprechender Schönling im vermutlichen Alter, in der normalerweise einer Midlife-Crisis eintritt, so genussvoll an seiner Zigarette zog und die Asche auf den Boden aschte. Wohlgemerkt nicht auf den schottrigen Wanderweg, sondern vielmehr auf die Wiese, die so ganz feucht nicht aussah. Uns verschlug es die Sprache und so ist es auch verständlich, dass wir von dieser skurillen Situation nun mal kein Foto haben.

Egal, wir genossen dann doch die schöne Alpenblumenpracht, bevor sie dann noch durch ein unkontrolliertes Feuer vernichtet werden könnte ;-). Und dabei schwenkte unser Blick noch einmal in Richtung Geislerspitzen und Vilnöstal. Denn dort wollten wir am zweiten Tag eine Wanderung unternehmen.

Und so ging es am ersten Tag der Woche auch schnell in Richtung Zanser Schwaige, nachdem wir in St. Magdalena im Vilnöstal noch schnell Getränke gekauft hatten. Dann klar, wir hatten mal wieder vergessen, an unsere Flüssigkeitszufuhr zu denken. Der kleine Kaufmannsladen war ein Original. Von gängigen Lebensmitteln bis hin zu Socken war dort alles erhältlich. Fast so wie bei Ike F. Godsey bei den Waltons würde mein Freund Frank sagen. Es war wohl auch der einzige Laden im Tal und so wunderte uns das Angebot nicht. Der Käse, der Speck, die Würste in der Frischetheke, alles sah zum Reinbeißen aus.

Nun, mit Mineralwasser versorgt ging es nach Zans, wo wir den ersten Blick auf die Geislerspitzen werfen konnten. Hinter zwei Almhütten waren sie noch eher unscharf im Dunst zu sehen. Der Weg, den wir gehen wollten, sollte heute knapp 15 Kilometer lang sein und über 600 Höhenmeter zählen. Für Helge (Schneider)s Freund Reinhold (Messner), der hier im Vilnöstal seine Kindheit verbrachte, wäre das wahrscheinlich ein Spaziergang vor dem Frühstück gewesen. Für uns war es schon mit etwas Schweiß verbunden.

Denn, nachdem wir im Schatten auf einem Waldweg den ersten steileren Anstieg überwunden hatten, ging es entlang eines Wiesenweges immer näher an die Gampenalm, die unser erstes Zwischenziel sein sollte. Und hier nach einigen steilen Steigungen öffnete sich auch das Tal bzw. unser Blick. Die Formationen der Geisler war im schönsten Sonnenschein hinter tiefgrünen Bergwiesen vor weiß/blauem Himmel zu sehen. Das war unser erster Blick auf die Geislergruppe. Etwas, was ich mir schon seit Jahren vorgenommen hatte.

Von der andere Seite, aus Richtung St. Ulrich bin ich schon einmal alleine und auch später mit Claudia unter den Geislerspitzen Mountainbike gefahren. Aber die Eindrücke hier waren fast noch imposanter, als die Eindrücke, die ich von der Seceda ausgehend seinerzeit erlebt habe.

Fast imposanter heisst nicht, dass es das war. Denn die Erinnerung verblasst ja doch irgendwann. Schön waren beide Eindrücke und dazu trug auch sicher die Sonne bei, die strahlend den Tag versüßte. Claudia kämpfte sich über die Steigungen und bei mir floss der Schweiss wie in Strömen. Leider in die Augen und dort brachte er die heute durchaus notwendige Sonnencreme mit. Brennt blöd und kenne ich schon. Also nix Neues.

So ging es die letzten Meter hoch, bis wir nach knapp einer Stunde die Gampenalm erreicht hatten. Wollen wir weiter auf die Schlüterhütte, noch 40 Minuten weiter gehen? Nein, wir entschieden uns, direkt in Richtung Adolf Munkel Weg zu wandern. Eine kleine nette Kapelle säumte den Weg. Und wir lasen hier in der Kapelle von der Dame, der auf der Intensivstation eines Krankenhauses ein Medikament falsch dosiert wurde. Dieses und auch der sinkende Blutdruck und die zu geringe Sauerstoffsättigung, die dann nachfolgend zum Tod der Dame geführt haben, ist niemandem auf dieser Überwachungsstation aufgefallen. Tragisch, was wir gelesen haben. Fehler passieren, aber für den Angehörigen, der diese Zeilen dort hinterlassen hat, eine unbeschreibliche Tragödie. Ggf. hat er Halt im Glauben gefunden, denn -und das ist ja in den Alpen nicht neu- säumen Kapellen und Kruzifixe den Weg und halten den christlichen Glauben im Mittelpunkt.

Es ging nun tendenziell bergab und wir gingen entlang von Blumenmeeren, die es zu schützen gilt. Wahrscheinlich war das auch die Aufgabe des Ochsen, der wie King Louis im Dschungelbuch über sein Reich wachte.

Wieder den Blick auf die Geislerspitzen gerichtet ging es nun in Richtung Adolf-Munkel-Weg. Dieser Weg war etwas Besonderes. Ein Wurzeltrail vom Feinsten. Nicht mit dem Rad zu befahren, denn die Wurzeln wechselten sich schnell auch mit verblocktem Weg ab. In einem fast ausgetrockneten Teich war die Geislergruppe schön im Spiegel zu sehen, bevor wir dann den Abstieg in Richtung Geisleralm in Augenschein nehmen konnten.

Die Geisleralm – wer hätte das vermutet – hatte am Montag Ruhetag. Das muss man sich erstmal leisten können. Nun gut, die vielen Touristen, die wie wir noch einen schönen Blick auf die Berge werfen wollten und ggf. noch auf den schön über der Alm positionierten Holz-Relax Liegen entspannen wollten, hat es nicht gestört. Und wer dann doch Hunger hatte, der ist halt rüber zur 500 Meter entfernten Gschnagenhardt Alm gegangen. Ich kann aber sagen: Der Kaiserschmarrn war nicht in den Top 10 meiner bisherigen Schmarrn-Erfahrungen.

Zum Abschluss der Berichterstattung aus dem Vilnöss-Tal noch drei schöne Zeitgenossen, die wir auf der fünfstündigen Wanderung so nebenbei noch getroffen haben.