Es ist 01:50 Uhr Mitteleuropäischer Sommerzeit. Draußen naht die Dunkelheit, ein zunehmend schwarzes Himmelsmeer über der Arktis, und unser Flugzeug zieht mehr oder minder still seine Bahn – noch 6817 Kilometer trennen uns von Frankfurt. Unter uns liegt irgendwo das kleine kanadische Städtchen Churchill, 573 Kilometer entfernt – und doch fühlt sich unser Urlaub bereits fern an, so entrückt, als säßen wir zwischen den Welten. Das ist die Zeit, innezuhalten. Zeit, zurückzublicken. Und das will ich im Folgenden tun.

Zwei Wochen liegen hinter uns – Wochen voller Eindrücke, Begegnungen, Dankbarkeit. Es war ein Urlaub, der mehr war als Erholung, mehr als bloßes Reisen. Es war ein Stück Leben. Ein stiller Schatz, den wir – Claudia, Oskar und ich – mit nach Hause nehmen. Und weil Worte manchmal helfen, das Gefühl festzuhalten, möchte ich unsere Reise noch einmal mit Euch teilen. Begleitet von Bildern – manche passend, manche vielleicht etwas aus dem Zusammenhang gefallen, aber alle getragen von einem Gedanken: „Das war unser Moment.“ Wer mag, darf mich gerne fragen, was dahinter steckt.
VORFREUDE IST DIE BESTE FREUDE
Es begann mit einem Gefühl – dieser leisen, wärmenden Aufregung, als die Entscheidung fiel: „Seattle. Wirklich.“

Seit jenem November trugen wir diese Vorfreude in uns, ein zartes inneres Flackern, das uns durch den Winter, durch dunkle Tage und durch hektische Arbeitswochen getragen hat. Und ja – mein Freund Frank hat recht: Die Vorfreude ist oft länger als der Urlaub selbst. Und vielleicht ist sie deshalb auch das Kostbarste an allem.

Aber was war es genau, was diese Vorfreude so groß machte? War es das Wissen, bald vertraute Gesichter wiederzusehen? Menschen, die längst mehr sind als Freunde – eine zweite Familie. Eine Verbindung, geboren vor 30 Jahren in Baton Rouge, gehalten durch Zeit und Raum, getragen durch das Herz. Oder war es die Sehnsucht nach Weite, nach Natur, nach dem Staunen über das, was wir noch nicht kennen – Flora, Fauna, Wildnis? Vielleicht war es auch der Wunsch nach einer Pause vom Alltag – ein Schritt weg vom Lärm der E-Mails, den endlosen Meetings, der ständigen Erreichbarkeit. Einfach atmen. Einfach da sein. Oder war es dieser stille Glücksmoment, noch einmal zu dritt unterwegs zu sein – mit unserem beinahe 27-jährigen Sohn, der uns auf dieser Reise so nah war, wie es nur echte Verbundenheit erlaubt? Ich weiß es nicht. Wahrscheinlich war es all das zusammen – mal mehr, mal weniger. Ein Mosaik aus Erwartung, Erinnerung und Hoffnung.
Bis zum Abflug war alles noch hektisch. Die Koffer packten sich nicht von selbst, mein Computer streikte, ich hetzte zum Austausch nach Hannover. Und dennoch: In dem Moment, als wir in Frankfurt den Airbus A350 der Lufthansa betraten, begann der eigentliche Urlaub.

Das Dröhnen der Triebwerke war wie ein Gong, der all das abfallen ließ, was Wochen zuvor auf meinen Schultern lag. Und trotz meiner Flugunruhe – andere nennen es Flugangst – war ich ruhig. Ganz ruhig. Weil ich wusste: Jetzt beginnt etwas Schönes.


WENN DIENSTLEISTUNG MENSCHLICH WIRD
Manchmal sind es die Begegnungen, die uns überraschen. Die kleinen Gesten, der Tonfall einer Stimme, das ehrliche Lächeln eines Menschen, der seine Arbeit nicht einfach tut – sondern lebt. Als wir an Bord der Lufthansa gingen, war es Michel, der uns begrüßte. Freundlich, warm, mit diesem feinen Humor, der sofort die Anspannung bricht. „Sie lächeln ja so schön! Ich bin France-Chantal, und ich werde in den nächsten Stunden für Ihr Wohlbefinden sorgen“, hörten wir kurz darauf. Worte, wie aus einem Werbespot – nur, dass sie diesmal nicht leer waren, sondern echt. Claudia und ich schauten uns an – irgendwie sprachlos vor Freude. Es war, als hätten wir nicht nur einen Sitzplatz im Flugzeug gebucht, sondern ein Stück Menschlichkeit. Und was wir während des gesamten Fluges erlebten, war nicht bloß ein Serviceversprechen. Es war eine Art stiller Pakt: „Wir sehen euch. Ihr seid willkommen.“
Ich bin viel geflogen. Und ja, ich habe gute Erfahrungen gemacht – auf fast allen Kontinenten. Doch dieser Flug war besonders. Vielleicht, weil ich ihn in einem Moment erlebte, in dem ich selbst so auf Empfang geschaltet war. Vielleicht aber auch, weil France-Chantal und Michel einfach zwei Menschen waren, die den Unterschied machten. Und ja – ich werde ihrem Arbeitgeber schreiben. Weil Lob genauso laut sein darf wie Kritik. Vielleicht sogar lauter.
Die Geschichten über die Einreise in die USA füllen ganze Foren. Von misstrauischen Blicken ist da die Rede, von Verhaftungen und Abschiebehaft. Von belehrenden Tonfällen und fragwürdigen Fragen. Auch ich hatte mich innerlich auf eine gewisse Kühle eingestellt. Umso mehr rührte mich das, was wir erlebten. Deutschland, ja, da war ich schon mal. Schön dort. Klar- Oktoberfest war das Thema und unserem Beamten wurde wohl ganz schön eingeschenkt. Nach dem Smalltalk sagte er noch „Bainbridge Island – wow, that is a nice area. Have a wonderful time“, während er noch unsere Pässe prüfte. Kein Verhör. Kein Stirnrunzeln. Nur Freundlichkeit. Ein Satz wie ein Händedruck. Und vielleicht ist das genau der Moment, in dem man spürt: Willkommen zu sein ist keine Formalität. Es ist ein Gefühl. Ich sage nicht, dass unsere Erfahrung die Regel ist. Aber sie war unsere – und sie war gut.

Manchmal sind es nicht die großen Dramen, sondern die kleinen Störungen, die an den Nerven zerren. Unser gebuchter SUV – groß, geräumig, reisetauglich – war bei der Mietwagenstation plötzlich ein Volkswagen Taigo. Ein freundliches kleines Auto, sicher. Aber eben kein Raumwunder für drei Menschen mit Gepäck und Roadtrip im Herzen. Wir packten irgendwie. Nicht gut. Aber es ging. Und doch ließ mich der Ärger nicht los. Zwei E-Mails an den Anbieter. Keine Antwort. Eine dritte – und endlich ein Echo. Katja, eine Mitarbeiterin von National, meldete sich. Freundlich. Ehrlich. Hilfsbereit. Und plötzlich wurde aus Frust ein telefonischer Dialog. Aus einem „System“ wurde ein Mensch. Wir durften das Auto tauschen. Und was uns dann am Flughafen erwartete, ließ uns kurz sprachlos werden: Ein Jeep Grand Wagoneer. Riesig. Massiv. Und – ja, ein bisschen überdimensioniert. Aber auch ein Zeichen. Ein Zeichen, dass unser Ärger gesehen worden war. Dass man uns nicht nur eine Antwort, sondern eine Lösung geben wollte.


Wie oft erleben wir das? Dass Menschen nicht nach Schema F handeln, sondern hinhören? Dass sie Verantwortung übernehmen und handeln? Es war mehr als nur ein Mietwagen. Es war ein Moment, in dem das Vertrauen zurückkam – in einen Service, der eben nicht Wüste, sondern Oase sein kann.
Natürlich gab es auch Schatten. Ein Abendessen am Lake Crescent – unfreundlich, distanziert, ein Kontrast zum Rest. Aber es blieb die Ausnahme. Denn überall sonst begegneten uns Menschen mit einer Freundlichkeit, die nicht aufgesetzt war. Ob im Supermarkt, im Motel, im Café oder im Nationalpark – es war, als hätte das Land beschlossen, uns ein Stück seiner Wärme zu schenken. Und vielleicht haben wir genau das mitgenommen – mehr noch als Andenken oder Fotos: Das stille Staunen darüber, wie viel ein Lächeln bewirken kann. Und wie sehr man selbst durch Freundlichkeit wächst. Vielleicht, weil es einen an das erinnert, was auch in einem selbst wohnt.
NATUR: SCHÖNHEIT, WILD UND DOCH EIN STILLER STICH INS HERZ
Wenn ich die Augen schließe, sehe ich sie wieder vor mir: Die spiegelnden Wasser rund um Seattle, durchzogen vom Boot, das Brad steuerte, während Lisa und wir die Sonne genossen. Der Mount Rainier, wie ein Riese aus einer anderen Welt, ragte in der Ferne auf – stolz, still, unerschütterlich. Seine schneebedeckte Kuppel wirkte wie ein Mahnmal der Zeit, und ich spürte: Wir sind Gäste. Flüchtige Besucher auf einer Erde, die uns weder braucht noch auf uns wartet. Diese Momente der Ehrfurcht – sie kamen immer wieder. In den Wäldern. An den Küsten. In den stillen Augenblicken zwischen zwei Atemzügen.



Und dann war da dieser eine Moment. Ganz unscheinbar. Ganz leise. Beim Krabbenfischen.
Was für ein Spaß es war, gemeinsam mit Oskar und Brad die Fallen zu heben, das Wasser zu riechen, das Leben zu fühlen. Und doch: Als wir die Tiere später verspeisten – gekocht, gegart, serviert – spürte ich einen Kloß im Hals. Da lagen sie vor uns. Diese kleinen Wesen, die wir aus der Tiefe geholt hatten. Zwei Tage lebten sie in einem Unterwassergefäß, ehe sie den Weg in kochendes Wasser fanden. Ich bin kein Vegetarier. Und ich weiß, dass Natur auch bedeutet, dass gefressen wird – vom Menschen wie vom Tier. Aber dieser Moment war anders. Näher. Reeller. Roher. Vielleicht, weil es keine Verpackung und keine sterile Supermarkttheke dazwischen gab. Nur wir und sie. Und eine Entscheidung.

In der zweiten Woche zog es uns in den Olympic Nationalpark. Eine Welt wie aus einem alten Märchenbuch – voller Moos, Stille, Wind und dem Gefühl, dass hinter jedem Baum etwas wartet.







Und obwohl ich die Wanderungen genoss – den Duft der Nadelbäume, das Knacken unter den Sohlen, Oskars ruhiges Staunen, Claudias Lachen – war da auch eine unterschwellige Spannung. Eine Ahnung. Eine Sorge: Cougars (also Pumas oder auch Berglöwen), so erzählte uns Grant, leben überall in dieser Region und in großer Menge. Sie sind scheu, meiden den Menschen. Und doch geschieht es, selten, aber real, dass sie sich in einen Menschen verschauen. Fünf Tage, nachdem wir eine Route gewandert waren, kam die Nachricht: Ein Kind wurde angegriffen. Genau dort, wo wir kürzlich waren, von genau so einem Tier.


Mir wurde kalt. Im Nachhinein. Ich erinnerte mich an das unwohle Gefühl, das ich bei einigen Abschnitten hatte. Und auf einmal war es mehr als nur ein Gedanke – es war Wirklichkeit.
Wir Menschen, so zivilisiert wir uns fühlen mögen, betreten mit jedem Schritt in diese Natur das Zuhause anderer Wesen. Und wir vergessen so leicht, dass wir dort nicht Herrscher sind, sondern Gäste.
Der Cougar wurde erschossen. Wahrscheinlich war es notwendig. Aber etwas in mir wehrte sich. Es fühlte sich an, als hätte man einem Tier vorgeworfen, ein Tier zu sein.
Und dann waren da noch die Rehe. So viele. Tot am Straßenrand. Getroffen von Geschwindigkeit, von Unachtsamkeit, von unserer ständigen Eile. Und jedes Mal fühlte ich einen leisen Schmerz, so unscheinbar wie der Atem eines Blattes – aber dennoch da.
Und dann – kamen sie, die Orcas und die Delfine. Tiere von solcher Eleganz, dass man sich freuen kann. Und voller Kraft, dass man fast vergessen könnte, wie brutal die Natur auch sein kann. Vielleicht deshalb war mein Staunen bei diesen Begegnungen weniger durchwoben von Schuldgefühlen – vielleicht, weil ich sie aus der Ferne sah, weil ich sie nicht berührte.


UNBEZAHLBAR
Wenn ich an diese Reise zurückdenke, ist es nicht der Pazifik, nicht Seattle, nicht die grandiose Natur, die mein Herz am stärksten berührt hat. Es sind die Menschen.
Freunde. Familie. Menschen, bei denen sich ein ganzes Leben lang Vertrauen angesammelt hat. Und manchmal frage ich mich: Wie viel Glück kann ein Mensch haben?
Denn ich weiß: Die Verbindungen, die wir ‚da drüben‘ haben, sind alles andere als selbstverständlich. Die Tür von Gail und Werner stand offen. Aber noch viel weiter offen stand ihr Herz. Sie haben uns aufgenommen, als wären wir nie weg gewesen. Als gehörten wir dazu, ganz selbstverständlich. Die Offenheit, mit denen sie ihre Gedanken, ihre Sorgen, ihre Freude geteilt haben – die ehrlichen Gespräche, die leisen Momente auf ihrer Veranda, das einfache Zusammensein: Es war ein Geschenk. Kein Geschenk, das man kaufen oder planen kann. Sondern eines, das man nur geschenkt bekommt, wenn echtes Vertrauen da ist.


Und dann waren da ja noch Brad und Lisa. Schon beim ersten Wiedersehen war auch bei ihnen sofort wieder dieses Gefühl: Hier sind wir willkommen. Die gemeinsamen Tage mit ihnen– sie waren wie ein warmer Sommertag, an dem alles passt. Oskar, Brad, das Boot, das Wasser, die Krabben, der Schnaps, das Lachen, die Ruhe. Und das Gefühl: Wir sind verbunden.
Nicht über Messenger oder Social Media – sondern durch echte gemeinsame Geschichte.
Durch Erlebnisse. Erinnerungen. Zuneigung. So viele kleine, schöne Momente.
Und Oskar – so groß, so eigenständig, so präsent. Es war schön, ihn so zu erleben.
Und es war schön, zu dritt unterwegs zu sein. Als Familie, die sich nicht nur erträgt – sondern sich mag.
Ich habe den Urlaub jetzt aus einer emotionalen Sicht beschrieben. Die Fakten und größeren Erlebnisse haben ja schon Eingang in den Blogartikeln
- https://www.nivo.de/2025/07/12/schlaflos-in-seattle/
- https://www.nivo.de/2025/07/15/gegrillt-gekrabbelt-gewuenscht/
- https://www.nivo.de/2025/07/19/im-angesicht-der-wildnis/
- https://www.nivo.de/2025/07/20/gischt-geologie-und-gehversuche/
- https://www.nivo.de/2025/07/23/nicht-der-gipfel/
gefunden. Lasst mich zum Abschluss noch einmal einige Blitzlichter aus dem Urlaub berichten. Als da wären
Wir sahen währen der 14 Tage mindestens genausoviele von diesen Tesla Cybertrucks. In Silber, Schwarz und in perlmutglänzendem violett. Oskar war begeistert und ich muss sagen, dass ich diese Dinger nur hässlich finde. Sie zeigen eine gewisse Agressivität, die im Straßenverkehr nichts zu suchen hat. Und durch die scharfen Kanten, durch die Verletzungen hervorgerufen werden können, zeigen Herr Musk und sein Unternehmen durchaus, dass die Sicherheit von Fußgängern wohl nicht ganz so wichtig erscheint. Nur gut, dass ich viel mehr Volkswagen sah: Atlas, Atlas Sportsback, Tiguan und besagten Taos. Nicht zu vergessen, die vielen Oldtimer vom Typ Käfer, Beetle und Bully (egal, welchen Typs). Da fühlte ich mich doch wohler, wenngleich auch mein gewünschter Abstand zur Arbeit hierdurch manchmal verloren ging.




Und da wir gerade bei Herrn Musk waren. Auch die Politik darf nicht fehlen. Wie viele Schilder sahen wir, die da hießen „Make America great again“ oder auch „Trump and Vance“. Aber wir sahen auch andere Ausdrücke wie zum Beispiel „It is time to divorce from your republican husband“ oder gar „Democracy or Donald Trump – It’s one or the other – You can not have both”. Ich will mich hier gar nicht auf eine Seite schlagen. Das steht mir als Gast in diesem Land nicht zu. Und ich finde auch, dass es mehr als Schwarz / Weiss gibt. Soll heißen, dass sicher nicht alle Amerikaner, die Herrn Trump gewählt haben, auch alles unterstützen, was er macht und sagt. Und gleiches gilt umgekehrt für die Wähler der unterlegenen Camela Harris. Aber ist nicht gerade das auch die Demokratie, dass wir (in diesem Fall die Amerikaner) wählen dürfen? Ich kann dem o.g. letzten Satz zum Thema Demokratie schon einiges abgewinnen, aber Demokratie heisst auch, die andere Meinung, Einstellung zu hören und zu respektieren (heisst nicht akzeptieren). Auch wenn sie nicht die meinige ist. Und es gibt auf beiden Seiten des hiesigen politischen Spektrums Dinge, die ich unterschreiben würde oder ggf. auch nicht unterschreiben und hart ablehnen würde. Aber es ist eben nicht alles Schwarz/Weiss.






Schwarz/Weiss ist ein gutes Stichwort, das eine Anekdote bei der Fahrt zum Flughafen einleiten soll. Wir mussten unser benzinschluckendes SUV-Monster noch mit etwas Nährstoff, sprich Benzin, versorgen, bevor wir ihn am Flughafen wieder abgeben sollten. Das taten wir auch zwei Abfahrten vor dem Flughafen an einer Tankstelle. Claudia tankte, weil ich es vorzog, einmal eine Toilette aufzusuchen -typisch Ullrich vor einem Flug. Und als ich zurück kam und mir die Tanksäule anschaute, an dessen Rüssel unser durstiges Monster hing, schaute Claudia ganz verträumt auf das hinter uns stehende Fahrzeug. Es war zerbeult, rostig und ein Kind dunkler Hautfarbe stieg ein. Auf einmal schrie die Fahrerin, selber dunklerer Hautfarbe, Claudia an, was sie für ein Problem hätte, und warum sie so glotzen würde. Claudia wusste gar nicht, wie ihr geschah. Hatte sie doch nichts gemacht, als verträumt in die Gegend zu schauen. Ich hätte es hier gerne mit der Abwandlung eines Satzes von Karl Lagerfeld gehalten „Aha, sie sind wohl Rassistin, dass sie ohne Grund eine Weiße so anschreien“. Aber erstens bin ich nur Gast in dem Land und derartiges steht mir nicht zu und weiterhin ist wohl das Thema Deeskalation sinnvoller, als auch noch Öl in das hasserfüllte lodernde Feuer zu gießen. In diesem Zusammenhang noch etwas zum Nachdenken. Wie sind wir schon vor 30 Jahren darauf getrimmt worden, dass wir nicht „Negro“ sagen dürfen. OK, akzeptiert. Dann hieß es „Black“, das wohl auch nach kurzer Zeit nicht mehr politisch korrekt erschien. Nun hieß es „african amerikan“. Und hört, was ich in Seattle vernommen habe: Nun möchte diese Gesellschaftsgruppe, die sich durch die dunklere Hautfarbe von uns „Kaukasen“ unterscheidet, doch wieder „Black“ genannt werden. Verstehe, wer das will.
Aus Niederlagen lernen
Als letztes möchte ich auf meinen Fehlversuch der Begehung des Mount Saint Helens eingehen. Wie hatte ich mich darauf gefreut. Wie hatte ich mich vorbereitet. Und an jenem 21.Juli 2025 sollte es so weit sein. Ich erinnere noch ganz genau jenen Februartag im Jahr 1991, als ich mit meinen Reisepartnern Frank und Achim an der Südseite des Mount Saint Helens stand. Knapp 10 Jahre vorher ist er ausgebrochen. Jener Vulkan, der alles von Portland bis nach Seattle unter Asche „begraben“ hat. Kein Wunder, da ja die Größe des Rammelsbergs bei der Eruption seitlich aus dem Berg hinausgeschleudert wurde. Seinerzeit kamen wir nicht nahe an den Vulkan heran, da eben Winterzeit herrschte. Irgendwie wuchs der Wunsch von mir, diesen Vulkan zu besteigen / begehen. Und diese Reise sollte nun die Möglichkeit ergeben. Es hat nicht geklappt, weil ich erst gar nicht losgelaufen bin. Und das habe ich inklusive des Grundes schon in meinem letzten Blogeintrag beschrieben. Ggf. bin ich hier der selbsterfüllenden Prophezeiung erlegen. Denn vor meiner Abreise habe ich immer wieder gesagt, wenn ich es nicht schaffe, halte ich es mit Reinhold Messner. Denn der sagt immer, dass ihn Niederschläge im Leben weiter gebracht haben. Und das hier war ja auch emotional eine Niederlage. Hat sie mich weiter gebracht? Eventuell. Bisher hat vieles in meinem Leben geklappt. Gerade in den letzten Jahren habe ich eigentlich wenig Rückschläge erlebt. Gesundheitlich und beruflich lief es immer gut, freundschaftlich, familiär und auch sportlich sowie musikalisch. Ist da ein Rückschlag nicht auch hilfreich, uns mal wieder den Boden der Tatsachen zu zeigen? Es kann doch gar nicht alles klappen. Und durch diesen Fehlversuch habe ich doch gezeigt bekommen, dass ich das Erreichte, das Positive noch viel mehr wertschätzen sollte, als ich das manchmal eventuell tue. Dafür bin ich dann doch dankbar, wieder die Augen geöffnet bekommen zu haben.

So wie ich für diesen Urlaub sehr dankbar bin. Denn ich weiß, dass ein derartiger Urlaub nicht jedem gegönnt ist. Und ich will das niemals vergessen, dass ich zur Zeit -und dieser Urlaub zeigt es- auf der Sonnenseite der Straße lebe. Wollen wir alles dafür tun, dass das so bleibt. Und wollen wir uns für die einsetzen, die nicht dort leben. Sei es aus welchem Grund auch immer.

Das waren die letzten Gedanken, die ich jetzt, 64 km vor Kuujjuag und 557 Kilometer von Kimmirut im schon abgedunkelten Flugzeug zu unserem Urlaub schreiben möchte. Ach ja, wo ist Kuujuag und Kimmirut? Nun, sage und schreibe 1459 Kilometer von Churchill entfernt. Na dann ist ja alles klar.
Tschüss an alle, die bis hier durchgehalten haben und danke für das Lesen.
