Gegrillt, gekrabbelt, gewünscht

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Man nehme einen halben Tag, ein Boot, ein BBQ und eine gute Portion Abenteuerlust – und man landet mitten im Urlaubsmodus deluxe. Unser maritimes Tagesgericht am ersten von drei Tagen, über die ich jetzt berichte bestand aus Sonne satt, Wind im Haar und Erlebnisse auf dem Wasser, serviert à la Washington State.

Der Morgen begann mit dem vertrauten Blick auf die majestätischen Gipfel des Olympic Nationalparks. Wetter? Postkartentauglich. Also: Sachen gepackt, Sonnencreme geschultert (Spoiler: hätte ruhig eine stärkere sein dürfen), und ab ging’s mit Brad Richtung seines Sohnes Grant. Mit dem motorisierten Biest: ein Dodge RAM 3500 – so groß und kräftig, dass das größte Auto meines Arbeitgebers wie ein Matchbox-Auto daneben stehen würde. Mit dieser Ausgeburt an Kraft zogen wir das Boot, was uns die nächsten zwei Tage begleiten wird. Im Tarnfarben-Look stand es bereit für Abenteuer und wurde von uns in Kingston bei schwindendem Wasserstand in den Puget Sound getaucht.

Los ging das Gischtgewitter! Seattle grüßte links mit der Space Needle, rechts posierten die Wolken über dem Olympic National Park, und in der Mitte flitzten wir mit kühlem Fahrtwind gen Süden. Unsere Damen wurden an Brads und Lisas Haus -unserem hiesigen Urlausdomizil- stilecht eingesammelt.

Und schon tuckerten wir Richtung Blake Island Marine Park, vorbei an Rehen, die wohl ein Strandpicknick planten.

Dann: Delphine! Richtige Delphine, das könnt ihr mir glauben. Als ob sie bestellt worden wären, planschten sie neben unserem Boot. Leider habe ich kein Bild von dieser Situation. Währenddessen präsentierte der Mount Rainier seine Vulkansilhouette wie ein VIP am Horizont.

Der Strand auf Blake Island empfing uns mit goldgetönter Vegetation, Treibholz wie aus einem Designer-Katalog für Outdoor-Deko, und Picknickplätze mit Grillambiente.

Während Brad zuerst mit Oskar den Grill anzündete und später HotDogs brutzelte,

inspizierten wir das Gelände – inklusive Hausvulkan-und Seattle Fernblick.

Oskar genoß das kühle Nass des pazifischen Wassers während Claudia und ich ein Erinnerungsfoto machten.

Und obwohl die Sonne sich sanft gab, war sie ein heimlicher Haut-Killer: Lichtschutzfaktor 30? Nice try. Mein Teint: ein Hauch von Krabbe. Aber dazu kommen wir ja morgen noch.

Aber ehrlich: das bisschen Röte war es mehr als wert. Mit Lisa, Brad, Tochter Anna-Lisa und ihren zwei Miniabenteurern verbrachten wir einen Tag wie aus dem Urlaubsbilderbuch. Und als wir mit salziger Luft im Gesicht zurückschipperten,

wurde mir klar: Ich habe nicht einmal ans Büro gedacht. Mein Hirn? Im Chill-Modus. Und morgen? Da wird gekrabbelt – und zwar nicht zurück zur Arbeit, sondern zu den Schalentieren!

Und als ich das hier jetzt so schreibe, denke ich mir, wie schön es doch die Welt mit uns meint. Ich bin irgendwie privilligiert. Ich habe eine tolle Familie, kann mir diesen Urlaub hier leisten und habe wunderbare Freunde. Ja genau auch (aber nicht nur) die, die wir hier in der ersten Woche unserer Washington-State-Tour besuchen. Und hier sitze ich nun auf dem Fußboden unseres Schlafzimmers im liebevoll dekorierten Holzhaus am Puget Sound. Vor mir, durch die offene Terrassentür, zieht eine kühle Abendbrise ins aufgeheizte Zimmer, als wolle sie sagen: „Entspann Dich – Du hast heute etwas Besonderes erlebt.“ Der Himmel glüht im Westen über dem Olympic Nationalpark, die Sonne verabschiedet sich mit einem goldfarbenen Lächeln.

Vor mir kräuselt sich das Wasser des Puget Sounds, als hätte jemand leise mit einem Pinsel darin herumgerührt.

Und während ich so das Glitzern betrachte, huscht mir ein Gedanke durch den Kopf: Forrest Gump. Ja, genau der. Der Bubba-Gump-Forrest, der einfach losgelaufen ist… und im Shrimp-Business landete. Heute fühlte sich mein Tag fast wie ein Kapitel aus seiner Geschichte an – mit Krabben statt Shrimp. Und mit einem Boot, das aussah, als käme es direkt aus einem Krisengebiet, wie das, in dem Forrest seinen Freund Bubba gerettet hat.

Brad hat uns, Lisa und Gail für sechs Stunden in diesem Boot durch den Puget Sound geschippert – in jenem Tarnfarben-Boot, das einen Passanten zu der Frage verleitet hat: „Are you a disappointed retired Navy Seal, that you coloured your boat like this?“

Ich muss gestehen: Bei dem Anblick war ich kurz bereit, mich freiwillig zur Krabbenspezialeinheit zu melden. Unsere Mission: Dungeness Crab und Rock Crab – also Felsenkrabben, die aussehen wie kleine Kampfroboter aus dem kühlen Wasser zu fischen. Claudia, Oskar und ich hatten nicht nur Spaß, sondern sogar Erfolg. Die ersten Krabben, die Oskar und ich jemals aus den Tiefen des Wassers nach oben gezogen haben, landeten schnurstracks vom Hähnchenköder direkt in unserem Boot. Es war fast zu schön, um wahr zu sein.

In Washington State darf man nur Sonntags und Montags Krabben fischen – maximal fünf Stück pro Lizenz. Keine Weibchen bitte, denn in diesem Krabbengesetz scheint es noch keine Gleichberechtigung zu geben. Und wer weis denn auch, wie sich eine männliche oder weibliche Krabbe identifiziert? Egal, jede (männliche) Krabbe muss eine Mindestgröße von 6,25 Inch haben – das sind etwa 15 Zentimeter. Und das gilt, wie ich gelernt habe, in Krabbenkreisen schon als stattlich. Die Kleinen durften wieder zurück ins große Blau. Sozusagen, die Guten ins Töpfchen, die schlechten ins …. – blaue Wasser.

Die zweite Falle war ein kleines Krabbenbuffet: Acht Gäste unterschiedlichster Größe, darunter auch ein Brocken, der locker als Hauptdarsteller eines Meeresthrillers durchgehen könnte. Unser Dinner war gesichert, unser Stolz auch.

Dann war Entspannung angesagt. Santiago, der alte Mann aus Hemingways Buch über ihn und das Meer, hätte uns wahrscheinlich anerkennend zugenickt. Wir tuckerten entlang des Port Madison, tranken Mineralwasser (Oskar hatte sich für Bier entschieden) und glitten vorbei an Häusern, die schöner waren als jeder Werbespot.

Eins davon wollten mal Brad Pitt und Angelina Jolie kaufen, so erfuhren wir.

Zum Glück blieb es beim Wunsch, denn ein Scheidungsprozess mit Immobilienbeteiligung kann schon mal in einer architektonischen Tragödie münden. Denn wer möchte schon so ein schönes Häuschen mit der Kettensäge fachmännisch in zwei Teile zerlegen?

Die Sonne meinte es gut – vielleicht zu gut. Auf dem Wasser merkt man ihre Stärke kaum, doch meine Hautärztin hätte beim Gedanken an diese UV-Strahlen vermutlich Luftsprünge gemacht. Und das nicht im positiven Sinn. Ich war diesmal eingecremt wie ein Profischwimmer, was mich vor der schimmernden Röte des Vortags bewahrte.

Nach der Krabbenpause war wieder der Arbeitsteil dran – die zweite Fangrunde stand an. Noch mehr Krabben, noch mehr Freude. Beim Blick auf den Mount Rainier im Südwesten und den Mount Baker im Nordwesten fühlten wir uns wie Gäste in einem Naturschauspiel, das jeden Eintritt wert war.

Nicht nur Claudia genoss die Fahrt, wir alle hatten einen grandiosen Tag. Und so nebenbei haben Oskar und ich von Brad auch noch gelernt, was Forrest Gump wohl gerne von seinem Freund Bubba gelernt hätte. Nämlich, wie man richtig Krabben (oder bei Forrest Shrimp) fischt.

Am Ende standen 10 Dungeness-Krabben und 8 Felsenkrabben auf dem Zähler. Das nenne ich einen Fang!

Natürlich kommt mit dem Vergnügen auch die Pflicht: Boot reinigen, Ausrüstung verstauen, leicht müde das Lächeln genießen. Und dann, zwischen Waschwasser und Sonnenrestlicht, sagte Brad etwas, das hängen blieb: Er habe 20 Jahre im Ausland gearbeitet, in Afrika, Osteuropa, Fernost – und egal wo, die Frage lautete nie „Was tut die Firma für mich?“, sondern „Was kann ich für die Firma tun?“ . In Amerika scheint das umgekehrt zu sein, bei uns vielfach leider auch. Vielleicht ist genau darin der Unterschied zwischen fehlender Demuth und Wertschätzung sowie Strebsamkeit.

Jetzt, um kurz vor elf Uhr abends, schließt sich dieser Tag wie ein gutes Kapitel aus einem Buch. Mehr gibt’s eigentlich nicht zu berichten – außer, dass mein Herz ein kleines bisschen wärmer schlägt als heute Morgen.

Killerwale, Katamarane und ein Namensbruder im Ozean, so könnte der krönende Abschluss unserer Wasser-Trilogie heissen. Denn all das sahen wir heute am dritten Tag auf dem Wasser. Diesmal aber ganz friedlich: Statt Netz und Köder hieß es heute nur noch Augen auf, Teleobjektiv raus und staunen. Mit erwartungsvoller Laune und Sonnencreme auf der Nase tuckerten wir gegen 08:15 Uhr gen Port Townsend, einer Kleinstadt mit mehr viktorianischem Charme als so manch britisches Vorstadthäuschen. Ernsthaft – wer hätte gedacht, dass man sich in den USA plötzlich wie in einem Jane-Austen-Filmkulissen-Spaziergang fühlt?

Aber unsere Mission war klar: Orcas sehen. Oder wie der Volksmund lieber sagt: Killerwale. Die Tour war gebucht – dank Lisa, deren Blick für Details diesmal etwas zu kreativ war. Port Angeles statt Port Townsend, was fast dazu führte, dass ich die Tour gestern noch kurz umbuchen musste, und sozusagen mit Rolle rückwärts den Start heute nach Port Townsend verändert habe. Aber so begann das Abenteuer schon gestern.

Nun denn, ich habe schon einige majestätische Meeresriesen gesehen: Grauwale mit eleganter Fluken-Performance, Blauwale in XXL und Buckelwale, die fast zum Spielen aufforderten. Doch niemals, wirklich niemals, habe ich die legendären Hollywood-Sprünge erlebt, die Whale-Watching-Anbieter so gerne auf ihren Flyern drucken. Heute sollte alles anders werden. Dachte ich. Wirklich fest.

Wir starteten mit unserem luxuriösen Katamaran – Sitzkomfort wie in der Business-Class, Geschwindigkeit wie ein Jet-Ski mit Manieren. Und keine halbe Stunde später ertönte aus den Lautsprechern die magische Botschaft: Orcas gesichtet! In 11 Minuten – nicht mehr, nicht weniger – würde uns eine Begegnung der schwarz-weißen Art bevorstehen. Vorfreude meets Herzklopfen. Man sieht es an Oskars Gesicht

Und da waren sie: zwei Orca-Familien! Vermutlich Transients – also die Meeressäuger-Jäger unter den Orcas. Immer wieder tauchten Rücken- und Schwanzflossen auf, zwei Meter hoch und imposant genug, dass sogar die Kamera kurz ehrfürchtig zitterte. Doch wo waren die Sprünge? Die filmreifen Showeinlagen? Fehlanzeige. Ich glaube, die Orcas wussten, dass heute keine Castingrunde war.

Wegen gesetzlicher Vorschriften – 200 bis 300 Yards Abstand, je nach Orca-Art – blieben Teleobjektive die Stars der Show.

Mein Tele war ganz OK, wenngleich ich mit etwas mehr Brennweite gewünscht hätte. Während Smartphones gegen Pixelgrütze kämpften, konnte ich immerhin ein paar brauchbare Bilder einfangen. Besonders eindrucksvoll: Unsere Wildlife-Expertin bestimmte die einzelnen Orcas anhand der Rückenflossen. Es gab sogar Familienporträts an Bord – besser dokumentiert als so manches Klassentreffen.

Nach 45 Minuten ging’s weiter gen Süden, wo uns zwei Buckelwale wie verabredet begrüßten. Ausblaspunkte, Tauchgang, Rückenflosse – alles wie nach Drehbuch. Der Clou: Einer von ihnen hieß tatsächlich Ulli. Ein Wal mit meinem Namen! Ich bin also nicht nur auf dem Wasser gereist, sondern habe auch meine aquatische Namensseele gefunden.

Zum krönenden Abschluss: Harbor Seals beim Chillen,

ein Weißkopfseeadler auf Fotodistanz

– und ein Lagerfeuer am Puget Sound bei Sonnenuntergang, das Hollywood neidisch machen könnte.

Fazit: Kein Wal-Salto, aber jede Menge Gänsehaut. Unsere „Wasser-Trilogie“ endet nicht mit einem Knall, sondern mit einem warmen Lächeln und tollen „bonding moments“ mit unseren Freunden und der Natur hier um Seattle. Übermorgen folgen wir nach einem Ruhetag dem Ruf der Wildnis – und der Aussicht auf das nächste Kapitel: Der Olympic Nationalpark fordert uns zum Wandern auf Berge und im Regenwald auf!

Bleibt dran, das Abenteuer geht weiter…