.. heisst: Wie man besser vorher denkt, bevor man den Mund aufmacht und sagt, dass man das auch nochmal macht. Denn ggf. bekommt man das, was man sich so locker wünscht. Was es mit Miriquidi und einem locker daher gesagten Satz („schaffe ich locker in 2 Tagen“) auf sich hat, davon erzählt dieser Blogeintrag (und der Nächste)
Miriquidi ist ein alter Name des Erzgebirges. Und während eines Kurzurlaubes in der Region in 2023 ließ ich mich doch in einer unbedachten Minute hinreißen, zu sagen, dass ich den Miriquidi Stoneman, eine Mountainbike-Challenge in der Region, locker innerhalb von zwei Tagen fahren werde. Gesagt getan, das nächste Geburtstagsgeschenk von Claudia war schnell gesichert und ich staunte am 25. Mai 2023 nicht schlecht. Denn ich sollte mich Ende Juni 2024 auf das Abenteuer einlassen, mit meinem Mountainbike und unserem Sohn Felix in genau zwei Tagen 162 Kilometer durch das Erzgebirge zu radeln und dabei 4400 Höhenmeter zu bewältigen. Während der folgende Film bei Youtube einen allgemeinen Eindruck vom Erzgebirge und der Tour vermitteln könnte, so werden es die nachfolgenden Zeilen und Bilder über meinen Miriquidi Stoneman aus meiner Perspektive tun.
Das Erzgebirge hat doch gewisse Ähnlichkeiten mit meiner Heimat dem Harz. Das Mittelgebirge war in der Vergangenheit bergbaulich geprägt und so zieht auch das ein oder andere Fließgewässer durch diese Montanregion. Heute lebt das Erzgebirge mit mehreren Millionen Übernachtungen pro Jahr noch vom Tourismus und wird weiterhin durch eine Grenze (in diesem Fall zu Tschechien) geteilt. Das ist auch das Schicksal des Harzes bis 1989 gewesen. Der Unterschied zu damals: Im Erzgebirge ist die Grenze nun frei durchfahrbar, teils noch nicht einmal wahrnehmbar (ich werde im Folgenden darauf zurück kommen)
In dieser Region sollte ich also nach meiner unbedachten Äußerung, dass der Miriquidi Stoneman ja locker in zwei Tagen zu fahren sei, dieses auch mit unserem Sohn Felix unter Beweis stellen und die Tour durch das Erzgebirge starten.
Das Wetter war gut, das Basislager in Oberwiesenthal eingerichtet und bei Sonnenschein ging es auf die ersten Kilometer zum Bärenstein. Bis auf die Tatsache, dass wir uns nach wenigen Kilometern das erste Mal kurz hinter dem Bahnhof Niederschlag verfahren hatten, ging es locker los. Die Beine waren munter, die Wärme jedoch schon stark, so dass wir beide schon recht aufgewärmt waren, bevor wir zum ersten Stempelpunkt „Bärenstein“ kommen sollten. Doch bevor wir den ersten Stempel in unsere Tourkarte stanzen konnten, hatte der Erfinder des Stoneman Roland Stauder die ersten 200 Höhenmeter -teils- auf Asphalt für uns parat. Die Steigung war teils weit über 10%, aber motivierende Schilder halfen uns, diese erste Anstrengung zu meistern. Das erste Loch in unserer Tourenkarte war der Lohn und Felix sowie ich freuten uns über den gelungenen Start der Tour.
Das nächste Ziel war der Pöhlberg, keine 16 Kilometer entfernt und es sollten auch noch schlappe 390 Höhenmeter zu überwinden sein. Nun, wenn das mal keine positiven Aussichten sind. Eine rasante Fahrt brachte uns erstmal knappe 500 Höhenmeter herunter an der Brettmühle vorbei und führte uns entlang des Pöhlbachs unserem nächsten Etappenziel näher. Durch den Wald, entlang von frischem Wasser pfiffen die Steine und Wurzeln des Weges wirklich rasant an uns vorbei und ein schöner Singletrail brachte uns auf einen langweilig -nach Panzerstrecke- anmutenden Betonweg. Hier ging es dann doch etwas steiler nach oben in Richtung Pöhlberg.
Das Fahrrad am Wegesrand gehörte doch nicht etwa einem Teilnehmer, der die Tour hier beendete? Wohl kaum, aber es war eine lustige Aussicht mit hohem Motivationspotenzial. Denn das benötigten wir auch, um auf dem wirklich steilen Schotterweg (den wir teilweise schiebend zu erklimmen hatten) in Richtung Pöhlberg nicht die Lust zu verlieren. Aber das zweite Loch von immerhin 9 Gipfeln in unserer Karte ließ uns dann doch Frieden mit dem anstrengenden Uphill machen.
Nun wurde der Weg etwas langweiliger. Es ging auf den nächsten 17 Kilometern und knapp 370 Höhenmetern durch Wiesen und Felder -teils wieder auf den panzerwegähnlichen Betonplatten- oder auch über Asphalt in Richtung Scheibenberg. Die Sonne mag grundsätzlich ja sehr schön sein, aber irgendwie war sie recht drückend. Und so kam die 1. Wasserstelle des Stoneman gerade recht. Die Wegweiser demotivierten erst einmal die Distanzen zu unseren weiteren Checkpunkten zeigend. Zusammengefasst war das wohl der Teil unserer Tour, die uns wohl am wenigsten Spaß machte. Weil es auch landschaftlich nicht gerade prickelnd war. Bei Felix lag es aber wohl auch zusätzlich daran, dass er zunehmend Probleme mit seiner Schaltung, seinem linken Arm und seiner Lendenwirbelsäule bekam. Die Beine wollten nicht mehr so richtig, wie es notwendig gewesen wäre. Doch Felix war zu stolz, seine Schmerzen im Rücken anzuerkennen. Und so quälte er sich auch die letzten Meter über den Wurzeltrail hoch zum Scheibenberg. Ein hölzerner Zeitzeuge mag Felix‘ Gedanken gespürt haben, zeigte mit der rechten Hand einen Vogel nach dem Motto „Was mache ich eigentlich hier“.
Nach einer kurzen Rast mit kühlen Getränken und an uns vorbeiziehendem Gewitter (lt. DWD ein sehr starkes Gewitter mit Unwetterpotenzial) ging es nun tendenziell in Richtung Süden. Cool, dass der liebe Gott sich überlegte, genau an dem Nachmittag den Wind aus südlicher Richtung wehen zu lassen. Oder besser stürmisch blasen zu lassen. Das kühlte zwar die Wärme der Sonneneinstrahlung etwas weg, führte aber zu zusätzlicher Anstrengung. Felix schien es immer schlechter zu gehen. Kein hinlängliches Gefühl beim Bremsen durch „taube Hände“, keine Kraft in den Beinen durch Schmerzen in der Wirbelsäule. Und so ging es für ihn schmerz- aber gleichzeitig „heldenhaft“ über das Unterbecken des Pumpspeicherwerks Markersbach bis zum Oberbecken desselben Bauwerks. Für Felix eine Qual, doch aufgeben war keine Option für ihn. Die Aussicht an der nächsten Stempelstelle -nämlich am o.g. Oberbecken- war auch nicht gerade motivierend. Solarpanel, soweit das Auge reichte. Hier wurde dann auch die Entscheidung getroffen, dass Felix seiner Gesundheit zuliebe die Tour abbricht. So hat das keinen Zweck. Der Körper sagt mit Schmerzen „es stimmt was nicht“ oder „heute ist nicht der richtige Tag„. Ich weiß, wie schwer Felix die Entscheidung gefallen ist, aber es war im Hinblick auf das gesundheitliche Wohlempfinden wohl die beste Entscheidung. Ob der Waldwichtel, den wir kurz darauf noch passierten, Einfluss auf die Entscheidung genommen hatte? Wir wissen es nicht.
Nun hieß es für mich ab Pöhla allein zu fahren. Denn ein netter -in diesem Fall menschlicher- Wichtel holte Felix dort ab. Für mich ging es weiter über Schotterwege, den ein oder anderen Schnapper und wieder einen etwas steileren Geröllweg im Uphill, der (wie ich vermute) durch Wassermassen so zerstört und schwer befahrbar war.
Wie dem auch sei, ich wollte mein Tagesziel den Checkpoint Rabenberg noch erreichen und quälte mich so auch diesen Weg hoch, um nachfolgend in Rittersgrün in einem netten Gartenausschank von frischem Quellwasser -und gegen eine Spende auch von kohlesäurenversetzten Getränken- eine kurze Pause zu machen. Ich reihte mich in die „Hall of Fame“ der Dankesgrüße ein. Denn die kurze Pause habe ich genossen, den Körper im Liegestuhl entspannt, noch einen Apfel zu mir genommen, um jetzt die letzten 612 Höhenmeter bis zum Trailcenter Rabenberg auf mich zu nehmen.
Hierzu ging es über die Grenze zu Tschechien. Kaum wahrnehmbar war der Grenzübertritt. Das erste Schild hätte ich wohl besser gelesen oder noch besser: Verstanden. Denn nach meiner Recherche zu Hause hieß es wohl „Radfahrer steigen von ihren Fahrrädern ab„. Nun, ich tat das nicht – wie auch, ich habe ja nichts verstanden. Und so kam ich somit das erste Mal mit den Gesetzen der Tschechischen Republik in Konflikt. Egal, keiner gesehen und ich habe auch niemandem etwas getan. Nach einigen Höhenmetern bin ich auf dem Kammweg ganz entspannt geradelt. Ein schöner Fernblick ließ mich über die Hügel des Erzgebirges blicken und ich fuhr an der St.Nepumuk Kapelle auf Halbmeile vorbei, bis mich an der Kammweg wieder über eine Grenze brachte. Dieses Mal zurück nach Deutschland. Deepl.com meint, das Schild mit roter Schrift auf weißem Grund würde sagen „Warnung! Staatsgrenzen„. Nun mag so sein. Wie unwirklich erscheint doch der Grenzübergang mitten im Wald.
Zurück in Deutschland (nach gefühlten 30 Minuten in Tschechien) brachte mich der Weg dann zu einem Trail des Trailparks Rabenberg.
Der letzte Anlieger und ich war unten im Tal. „Mist! Jetzt bin ich doch glatt an der Stempelstelle im Trailcenter vorbei geradelt„. Kein Wunder, hatte ich mich doch einmal verfahren und nur schwer den Weg zum Trail wieder gefunden. Egal, ich mache die Tour ja nicht für die Stempel, sondern für mich. Also Claudia angerufen, die in ihrer perfekten Art den Rückshuttle zum Basecamp in Oberwiesenthal organisierte. Denn hinter mir lagen heute 93 Kilometer und 1970 Höhenmeter. Das sollte langen und ich freute mich auf ein schönes Abendessen mit Claudia und natürlich auch Felix mit samt Familie.
Wie es am nächsten Tag weiter gehen (besser fahren) sollte, und dass ich doch nicht an der Stempelstelle vorbei gefahren bin, zeigt der nächste Bericht.