Finale (s und) Fazit

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Ich schrieb schon am vorletzten Tag unserer Transalp zum Gardasee, dass heute auf der finalen Etappe nur noch 74 km und 1200 Höhenmeter vor uns lagen. Letztlich sind es zwar 80,6 km und 1151 Höhenmeter geworden, aber das ist marginal. Wir sind somit etwas später los – wir haben ja Zeit.  Um 08:30 Uhr starteten wir und haben uns quasi eine Stunde eingeradelt, bis die erste Steigung kam. Bis dahin fuhren wir an Apfelplantage nach Apfelplantage vorbei.

Denn das Tal hier ist die Heimat des Golden Delicious und Red Delicious, so lasen wir im Vorbeifahren. Und es ist wohl auch die Heimat „meines“ Ortes: Lover. Na, wenn das kein Omen ist, dass dort zufällig ein Foto von mir gemacht wurde ?.

Im Ernst, wer kann sich vorstellen in einem Ort namens Lover zu wohnen? Ggf. kommen hier ja die viel zitierten „hot latino lover“ her? Unsere Scherze machend ging es beschwingt bis zur ersten Steigung weiter. Nach 15 Kilometern erreichten wir sie. Eine Individualgruppe, die auch bei ULP gebucht hatte, war vor uns. Und so gingen wir die ersten 16% Steigung an. Keine Probleme – Biobiker und E-Biker überholt. Tschakka, es läuft. Dann kam der E-Biker, der das wohl nicht auf sich sitzen lassen konnte. Er fuhr auf der zweiten Steigung des Tages problemlos an mir vorbei. Ich merkte keine Anstrengung bei ihm. Auch wenn ich weiß, dass er das ohne Schweißverlust nur durch Stromunterstützung schaffte, war es für mich irgendwie ärgerlich. Denn ich schwitzte schon sehr und der Schweiß tropfte in meine Augen. War das auch der Grund, weshalb ich mich an diesem Morgen trotz Blick auf das Navi zwei Mal verfahren habe? Nein, es war Dummheit bzw. mein Unvermögen an jenem Morgen. Irgendwie bin ich nicht konzentriert genug. Ist ja die finale Etappe und ist ja nicht anspruchsvoll – irgendwie bin ich es gedanklich mal wieder zu leicht angegangen.

Es war einfach nur ärgerlich. Aber die E-Biker und Biobiker holten wir wieder ein und haben sie an diesem Tag auch nicht mehr gesehen. Es ging weiter bergauf. 18,2% Steigung, 16%, 17% eine reine Freude.

Auch wenn ich einmal auf schottrigem Boden geschoben habe. Auch das gehört beim Biken dazu. Die Sonne brannte heute wieder. Wir spürten die Hitze und erreichten nach schöner Fahrt durch Apfelplantagen wieder eine Straße. Und wie schon erwähnt, ist die Hitze nicht mein bester Freund oder wegen mir auch nicht meine beste Freundin. Wie sich die Hitze an diesem Tag wohl identifiziert hat ;-). Durch die Hitze (aha doch „nicht beste Freundin“ 😉 ) hieß es an einer Kirche Boxenstop: Wasser über den Kopf aus dem Brunnen und es ging weiter.

Die nächste Steigung machte keine Probleme. Im Wald waren Betonplatten, wie zu DDR Zeiten am Brocken verbaut. Und bald sahen wir auch immer mehr Menschen, wie wir sie in dieser Menge seit Meran nicht mehr gesehen haben.

Klar, Andalo, dieses Kinderparadies in den Alpen, eine Art von Disneyland, wie wir es wahrgenommen haben, ist erreicht. Disneyland, das wollen wir nicht? Das hört man ja immer wieder in meiner Heimatgemeinde, wenn jemand eine gute Idee hat, die mehr als Kultur für eine Minderheit betrifft? Doch warum nicht Disneyland? Ich finde es gut, wenn Gemeinden viel für Kinder anbieten, denn diese sind unsere Zukunft. Und da können wir einiges für sie tun. Und Touristen kommen auch zuhauf, wenn Kinderangebote da sind. Das sehen wir hier in Andalo und auch auf dem nachfolgenden Trail, den wir runter zum Molvenosee fahren. Es waren wirklich viele Wanderer. Familien, junge Paare, Kinder. Die ganze Bandbreite und nicht nur die mittelalteren Personen, die i.d.R. durch meine Heimatstadt flanieren. Welches Konzept steht eigentlich bei uns zu Hause dahinter. Hier ist es mir klar… Doch zurück zur Fahrt: Die meisten Wanderer waren uns ausserordentlich freundlich gesinnt: „Bici“ – „Gracie“ – und weiter ging es. Nur ein älteres Paar wollte so gar nicht aus dem Weg gehen. Unfreundlichkeit, die uns jedoch nicht belastete. Ist ja nicht unsere Kinderstube.Genauso wenig wie die eine Dame, die kurz vor dem See linksseitig ging und ihren Hund rechtsseitig gehen ließ. Mit Leine dazwischen. Auch sie machte keine Anstalten, ihren Terrier mal an sich heran zu holen, um den Weg für andere frei zu machen. Aber das ist Kleinkram und ärgert uns wirklich nicht mehr. Das passiert ja ganz häufig auch zu Hause.

Wir waren sehr früh in Molveno. Der grüne See lag voraus.

Und die vielen Menschen, die uns seit Andalo umgaben, haben auch nicht zahlenmäßig abgenommen. Wir fühlten uns irgendwie unwohl. Doch hier wollten wir eine Pause machen. Mittagessen? Ach nee- dazu ist es ja noch zu früh. Es ist ja erst 11:30 Uhr. Bei mir fand ein Apfelstrudel und ein Getränk den Weg in den Magen bei Claudia nur ein Cappuccino und es ging weiter.

Am Westufer durchfuhren wir einen schönen Wald. Es waren auch hier viele Menschen. Alleine, zu Zweit, mit Kinderwagen,…  -überhaupt erschien uns hier alles sehr kinderfreundlich. Man könnte sagen typisch Italien. Aber auch uns gegenüber waren alle Wanderer überaus freundlich und bestaunten uns auch anlässlich des ein oder anderen Schnappers, den wir in recht hoher Geschwindigkeit überfuhren. Rampensau halt ?.

Es roch nach Eukalyptus und es lagen viele Blätter und auch Äste auf dem Boden, was uns doch wunderte. Später am Gardasee haben wir von kürzlichen Unwetter dort und auch hier gehört. Kein Wunder, dass das seine Spuren hinterlässt.

Halt, was war das für ein Schild? Man warnte vor Bären. Und das passt auch zu den Zeitungsartikeln aus dem Jahr 2020, als ein Braunbär in der Nähe von Andalo ein Pärchen angriff und maßgeblich verletzte. Oder auch dem tödlichen Angriff im nicht weit entfernten Nachbartal Val del Sole vor einigen Wochen, als ein Jogger durch einen Bären angegriffen und getötet wurde. Ein Artikel, der mir von meinem besten Freund Frank zugespielt worden ist, zeigt sogar besorgniserregendes: Bergretter retten nicht mehr Nachts wegen der Raubtiere. Es ist halt Bärenregion und das zeigen auch die Schilder im Naturpark Brenta Dolomiten, bei denen der Bär zum Logo gehört. Aber ist es sinnvoll, in einer Touristenregion? Der Bär mag hier früher heimisch gewesen sein. Aber da war die Welt ja durchaus noch anders und nicht so sehr bevölkert.

Irgendwie ist es ein komisches Gefühl. Wir sind ja teilweise auch alleine. Ganz allein im Wald. So wie gestern auf dem Weg zum und vom Gampenpass oder auch heute nachdem wir den Molvenosee verlassen haben. Irgendwie hatte ich mehrfach ein komisches Gefühl. Ich schaute links, ich schaute rechts. Irgendwie wartete ich auf einen Bären, habe aber keinen gesehen. Man will sie ja eigentlich auch nicht sehen. Auf der anderen Seite wäre es ja auch irgendwie schön, mal einen Braunbären zu sehen. Da muss man nicht nach Kanada fliegen. Irgendwie komisch die Gedanken. Aber auch ein komisches Gefühl, dass diese mächtigen Raubtiere hier um uns herum sind -bzw. sein können.

Wir sahen zum Glück nur den einen Bären. Das war die oben gezeigte Skulptur aus Holz. Wohl wissend, dass wir es bei einer richtigen Begegnung eben nicht mit einem Steiff-Tier zu tun haben, sondern mit Tieren, die uns im Hinblick auf Geschwindigkeit, Kraft, Klettervermögen um ein vielfaches überlegen sind. Es ist eben doch ein mulmiges Gefühl gewesen, wenn ich an die Raubtiere gedacht hatte.

Wir fuhren also -auch in Gedanken an die Bären- die letzten Meter am Nachmittag in Richtung Gardasee. Wir erreichten nach schönen Waldwegen, die noch einmal die letzten schönen Blicke in das tolle Tal Richtung Molveno See eröffneten. Auch nahmen wir mitten in einer Steinwüste kleine Alpenveilchen wahr. Es sind halt auch die kleinen Dinge, die uns auf unserer Tour erfreut haben.

Aber auch die großen Brenta-Berge führten bei uns zum Staunen.

Es schien so, als ob wir Schichten der Berge gesehen haben, die entweder durch Hebung oder über die Ablagerungen im Meer vor Jahrmillionen Jahren entstanden sein könnten. Das gilt es noch einmal zu recherchieren. Wir machten noch ein letztes Foto in den Bergen, bevor wir in den Ort Ranzo einfuhren.

Ranzo? Muss man das kennen? Nun, das ist ein kleines Dorf, das eigentlich nichts richtig Besonderes ist. Wenn man mal vergisst, dass es so typisch schöne alte italienische Häuser hat. Aber als ich über den Ort nachgelesen habe, lernte ich, dass das Dorf bis 1957 vom Talboden aus nur über einen drei Kilometer langen Saumpfad erreichbar war. Der hatte aber immerhin 500 Höhenmetern zu überwinden. Das führte zu einer Isolation des Dorfes, die dank des Baus der Straße beendet wurde. Auf dieser Straße fuhren wir mit immer heißer werdenden Bremsen bei bis zu 30% Gefälle gen Castel Toblino bzw. Lago di Toblino.

Auf spektakuläre Weise könnten wir noch einmal die steilen Kalksteinwände in Richtung Vezzano sehen. Viele Höhenmeter über Ranzo war noch eine Straße sichtbar. Wo die hinführte war mir nicht bewusst. Ich musste sie jedoch noch einmal von unten fotografieren.

Nun weiß ich es dank Google-Maps. Nach Margone (wer will da schon leben?) führt die Straße. Und wer sich die Mühe macht, bei Google Maps danach zu suchen, sieht, dass dort sogar Streetview verfügbar ist. Beeindruckend, wo die Datensammler aus Montain View schon alles waren. Schaut einfach mal rein.

Wir fuhren also weiter bergab und hatten vom Lago di Toblino noch 25 Kilometer bis zum Gardasee. Irgendwie war das wieder langweilig. Und es war heiß. Viele Rennradler kamen uns entgegen und hinterließen einen doch eher rücksichtslosen Eindruck. Nicht ärgern, weiter fahren…

Der Gegenwind, der vom See her wehte, machte das Fahren genauso schwer, wie die Hitze. Und – tja, nun rächte sich das fehlende Mittagessen- die fehlende Kraft. Sowohl Claudia als auch ich hatten sie einfach nicht mehr. Mit knapp 25 km/h fuhren wir in Richtung See. Eine kurze Pause an dem Bikestop „Bike & Wine“, die unserem Flüssigkeitshaushalt sehr gut tat, und es ging weiter.

Es machte aber nicht mehr so richtige Freude. Die schönsten Momente der Tour haben wir hinter uns. Der Rest jetzt ist für das Logbuch, für die Statistik, für die Vollständigkeit. Wir wollen ja zum See und müssen jetzt diese Kilometer noch über uns ergehjen lasen.

Kurz vor Arco war ich doch noch einmal beeindruckt. Da schaute ich rechtsseitig in die Berge und sah einen Bergsteiger in der Felswand. Nun, Arco ist ein Bergsteigerort, also ist das wohl nichts besonderes. Aber mich beeindruckte doch die Dimension des Berges gegen den kleinen oder die kleine Bergsteier(in). Wer findet die Sportskanone auf dem nächsten Bild?

Wir fuhren an unserem Etappenort Arco vorbei, um die letzten fünf Kilometer nach Torbole hinter uns zu bringen. Der Radweg war schön grün eingezäumt.

Wir erreichten um 15:30 Uhr den Strand. Es war für uns furchtbar. Irgendwie nichts Schönes. Kein Vergleich mit vielen kleinen und großen Eindrücken der letzten fünf Tage. Es war laut, denn natürlich waren viele Menschen dort. Es gab kaum Schatten (was uns nicht so sehr störte, da wir nicht lange bleiben wollten). Wir konnten uns auch nicht vorstellen, warum man freiwillig am Steinstrand Urlaub macht. Von uns wird das nicht bevorzugt. Und so machten wir zwei obligatorische Fotos und düsten zurück nach Arco.

Hier konnten wir noch einen schönen Blick auf die alte Burgruine werfen.

Sozusagen war das der visuelle Abschluss der Eindrücke, die wir in den letzten fünf Tagen aufgenommen haben. Denn das waren nun die letzten fünf Kilometer auf unserem Alpencross von Garmisch (bzw. Farchant) zum Gardasee (bzw. Arco).

Um 16 Uhr erreichten wir unser kleines Hotel. Wir beide waren müde, wenngleich mein dreifacher Irokesenschnitt, der durch meinen Helm verursacht wurde, doch noch den ein oder anderen Lacher bei uns heraus kitzelte.

Aber wir waren wirklich etwas kaputt. Ist das ein Kunststück? Nein, ganz und gar nicht. Revue passierend müssen wir leider feststellen, dass wir viel zu wenig getrunken hatten. Seit dem Frühstück hatten wir fast nichts gegessen und somit war die Müdigkeit durch fehlende Energie leicht erklärbar. Wie konnte mir das passieren? Nach 10 Transalpen sollte ich doch schlauer sein. Aber irgendwie haben wir das heute vergessen. Wieder einmal etwas vergessen auf dieser Tour.

Die Hitze machte uns zunehmend zu schaffen, das Hotelzimmer war heiß, doch die Dusche ließ sich sehr kalt einstellen. Das brachte wieder ein wenig Spannung in den Körper zurück. Das obligatorische Eis, das wir in Arco vor der beeindruckenden Kathedrale einnahmen, brachte zusätzlich Leben in unsere Körper zurück. Aber erst das gute Abendessen, was wirklich reichhaltig war, brachte die Energie zurück, die wir heute verbraucht hatten und vergessen hatten, während der Tour wieder aufzufüllen.

Ende gut, alles gut und so ist unsere Transalp nach 383 Kilometern, 34:41 Stunden, knapp 6000 Höhenmetern zu Ende gegangen. Ich habe während der Zeit 14602 Kalorien verbraucht, wenn ich der Firma Garmin Glauben schenken mag. Das sind immerhin 27 Tafeln Milka Alpenmilchschokolade, 65 Kugeln Eis oder auch 63 100 Gramm Portionen Kaiserschmarrn.

Was bleibt als Fazit von dieser Tour der Etappen 1, 2, 3, 4 und der oben beschriebenen 5. Etappe? Erst einmal der Dank an Claudia, die mich trotz ihrer Einschränkungen tapfer begleitet hat, mich auch an der Norbertshöhe (ihr erinnert Euch, oder lest einfach nochmal nach) toll motiviert hat und mir auch so eine tolle Zeit bereitet hat. Wir haben eine schöne Tour über die Alpen gehabt. Tolle gemeinsame Quality-Time.

Wenn es auch -so meine Vermutung unsere letzte gemeinsame Alpenüberquerung auf dem Fahrrad war. Es war am Ende doch viel. Für Claudia aus körperlichen Gründen. Für mich ggf. auch. Denn die Transalp, die ich vor zwei Wochen fuhr, der Stress vor der damaligen Tour, die eine Woche Arbeit zwischendurch ohne Pause, der schnelle Start zur Hochthörlehütte. All das hat meinen Körper doch ein wenig augelaugt. Wenn ich die Garmin-Body Battery anschaue, dann war ich häufig während der Tour im niedrigeren einstelligen Bereich. Nun gut, das sind Messwerte, die irgendein Algorithmus dann errechnet. Aber ich habe mich auch häufig nicht ganz frisch gefühlt. Wir sind immer recht schnell gefahren und waren nachmittags teils um 14/15 Uhr im Hotel. Wir sind lange Etappen gefahren, haben dabei wenig Pause gemacht. Das ein oder andere Mal zu wenig gegessen oder getrunken. Und ich weiß es besser, dass das so nicht geht. Und das ärgert mich maßlos.  Ich war einfach das ein oder andere Mal zu nachlässig. Und das zeigte sich dann nicht nur in den vergessenen Ersatzklamotten am Gampenpass, sondern generell in meiner Berücksichtigung der körperlichen Notwendigkeiten des Essens, des Trinkens und der Pausen auf diesen Touren. Ja, die Kilometer und Höhenmeter sind nicht immer so hoch, aber es ist eine Transalp an mehreren Tagen hintereinander. Und das darf nicht unterschätzt werden. Mir wird das sicher nicht mehr passieren.

Das hört sich jetzt alles ggf. negativ an. Ist es nicht. Es ist die Möglichkeit zu lernen. Für die nächste Transalp ggf. auf dieser Route? Ich weiss es nicht. Ich kenne schönere Routen. Mit weniger Asphaltanteil. Aber es waren trotzdem unterschiedlich schöne Eindrücke, die wir in uns aufgesogen hat. Und das zählt.

Aber das Wichtigste ist: Wir hatten keinen Unfall (ein einmal umgekipptes Fahrrad mit Sturz auf Ellenbogen, weil sich Claudias Regenhose im Stehen verfangen hatte) und keine Panne. Und wir hatten viel gemeinsame Zeit. Claudia und ich! Ihr habe ich angesichts der ein oder anderen Wehwechen viel abverlangt. Daher gilt ihr der Dank für ihre tolle Leistung.

Nun freue ich mich auf die Rückreise und eine Woche richtige Erholung in den Sextener Dolomiten mit Wandern und ggf. einmal Radeln? Aber auf keinen Fall exzessiv wie auf einer Transalp sondern dann wirklich entspannend.